OGH 10Ob69/19y

OGH10Ob69/19y19.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI W*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei C***** GmbH in Liqu, *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 21.231,42 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2019, GZ 5 R 49/19s‑17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Februar 2019, GZ 52 Cg 43/18i‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00069.19Y.1119.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 287,64 EUR USt) zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger erwarb als Verbraucher im Juni 2003 über Vermittlung eines selbständigen Vermögensberaters Kommanditanteile an der 4***** GmbH & Co KG im Nominale von 17.000 EUR zuzüglich 850 EUR Agio. Bei dieser Veranlagung beteiligen sich die Anleger als Kommanditisten an einer GmbH & Co KG, die eine oder mehrere Immobilien erwirbt. Der Fonds wurde von einer in Deutschland ansässigen Aktiengesellschaft aufgelegt. Wie sich aus dem Kapitalmarktprospekt ergibt, fungiert die Beklagte als inländische Anbieterin im Sinn des § 14 Z 3 KMG, der Vertrieb fand aber hier nicht direkt über sie statt. Die Kommanditbeteiligungen der Anleger wurden von einer in Deutschland ansässigen Treuhand‑ und Verwaltungsgesellschaft gehalten und verwaltet, mit der auch der Kläger einen Treuhandvertrag abgeschlossen hat.

Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche (Leistung und Feststellung) aufgrund eines gegenüber der Beklagten erklärten Rücktritts aus der Veranlagung in die Kommanditbeteiligung geltend. Die Beklagte habe den Erwerb der Anlage nicht gemäß § 14 Z 3 KMG bestätigt, weshalb ihm ihr gegenüber in ihrer Funktion als inländische Anbieterin unbefristet ein Rücktrittsrecht gemäß § 5 Abs 2 KMG (hier idF BGBl 1991/625; nunmehr: § 21 Abs 2 KMG 2019, BGBl I 2019/62) zustehe. Die Beklagte hafte als inländische Anbieterin wie die Emittentin gesetzlich und sei daher Anspruchsgegnerin der Klageforderung. Im Hinblick darauf, dass es sich um eine gesetzliche Haftung handle, schließe das Nichtbestehen eines Vertragsverhältnisses die Haftung nicht aus.

Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – mangelnde Passivlegitimation ein. Der Kläger könne das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG erfolgreich nur gegenüber seinem Vertragspartner (dem letzten Veräußerer), nicht aber ihr gegenüber geltend machen. Aus dem Umstand, dass die Beklagte als inländische Anbieterin Prospektverantwortliche nach § 11 KMG sei, könne ihre Passivlegitimation für die behaupteten Ansprüche aufgrund des Rücktritts gemäß § 5 Abs 2 KMG nicht abgeleitet werden. Ein Vertragsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger, von dem dieser zurücktreten könnte, habe niemals bestanden, sodass ihr gegenüber keine Rückabwicklungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Empfängerin der vom Kläger geleisteten Kommanditeinlage sei nicht die Beklagte, sondern die Fondsgesellschaft gewesen. Die Beklagte selbst habe vom Kläger keine Zahlungen oder Leistungen erhalten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Die Begründung dieser Entscheidungen lässt sich – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – dahin zusammenfassen, dass nach § 14 Z 3 KMG bei Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien dem Anleger der Erwerb der Veranlagung bei Vertragsabschluss in schriftlicher Form zu bestätigen sei. Die Bestätigung sei vom Emittenten, falls dieser Ausländer sei, vom Anbieter auszustellen. Anleger, die Verbraucher seien, könnten gemäß § 5 Abs 2 KMG vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß § 14 Z 3 KMG bestätigt worden sei. § 5 Abs 2 KMG definiere den Kreis der möglichen Rücktrittsgegner des Anlegers nicht. Ganz allgemein zielten Rücktrittsrechte aber darauf ab, das Rechtsgeschäft mit dem jeweiligen Vertragspartner zum Wegfall zu bringen. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass den Verbraucher durch § 5 Abs 2 KMG aF (ebenso wie durch § 5 Abs 1 KMG aF) ein Rücktrittsrecht gegenüber seinem Vertragspartner – also dem letzten Veräußerer – eingeräumt werden solle, unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt habe oder nicht. Als Veräußerer habe die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht fungiert.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, wem gegenüber das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG aF auszuüben sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der dieser die Stattgebung der Klage begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig, weil der Oberste Gerichtshof mittlerweile in der Entscheidung 9 Ob 60/19t vom 30. 10. 2019 zu einem völlig gleichgelagerten Fall einer gegen die auch hier Beklagte gerichteten Klage zu der vom Berufungsgericht angesprochenen Rechtsfrage Stellung genommen hat.

Die Aussagen dieser Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Das – dem § 3 KSchG nachgebildete – Rücktrittsrecht in § 5 Abs 1 KMG aF (BGBl 1991/625; nunmehr ähnlich § 21 Abs 1 KMG 2019, BGBl I 2019/62) steht Verbrauchern zu, die sich durch Vertragserklärungen in Bezug auf Wertpapiere oder Veranlagungen gebunden haben, sofern den einschlägigen Informationspflichten nicht entsprochen wurde. In § 5 Abs 2 KMG aF wird als Rücktrittsgrund auch die Nichtaushändigung der Bestätigung über das Rechtsverhältnis bei Veranlagungen in Immobilien nach § 14 KMG einbezogen, weil hiefür dieselben Schutzinteressen gelten.

2. Weder § 5 Abs 1 noch § 5 Abs 2 KMG aF definieren den Kreis der möglichen Adressaten des Rücktritts. In § 5 Abs 3 KMG aF ist allerdings von einer Rückstellung der schriftlichen Vertragserklärung an den „Veräußerer“ die Rede.

3. Ganz allgemein zielt ein Rücktritt vom Vertrag darauf ab, das Rechtsgeschäft mit dem jeweiligen Vertragspartner zum Wegfall zu bringen. Im Hinblick darauf ist zum Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG aF bereits klargestellt worden, dass Rücktrittsgegner des Verbrauchers sein jeweiliger Vertragspartner ist (unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt hat), sofern er beim Vertrieb der Wertpapiere in eigenem Namen tätig wurde. Nur gegenüber dem reinen Vermittler oder Vertreter besteht kein Kaufvertrag (2 Ob 32/09h [Pkt III.4.5]).

4. Diese Grundsätze gelten auch für den Rücktritt des Verbrauchers nach § 5 Abs 2 KMG aF, da diese Regelung denselben Schutzzweck verfolgt und weitgehend dem Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG aF nachgebildet ist. Auch die Nennung des „Veräußerers“ in § 5 Abs 3 KMG aF spricht für dieses Verständnis. Hätte der Gesetzgeber mit § 5 Abs 2 KMG aF tatsächlich eine von § 5 Abs 1 KMG aF völlig getrennt zu sehende „gesetzliche Haftung“ normieren wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er auch den in § 14 Z 3 KMG ausdrücklich umfassten Personenkreis in die Regelung des § 5 Abs 2 KMG aF aufgenommen hätte.

5. Die dem Anbieter auferlegte Verpflichtung zur Ausstellung einer Anlegerbestätigung ist nicht inhaltsleer, sondern gewährt dem Anleger auch bei Nichtbeachtung durch den Anbieter ein Rücktrittsrecht gegenüber dem Vertragspartner des Anlegers, selbst wenn dieser seine eigenen Pflichten gegenüber dem Anleger nicht verletzt hat. Damit werden Finanzintermediäre gewarnt, zu prüfen und Vorsorge dafür zu treffen, dass Erstanbieter und Emittenten ihren Prospekt‑ und sonstigen Informationspflichten auch tatsächlich nachkommen.

6. Die Frage, ob deutsches oder österreichisches Recht anwendbar sei, kann bei diesem Verständnis des § 5 Abs 2 KMG aF dahingestellt bleiben.

Diese in der Entscheidung 9 Ob 60/19t getroffenen Aussagen haben auch im vorliegenden Fall Gültigkeit. Ebenso wie in der Entscheidung 9 Ob 60/19t wird die Beklagte ausschließlich als Anbieterin iSd § 1 Abs 1 Z 6 KMG aF in Anspruch genommen. Dass die Veranlagung direkt von der Beklagten als Letztverkäuferin erworben worden wäre, steht nicht fest und wird auch nicht behauptet.

Die Revision ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der beklagten Partei stehen die Kosten der Revisionsbeantwortung zu, weil zum Zeitpunkt ihrer Erstattung die Entscheidung 9 Ob 60/19t noch nicht ergangen war; sie hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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