European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00062.19W.1113.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Prince E*****, Jafar A***** und Henry Au***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Prince E*****, Jafar A***** und Henry Au***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A 2, B und D), E***** darüber hinaus eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A 1) und eines Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (A 3) schuldig erkannt.
Danach haben in G***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift
(A) Prince E*****
von Ende Dezember 2016 bis zum März 2018 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
(1) ein (und aus‑)geführt, indem er in mehreren Angriffen insgesamt 52.000 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 5.200 Gramm Delta-9-THC) von Tschechien nach Österreich transportierte, und
(2) anderen überlassen, indem er in mehreren Angriffen insgesamt 51.000 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 5.100 Gramm Delta-9-THC) teils an Jafar A*****, teils an weitere Abnehmer gewinnbringend veräußerte, sowie
(3) am 12. März 2018 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er 396 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 41 Gramm Delta-9-THC) bis zu dessen Sicherstellung innehatte, weiters
(B) Jafar A***** vom März 2016 bis zum März 2018 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er in mehreren Angriffen insgesamt 20.400 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 2.040 Gramm Delta-9-THC) an verschiedene Abnehmer gewinnbringend veräußerte, „wobei er die Tat in der Absicht ausführte, sich durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, er mehr als zwei solcher Taten begangen hat sowie schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG (zu 6 Hv 13/16k des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) verurteilt worden war“, ferner
(D) Henry Au***** vom September 2017 bis Ende November 2017 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt 6.000 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 600 Gramm Delta-9-THC) an verschiedene Abnehmer teils selbst gewinnbringend veräußerte (§ 12 erster Fall StGB), teils durch Verwahren und Portionieren des Suchtgifts zu dessen gewinnbringender Veräußerung durch A***** (B) beitrug (§ 12 dritter Fall StGB).
Rechtliche Beurteilung
Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten E*****, A***** und Au***** jeweils auf Z 5, E***** und Au***** weiters auf Z 9 (richtig) lit a, Letzterer darüber hinaus auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO.
Zum Unterbleiben der neuerlichen Urteilszustellung nach Protokollberichtigung:
Nach Zustellung der Urteilsabschrift wurden (zunächst) alle angemeldeten Rechtsmittel innerhalb der hiefür zur Verfügung stehenden – teils unter Abstützung auf § 285 Abs 2 StPO mit Beschluss der Vorsitzenden verlängerten (zur [schon mit Blick auf das durch Art 6 Abs 1 MRK geschützte Erfordernis angemessener Verfahrensdauer gebotenen] Beschränktheit dieser Verlängerungsmöglichkeit auf extreme Ausnahmefälle siehe allerdings 11 Os 96/11v, 15 Os 176/11p und 11 Os 65/16t sowie Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 17) – Frist ausgeführt. Die (von einer gemeinsamen Verteidigerin vertretenen) Angeklagten E***** und Au***** stellten jeweils einen mit ihrer Rechtsmittelausführung verbundenen (somit ebenso fristgerechten) Antrag auf Protokollberichtigung. Diesen Anträgen gab die Vorsitzende mit Beschluss vom 22. März 2019 (an ON 90) Folge, der unbekämpft in Rechtskraft erwuchs. Daraufhin verfügte sie die Zustellung jeweils einer Abschrift des berichtigten Hauptverhandlungsprotokolls an die (Verteidiger der) Rechtsmittelwerber; die – den Lauf der Frist zur Rechtsmittelausführung (überhaupt erst) erneut auslösende (15 Os 131/17d; Danek, WK‑StPO § 271 Rz 55; Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 2) – (neuerliche) Zustellung einer Urteilsausfertigung unterblieb jedoch entgegen § 271 Abs 7 letzter Satz StPO.
Dies nachzuholen ist hier gleichwohl nicht geboten: E***** und Au***** brachten innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des berichtigten Protokolls (neue) Rechtsmittelschriften ein, während A***** und An***** – mit (soweit für das Folgende relevant) gleicher prozessualer Wirkung (vgl RIS‑Justiz RS0126527; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 8.134) – nach der Protokollberichtigung erklärten, ihre bereits eingebrachten Rechtsmittelausführungen als solche aufrecht zu halten (wohingegen die Wirksamkeit der zuvor erstatteten Rechtsmittelschrift ohne eine derartige Erklärung den fruchtlosen Ablauf der neuen Ausführungsfrist, somit jedenfalls die – deren Beginn erst auslösende – neuerliche Urteilszustellung vorausgesetzt hätte [vgl RIS‑Justiz RS0126175]).
Somit haben alle Rechtsmittelwerber bereits vor Beginn des – mangels (neuerlicher) Urteilszustellung gar nicht in Gang gesetzten (§ 271 Abs 7 letzter Satz StPO) – Laufs der hiefür zur Verfügung stehenden Frist ihre Rechtsmittel (im Hinblick auf die Protokollberichtigung) ausgeführt. Wird das Rechtsmittel indes (hier: nach der Protokollberichtigung, aber) vor der – wirksamen (hier: neuerlichen) – Urteilszustellung ausgeführt, folgt daraus kein Recht auf eine weitere Rechtsmittelschrift (Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 7). Da sie die Angeklagten demnach vorliegend ohnedies nicht (mehr) zur Einbringung neuer Rechtsmittelschriften berechtigen würde, erübrigt es sich fallbezogen, die (zu Unrecht unterbliebene) neuerliche Urteilszustellung nachzutragen.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:
Nach dem Urteilssachverhalt (US 9 ff, 12 f und 16 f) wurden die im Spruch angeführten Mengen an Delta‑9‑THC von den Beschwerdeführern jeweils – mit auf das betreffende Suchtgiftquantum gerichtetem Additionswillen – in einer Vielzahl von (solcherart im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzten) Angriffen ein- und ausgeführt (A 1) sowie überlassen (A 2, B und D). Diese Mengen entsprechen rechtlich gesehen dem 260-Fachen (A 1), dem 255‑Fachen (A 2), dem 182‑Fachen (B) und dem 30‑Fachen (D) der für diesen Wirkstoff festgelegten Grenzmenge.
Der Entfall einzelner (jeweils auf Teilmengen davon bezogener) Ausführungshandlungen jener tatbestandlichen Handlungseinheiten wäre für die Subsumtionsfrage nur insoweit bedeutsam, als dadurch das (jeweils) insgesamt tatverfangene Suchtgiftquantum nicht einmal mehr – wie zur Tatbestandsverwirklichung nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG erforderlich – das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (also 500 Gramm Delta-9-THC) überschreiten würde (vgl RIS‑Justiz RS0127374).
Indem die Beschwerde des A***** (Z 5 vierter Fall) bloß die Urteilskonstatierungen zur (im Rechtsmittel als „Suchtgiftmenge“ bezeichneten) Quantität des von diesem überlassenen Cannabiskrauts (B) bekämpft, ohne den Bezug zu einer (solcherart) entscheidenden Tatsache deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) herzustellen, verlässt sie den Anfechtungsrahmen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 391).
Die Mängelrüge des E***** (Z 5 zweiter, vierter und fünfter Fall) strebt eine Reduktion des tatverfangenen Cannabiskrauts auf (zu A 1) 10.000 Gramm und (zu A 2) 9.000 Gramm an. Auf Basis der (weiteren) Urteilsprämisse, dessen Gehalt an Delta-9-THC habe (jeweils) „über 10 %“ betragen (US 10 f), würde dies nichts am (jeweiligen) Überschreiten des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge ändern. Soweit die Rüge diese Feststellung (zum Wirkstoffgehalt) durch eigenständige Interpretation eines (vom Erstgericht berücksichtigten – US 33 f) Sachverständigengutachtens bezweifelt und – darauf aufbauend – die Qualifikationsgrenze jeweils unterschreitende (Gesamt-)Mengen behauptet, verliert sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Sie erweist sich damit – insgesamt – als nicht an der Verfahrensordnung orientiert.
Aussagen zu einem (übrigens faktisch unmöglichen) „Import“ von 52.000 Gramm Cannabiskraut „von Tschechien nach Prag“ hat das Erstgericht gar nicht getroffen. Dagegen gerichtete Einwände (Z 5 vierter Fall) gehen schon deshalb ins Leere.
Mit Mängelrüge (Z 5 zweiter und fünfter Fall) bekämpft Au***** die Feststellung, das zu Schuldspruch D überlassene Cannabiskraut habe 10 % (somit 600 Gramm) an Delta-9-THC enthalten (US 16). Stattdessen wäre von demselben Reinsubstanzgehalt an THCA mit der Konsequenz auszugehen gewesen, dass (bloß) das Fünfzehnfache (vgl § 28a Abs 2 Z 3 SMG) der für diesen Wirkstoff festgelegten Grenzmenge (zwar erreicht, aber) nicht überschritten worden wäre.
Das – aus Beschwerdesicht gegen die angefochtene Feststellung sprechende – (bereits erwähnte) Sachverständigengutachten hat das Erstgericht gar wohl erwogen (US 33 f). Dass es daraus nicht die vom Beschwerdeführer gewünschten Schlüsse zog, begründet weder Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) noch Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall). Mit der Kritik, das Urteil bezeichne eine Gutachtensaussage zu Unrecht als „logisch schlüssig“ (US 33), wird inhaltlich die Überzeugungskraft der – nach ihrer Erörterung in der Hauptverhandlung (ON 90 S 27 ff) jedoch keineswegs im Sinn des § 127 Abs 3 StPO bemängelten – Expertise bezweifelt. Ein formaler Mangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) der darauf gestützten Urteilsbegründung wird solcherart nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0097433, RS0099508).
Zur (Gesamt‑)Menge des von Au***** überlassenen Cannabiskrauts (D) ging das Schöffengericht davon aus (US 16 iVm US 12 f), dass es sich dabei um 6.000 Gramm (600 Gramm Delta-9-THC) handelte, welche E***** vom September 2017 bis Ende November 2017 in mehreren Angriffen dem A***** nach G***** geliefert hatte (Teil des Schuldspruchs A 2). Aufzeichnungen des Busunternehmens „Fl*****“ über Fahrten des E***** nach G***** ließ das Erstgericht bei der Begründung dieser Feststellungen – entgegen der eine Herabsetzung auf 4.000 Gramm (400 Gramm Delta-9-THC) anstrebenden Rüge (Z 5 zweiter Fall) – keineswegs unberücksichtigt; es leitete sie vielmehr (unter anderem) gerade daraus ab (US 31 iVm US 24 f). Einzelheiten der Verantwortung des E***** wiederum bedurften schon deshalb keiner gesonderten Erörterung, weil ihr die Tatrichter – insgesamt – nicht folgten (US 22 f; RIS‑Justiz RS0098642 [T1]).
Im Übrigen stützte das Schöffengericht die den Schuldspruch D des Au***** tragenden Feststellungen (US 16 f) vor allem auf Angaben des Mitangeklagten Peter F***** (US 30 f). Indem die Rüge ihrer Ansicht nach gegen diese Konstatierungen sprechende, sonstige Verfahrensergebnisse als „ungewürdigt übergangen“ (Z 5 zweiter Fall) bezeichnet, ohne an der Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe Maß zu nehmen, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0119370).
Die weitgehend wortgleich ausgeführten, Feststellungen zur „Wirkstoffart und -menge“ sowie zum darauf bezogenen Vorsatz des jeweiligen Beschwerdeführers vermissenden Rechtsrügen (Z 9 lit a) des E***** und des Au***** negieren prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die genau dazu getroffenen (teils zuvor mit Mängelrüge erfolglos bekämpften, eingangs referierten) Urteilskonstatierungen (US 9 ff, 16 f und 19).
Gleiches gilt für das Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10) des Au*****, die urteilsfremd vermeint, das Erstgericht hätte eine „Feststellung der Reinsubstanz im Tatzeitpunkt“ „zur objektiven Tatseite nicht treffen“ wollen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Hinzugefügt sei (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO): Nach dem Urteilssachverhalt (US 13) umfasst der (A***** betreffende) Schuldspruch B sukzessive Verkäufe jeweils für sich die Grenzmenge nicht übersteigender Suchtgiftmengen im Rahmen einer – nur infolge Zusammenrechnung die Überschreitung (insgesamt eines Fünfundzwanzigfachen) der Grenzmenge erreichenden – tatbestandlichen Handlungseinheit, also bloß einer Tat (und nicht „mehr als zwei“ Taten). Damit bleibt die (rechtliche) Annahme der Absicht dieses Angeklagten, sich durch die wiederkehrende Begehung von Taten nach § 28a Abs 1 SMG ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, ohne Sachverhaltsbezug (zur in Abkehr von früherer Rechtsprechung verneinten rechtlichen Möglichkeit mehrfacher Verwirklichung jenes Tatbestands auf die festgestellte [Begehungs‑]Weise siehe 12 Os 21/17f [verst Senat], RIS‑Justiz RS0131856; jüngst insbesondere 13 Os 55/19s). Die Unterstellung dieser (einen) Tat nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG ist demnach verfehlt (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Angesichts der zutreffend auf Basis des § 28a Abs 4 Z 3 SMG vorgenommenen Strafrahmenbildung sowie des Umstands, dass sich die fehlerhafte Subsumtion bei der Strafbemessung nicht zum Nachteil des Genannten ausgewirkt hat (vgl US 38), sah sich der Oberste Gerichtshof jedoch nicht zu amtswegigem Vorgehen veranlasst.
Die Entscheidung über die Berufungen sowie die (implizite) Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO). Dabei besteht hinsichtlich des aufgezeigten Rechtsfehlers keine (dem Angeklagten A***** zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Schöffengerichts über das anzuwendende Strafgesetz (RIS‑Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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