European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00022.19T.0924.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin, eine niederländische Gesellschaft, ist Inhaberin eines beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) angemeldeten Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Luftsofas; sie bewirbt und vertreibt diese Produkte.
Die Beklagte ist in Österreich im Möbelhandel tätig. Sie bewarb und vertrieb ebenfalls Luftsofas.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Stufenklage (zusammengefasst), der Beklagten zu untersagen, mit Luft zu befüllende Liegen feilzuhalten, die das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin verletzen. Weiters begehrte sie Beseitigung, Rechnungslegung, Schadenersatz, Auskunftserteilung und Urteilsveröffentlichung. Das von der Beklagten angebotene Produkt verletze die Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Das Verhalten der Beklagten verstoße auch gegen das UrhG und das UWG.
Die Beklagte wendete unter anderem ein, das von ihr vertriebene Produkt weise die prägenden Elemente des Gemeinschaftsgeschmacksmusters nicht auf. Die Anmeldung beziehe sich außerdem nur auf schwarze Luftliegen, während sie gelbe vertrieben habe. Weiters beantragte die Beklagte die Unterbrechung des Verfahrens nach § 91 Abs 1 GGV und § 190 ZPO, weil vier Anträge auf Nichtigerklärung beim EUIPO oder Widerklagen anhängig seien.
Das Erstgericht wies den Unterbrechungsantrag der Beklagten ab und gab der Klage mit Teilurteil im Wesentlichen statt. Die Entscheidung über das unbezifferte Zahlungsbegehren behielt es der Endentscheidung vor. Die Art 85 ff GGV sähen keine zwingende Unterbrechung eines Verletzungsverfahrens vor, wenn ein Nichtigkeitsantrag beim EUIPO gestellt werde, sodass diese im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liege. Da nur mehr ein Verfahren anhängig sei und die bisherigen Anträge, teils sogar mit einer umfassenden Begründung, abgewiesen worden seien, sei eine Unterbrechung nicht geboten, zumal das Verletzungsverfahren bereits weit fortgeschritten sei, wohingegen sich das Nichtigkeitsverfahren erst im Anfangsstadium befinde. Im Übrigen seien auch keine konkreten Nichtigkeitsgründe dargestellt worden.
Die Anmeldung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters sei in schwarz/weiß erfolgt und dieses sei in seiner äußeren Erscheinungsform durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
„Es handelt sich um eine mit Luft zu befüllende Liege, deren Oberflächenmaterial aus einfarbigem Nylon besteht. Die Liege besteht aus einer langen Röhre, welche in der Mitte geknickt ist. Dadurch entstehen zwei röhren- bzw wurstförmige Teile, die parallel verlaufen und deren Öffnungen nebeneinander liegen. An der Knickkante der Liege ist zur oberen Ecke hin ein rechteckiges, weißes Kunststoffstück angenäht, auf welchem das Firmenkennzeichen beidseitig aufgedruckt ist. Bestimmend für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist die bei Betrachtung von oben hervorgerufene Assoziation mit einem paar Würstchen sowie die bei Seitenansicht augenfällig vorhandene bootsähnliche Form.“
Da die Gestaltung des Produkts nicht ausschließlich technisch bedingt sei, sondern jedenfalls auch ästhetische Elemente beinhalte, liege der Schutzausschließungsgrund des Art 8 Abs 1 GGV nicht vor. Der Gesamteindruck des Eingriffsgegenstands entspreche jenem des Musters der Klägerin. Die Abweichungen beim Kopfteil sowie beim „Fähnchen“ reichten nicht aus, um einen unterschiedlichen Gesamteindruck zu erwecken. Ob die Farbe ein charakteristisches Element und für den Vergleich relevant sei, werde durch die Anmeldung vorgegeben. Da hier eine neutrale Darstellung erfolgt sei, beschränke sich der Schutz aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht auf die Farbe schwarz, sodass dem Umstand, dass die Luftsofas der Beklagten bunt seien, keine Bedeutung zukomme.
Das Rekurs- und Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung (mit Maßgabe einer Präzisierung des Unterlassungsgebots) und sprach aus, dass der Revisionsrekurs (gegen die Bestätigung der Abweisung des Unterbrechungsantrags) jedenfalls unzulässig sei, der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte bekämpft in ihrer außerordentlichen Revision zunächst die Bestätigung der Abweisung ihres Unterbrechungsantrags. Dabei handelt es sich inhaltlich um einen Revisionsrekurs. Dieser ist absolut unzulässig:
1.1. Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.
1.2. Der Ausschluss des Revisionsrekurses gegen einen zur Gänze bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts gilt unbedingt. Ein Rechtsmittel ist daher unter allen Umständen unzulässig. Belanglos ist, ob der zur Gänze bestätigten Entscheidung ein Parteiantrag zugrunde lag oder ob sie von Amts wegen erging. Der Rechtsmittelausschluss widerspricht nicht Unionsrecht. Es besteht kein unionsrechtlicher Grundsatz, dass der Oberste Gerichtshof immer anrufbar sein müsse, wenn die Entscheidung von der Lösung einer unionsrechtlichen Frage abhängt ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 528 ZPO Rz 114). Die Abweisung eines Unterbrechungsantrags ist nicht der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen gleichzuhalten (vgl RS0124918).
1.3. Zum Konkordanzbeschluss im Sicherungsverfahren sprach der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 245/03s aus, dass aus dem Unionsrecht nicht ableitbar ist, dass der Oberste Gerichtshof in Verdrängung der Zugangsbeschränkungen nach nationalem Verfahrensrecht immer anrufbar sein müsse, wenn eine im Sicherungsverfahren angestrebte Entscheidung (auch) von der Lösung einer Frage des Unionsrechts abhängt.
1.4. Die Beklagte versucht nun, die Anfechtungsbeschränkung zu umgehen, indem sie die Entscheidung des Zweitgerichts über den Unterbrechungsantrag in ihrer Revision gegen das Berufungsurteil als Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens rügt. Dies ist aus den genannten Gründen jedoch ausgeschlossen; die konforme Entscheidung der Vorinstanzen über den Unterbrechungsantrag ist unanfechtbar. Ein Rechtsmittel dagegen ist jedenfalls unzulässig.
1.5. Liegt kein zulässiges Rechtsmittel vor, ist auch die im Rechtsmittel angeregte Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH nicht zulässig (vgl 4 Ob 15/17k).
2. Die Revision rügt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Eingriffsgegenstand verletze das klägerische Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Die Klägerin nehme nämlich nur die Wiedergabe des Musters in der Farbe schwarz in Anspruch und habe keine (farb‑)neutrale Darstellung angemeldet. Damit zeigt die Klägerin aber keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO auf. Ihre Revision ist daher unzulässig:
2.1. Bereits das Berufungsgericht wies darauf hin, dass nach der Rechtsprechung auch die Farbe ein Merkmal eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters sein kann, das den Gesamteindruck prägt. Ob das der Fall ist, entscheidet der Anmelder bei der Anmeldung. Reicht er die Wiedergabe in Farbe ein, ist die Farbe ein Teil der Erscheinungsform des Erzeugnisses. Das Merkmal der Farbe kann nur dann herangezogen werden, wenn die Wiedergabe als farbige Wiedergabe erkennbar ist (RS0126202). Erscheinungsmerkmale, die in der Wiedergabe nicht zweifelsfrei erkennbar sind, können zur Abgrenzung nicht herangezogen werden. Erfolgt die Wiedergabe in schwarz‑weiß, so kommt es auf die Farbgestaltung nicht an. Denn aufgrund der schwarz-weiß-Darstellung des Musters in der Anmeldung ist eine besondere Farbgestaltung gerade nicht Gegenstand des Gemeinschaftsgeschmacksschutzes (17 Ob 4/10b mwN).
2.2. Betrachtet man die Darstellung des angemeldeten Geschmacksmusters, ist nicht erkennbar, weshalb die Einschätzung des Berufungsgerichts, wonach der Anmelder die Farbe nicht zweifelsfrei zum Merkmal des Musters gemacht, sondern dieses farbneutral angemeldet habe, unzutreffend sein soll. Die Anmeldung lässt weder im Hintergrund noch als Beiwerk ein Farbelement erkennen.
2.3. Somit ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig; sie hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
Die unzulässige außerordentliche Revision ist somit zurückzuweisen.
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