OGH 12Os103/19t

OGH12Os103/19t15.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin R***** wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 17. Mai 2019, GZ 37 Hv 13/19w-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00103.19T.1015.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./, demzufolge auch im Strafausspruch und im Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche im Umfang von 3.616 Euro aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit dem auf den Schuldspruch I./ bezogenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Erwin R***** des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (I./) und des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** und an anderen Orten Günter W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

I./ zwischen März und Mai 2018 in drei Angriffen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die wahrheitswidrige Behauptung, er benötige Geld für die Begleichung privater Schulden, zur Übergabe von 800 Euro, 1.654 Euro und 1.162 Euro verleitet, die diesen in den genannten Beträgen am Vermögen schädigten;

II./ im Juni und Juli 2018 in zwei Angriffen durch die jeweils sinngemäße Äußerung, „wenn Günter W***** ihm kein Geld gebe, steige er als gewerberechtlicher Geschäftsführer aus dem Unternehmen aus und W***** verliere seine Lebensgrundlage“, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von insgesamt 2.650 Euro genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus Anlass dieses Rechtsmittels überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst davon, dass dem angefochtenen Urteil im Umfang des Schuldspruchfaktums I./ ein amtswegig wahrzunehmender Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Insoweit legte der Schöffensenat dem Angeklagten als Betrugshandlungen nicht etwa die Vorspiegelung seiner Rückzahlungsfähigkeit oder ‑willigkeit, sondern die wahrheitswidrige Behauptung des Bestehens „privater Schulden (Mietrückstände, Stromkosten, etc.)“, wodurch Günter W***** zur Übergabe der jeweiligen Geldbeträge verleitet worden und ihm dadurch ein Vermögensschaden entstanden sei, zur Last (US 4 f).

Solcherart ging das Erstgericht der Sache nach vom Vorliegen eines Bettel- oder Spendenbetrugs aus (zum Begriff und den Voraussetzungen vgl RIS‑Justiz RS0109555; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 51, 68; Kert SbgK § 146 Rz 291 ff). Ein Vermögensschaden tritt in solchen Fallkonstellationen jedoch nur dann ein, wenn der Getäuschte die Vermögenswerte bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht übergeben hätte ( Kert SbgK § 146 Rz 294; Kienapfel/Schmoller SB BT II 2 § 146 Rz 185; Leukauf/Steininger/Flora StGB 4 § 146 Rz 49; zur Beachtlichkeit des Motivirrtums des Getäuschten vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 51). Dazu traf das Erstgericht aber keine Feststellungen.

Bleibt mit Blick auf das Gesagte anzumerken, dass insoweit auch die zur subjektiven Tatseite getroffenen (im Übrigen undeutlichen) Konstatierungen, wonach der Angeklagte beim Opfer durch die „wahrheitswidrige Vorgabe bzw Vorspiegelung verschiedener Umstände“ einen „ebensolchen bzw inhaltsgleichen Irrtum“ herbeiführen wollte (US 5), zu kurz greifen.

Urteilsaufhebung bereits bei nichtöffentlicher Beratung in dem im Spruch ersichtlichen Umfang ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Folge (§ 285e StPO), ohne dass es eines Eingehens auf das dazu erstattete Rechtsmittelvorbringen bedürfte.

Die Aufhebung des Schuldspruchs I./ bedingte auch die Kassation des (darauf basierenden) Adhäsionserkenntnisses im Umfang des insoweit abgeurteilten Vermögensschadens von 3.616 Euro (vgl RIS‑Justiz RS0101303 [T3]; Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 7).

In Bezug auf den Schuldspruch II./ schlägt die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch fehl.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Verantwortung des Erwin R***** – und insbesondere dessen Depositionen, wonach er eine Anstellung im Ausmaß von 40 Stunden gefordert habe – ohnedies nicht unberücksichtigt gelassen (vgl US 6). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend war das Erstgericht jedoch nicht verhalten, sich mit sämtlichen Details der Einlassung des Angeklagten auseinanderzusetzen.

Aus welchem Grund der Umstand, dass der Angeklagte arbeitsrechtliche Schritte gegen Günter W***** gesetzt hat, den Feststellungen zu schulderheblichen Umständen entgegenstehen sollen, gibt die Beschwerde nicht bekannt.

Gleiches gilt für Verfahrensergebnisse, wonach von einer Aufstellung über Schulden des Angeklagten beim Zeugen W***** insgesamt 6.000 Euro hätten abgezogen werden sollen.

Die weitere Beschwerde (Z 5 fünfter Fall) übersieht, dass Feststellungen per se nicht aktenwidrig sein können (vgl RIS‑Justiz RS0099524; jüngst 12 Os 35/19t mwN; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.135). Im Übrigen wird auch ein sonstiger Begründungsmangel mit der Behauptung, der Angeklagte sei von Günter W***** nicht im tatsächlich zustehenden Ausmaß entlohnt worden, weshalb er lediglich ihm tatsächlich zustehende Forderungen geltend gemacht habe, nicht behauptet. Vielmehr bekämpft der Beschwerdeführer solcherart bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit der Behauptung des Fehlens von Feststellungen zum Ausmaß der zwischen Günter W***** und dem Angeklagten vereinbarten Wochenarbeitszeit an den Konstatierungen zum Vorliegen eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes vorbei und verfehlt solcherart den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Aus welchem Grund die (zum Zweck des Erwirkens einer unrechtmäßigen Bereicherung abgegebene) Drohung, als gewerberechtlicher Geschäftsführer auszusteigen, nicht gegen die guten Sitten im Sinn des § 144 Abs 2 StGB verstoßen soll, erklärt die weitere Rüge (der Sache nach Z 9 lit b) nicht (vgl RIS‑Justiz RS0131920).

Soweit der Beschwerdeführer das Bestehen von Forderungen gegen Günter W***** behauptet, übergeht sie die gegenteiligen Konstatierungen (vgl US 10, wonach „ein – aufgrund des Bestehens einer kompensablen Gegenforderung – erkennbarer Aufrechnungswille zur Tatzeit weder vorlag noch behauptet wurde“).

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO. Sie bezieht sich nicht auf die amtswegige Maßnahme ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12).

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