OGH 1Ob162/19h

OGH1Ob162/19h23.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch die Dr. Tramposch & Partner Rechtsanwälte KG, Eisenstadt, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Mag. Christian Ragger, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen Löschung grundbücherlicher Eintragungen, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. Mai 2019, GZ 4 R 99/19d‑24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wolfsberg vom 19. Februar 2019, GZ 4 C 822/18d‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00162.19H.1023.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

1. Die Beklagte nahm im Jahr 1986 zwei Liegenschaften zum (ausdrücklich vereinbarten) Zweck des Betriebs eines Autoersatzteilhandels in einem von ihr darauf zu errichtenden Superädifikat in Bestand. Ihr wurde (nur) für die Dauer des Bestandvertrags ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Bestandvertrag und Vorkaufsrecht(e) wurden (jeweils) persönlich für sie ob den Liegenschaften im Grundbuch eingetragen. Sie errichtete in der Folge darauf ein Superädifikat, betrieb darin aber (zumindest) seit 1993 den Autoersatzteilhandel nicht mehr, sondern vermietete es. Das Superädifikat wurde im Jahr 1995 im Rahmen einer gerichtlichen Zwangsversteigerung von einer GmbH erworben. Seit der Ersteigerung durch die GmbH „übernahm diese sämtliche Rechte und Pflichten“ aus dem Bestandvertrag, wogegen die Beklagte „nie Widerspruch erhoben“ hatte. Sie hatte seither mit dem Bestandvertrag „nichts mehr zu tun“ und zahlte (auch) keinen Bestandzins (mehr). Dieser wurde (samt den Betriebskosten) vielmehr von der Ersteherin des Superädifikats im eigenen Namen geleistet.

2. Beide Vorinstanzen gaben der Klage der Eigentümerin der Liegenschaften auf Einwilligung in die Löschung der für die Beklagte (persönlich) bewirkten Eintragungen (des Bestandrechts und des Vorkaufsrechts jeweils ob der beiden Liegenschaften) statt. Das Berufungsgericht räumte in seiner Begründung ein, dass § 153a EO (wonach bei Versteigerung eines Superädifikats der Ersteher in das bestehende Nutzungsverhältnis eintritt) auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden gewesen sei. Es erachtete das Klagebegehren aber trotzdem als berechtigt, weil die Beklagte sich der (ihr persönlich eingeräumten und im Grundbuch eingetragenen) Rechte begeben habe und der Bestandvertrag schlüssig beendet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

3. Die Beurteilung der Konkludenz im Einzelfall ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0043253 [insbes T1]; RS0109021 [T5]). Auch wenn bei der Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen ist (RS0014157; RS0013947; RS0014146), hat das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung den Beurteilungsrahmen, der durch die in der Rechtsprechung vom Obersten Gerichtshof entwickelten Leitlinien gezogen wurde, nicht überschritten.

Für die Konkludenz eines Verhaltens kommt es nämlich allein auf den Eindruck an, den der andere aufgrund dieses Verhaltens gewinnen musste, also auf das Verständnis, das er redlicherweise daraus erschließen durfte und erschlossen hat (vgl RS0014158 [T5, T6]). Die Beklagte war seit der Versteigerung nicht mehr Eigentümerin des Superädifikats. Wenn das Berufungsgericht ihr Verhalten seither nämlich (durch mehr als zwei Jahrzehnte hindurch) den Bestandzins sowie Betriebskosten nicht zu leisten und keinerlei Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Bestandgegenstand mehr auszuüben, als Einverständnis dazu beurteilte, dass der Bestandvertrag mit ihr beendet ist, bedarf dies keiner Korrektur. Es besteht bei dieser Sachlage kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass aus ihrem Verhalten der Rechtsfolgewillen abzuleiten ist (vgl RS0109021), dass der Bestandvertrag mit ihr aufgehoben sein sollte und sie nicht mehr daran gebunden sein wollte. Die Beklagte übersieht bei ihrem Verweis auf das in der Rechtsprechung (allerdings zum Kündigungsrecht des Bestandgebers bei Nichtgeltendmachung von Dauertatbeständen durch längere Zeit hindurch: s RS0014420) entwickelte Gebot besonderer Vorsicht bei Annahme eines stillschweigenden Verzichts, dass es bei ihr – nicht wie von ihr behauptet – um die „bloße Untätigkeit des Berechtigten“ oder die „Nichtausübung eines Rechts“ geht, sondern vor allem darum, dass sie (zeitgleich mit dem Verlust ihres Eigentums am Superädifikat) auch ihren Verpflichtungen aus dem Bestandverhältnis nicht länger nachgekommen war. Es wäre völlig unverständlich, warum sie – im Wissen darum, dass sie nicht mehr Eigentümerin des Superädifikats ist und ihr aus der Vermietung des Superädifikats auch keine Mieteinnahmen mehr zustehen (welche ihr auch tatsächlich nicht mehr zuflossen) – der Meinung gewesen hätte sein können, sie müsse – bei Annahme eines weiterhin aufrechten Bestandverhältnisses – keinen Bestandzins mehr zahlen.

5. Das Vorkaufsrecht war nur für die Dauer des Bestandvertrags vereinbart worden. Ausgehend von dessen Beendigung kann die Beklagte keinesfalls eine zu korrigierende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen aufzeigen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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