OGH 5Ob149/19a

OGH5Ob149/19a22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin I* GmbH, *, vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerinnen 1. H*, 2. Mag. A*, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Spitzy, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm §§ 3, 6 Abs 1 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Juli 2019, GZ 39 R 11/19k127, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126504

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Vermieter schuldet nach § 3 MRG die Erhaltung im jeweils ortsüblichen Standard.Mit diesem Begriff wird ein anpassungsfähiger („dynamischer“) Erhaltungsbegriff normiert, der die Rücksichtnahme auf Entwicklungen der Bautechnik und auf eine zeitgemäße Wohnkultur gebietet (RIS‑Justiz RS0069944[T3]). Zu Inhalt und Bedeutung dieses „dynamischen Erhaltungsbegriffs“ liegt umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Danach gehört auch die zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerung schadhaft gewordener Teile zur Erhaltung, selbst wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und sogar Veränderungen (Verbesserungen) vorgenommen werden (5 Ob 230/17k mwN; RS0114109; RS0070000). Eine Verpflichtung des Vermieters zu einer permanenten Modernisierung besteht freilich nicht (RS0069944 [T4, T7]; RS0114109 [T4]). Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist vielmehr ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit (RS0116998; RS0069944 [T8]). Der Mangel muss sich dabei nicht auf eine im Lauf der Zeit eingetretene Verschlechterung zurückführen lassen. Selbst die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands, also die Beseitigung von Mängeln, die bereits bei der Übergabe vorlagen, kann eine Erhaltungsarbeit sein (RS0114109 [T11]).

2.1. Die Vorinstanzen trugen den Antragsgegnerinnen näher bezeichnete Arbeiten an der Metall-Glas-Fensterkonstruktion im Bereich des Mietobjekts der Antragstellerin auf. Die Antragsgegnerinnen ziehen die Eigenschaft der aufgetragenen Maßnahmen als Erhaltungsarbeiten in Zweifel. Die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses sehen sie darin begründet, dass die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kasuistisch sei und das Rekursgericht die Frage, ob die aufgetragenen Arbeiten noch als Erhaltungsmaßnahmen iSd § 3 MRG anzusehen sind, unvertretbar falsch beurteilt habe.

2.2. Die Beurteilung, ob bestimmte Maßnahmen vom dynamischen Erhaltungsbegriff gedeckt und daher als Erhaltung iSd § 3 MRG zu qualifizieren sind, hat anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen und wirft daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG auf. Sind – wie aufgezeigt – die im Anlassfall entscheidenden Rechtsfragen von der Rechtsprechung bereits grundsätzlich geklärt und hält sich die Entscheidung zweiter Instanz im Rahmen dieser Grundsätze, so bedarf nicht jede in einem solchen Zusammenhang neu auftretende Sachverhaltsvariante wiederum der Befassung des Obersten Gerichtshofs (vgl 5 Ob 181/16b; RS0122015; RS0110702).

2.3. Die Antragsgegnerinnen zeigen in ihrem Revisionsrekurs auch keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. Auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Mängeln der Metall-Glas-Fensterkonstruktion und zu den zur Behebung dieser Mängel jeweils notwendigen Maßnahmen hält sich die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass insbesondere auch die Neuverglasung der Fensterelemente und das Nachrüsten der Metall-Konstruktion mit Belüftungsöffnungen und Kondensatrinnen Erhaltungs-maßnahmen iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG sind, in dem von der Rechtsprechung gezogenen Beurteilungsspielraum. Mit ihrer Behauptung, die aufgetragenen Arbeiten seien in diesem Umfang nicht notwendig, weil die bestehenden Mängel durch einfachere und kostengünstigere Arbeiten fachgerecht beseitigt werden könnten, entfernen sich die Antragsgegnerinnen vom festgestellten Sachverhalt.

3. Die Antragsgegnerinnen zeigen in ihrem Revisionsrekurs damit keine Rechtsfrage auf, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

Stichworte