OGH 7Ob131/19v

OGH7Ob131/19v18.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Unterhaltssache des Antragstellers P* D*, geboren am * 1996, vertreten durch Dr. Rainer Parz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner C* D*, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. März 2019, GZ 45 R 489/18x‑30, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 28. September 2018, GZ 14 Fam 17/18h‑24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126594

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Antragsteller (= Sohn) lebt in Eigenpflege und hat im Oktober 2016 das Bachelorstudium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der WU Wien begonnen. Das Studium umfasst 180 ECTS. Die Mindeststudienzeit beträgt sechs Semester. Die durchschnittliche Studiendauer beträgt 9 (8,8) Semester. Der Antragsteller erreichte bis einschließlich dem 4. Semester insgesamt 48 ECTS. Im zweiten Semester konnte er aufgrund seiner Arbeitstätigkeit nur vier ECTS erreichen. Diese Arbeitstätigkeit musste der Antragsteller aufnehmen, um sich mangels sonstiger finanzieller Unterstützung zu versorgen. Der Antragsteller war von 17. 10. 2016 bis 30. 12. 2016 und ist seit 2. 5. 2017 in einem Blockzeitmodel berufstätig.

Das Rekursgericht ließ über Zulassungsvorstellung des Antragsgegners gemäß § 63 Abs 3 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Der Rechtsstandpunkt des Antragsgegners, wonach der Antragsteller sein Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betreibe und der Unterhaltszuspruch daher mit der Rechtsprechung im Widerspruch stehe, sei „hier nicht von der Hand zu weisen“.

Der Revisionsrekurs, in dem der Antragsgegner keine einzige höchstgerichtliche Entscheidung bezeichnet, von der die Beurteilung der Vorinstanzen angeblich abweichen soll, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten ist. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG):

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Kind studiert in der Regel zielstrebig, solange die durchschnittliche Gesamtstudiendauer nicht überschritten wird (RS0083694 [T8]; RS0110596 [T1]; RS0110600 [T1]; RS0117107).

2. Fehlt – wie hier – eine Gliederung in Studienabschnitte hat die Kontrolle des Studienfortgangs durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen zu erfolgen (RS0120928).

3. Ob ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, weil es seine Ausbildung nicht zielstrebig betreibt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden (RS0008857; RS0109289 [T2]). Dabei ist ein zielstrebiger Studienerfolg nicht zwingend bereits dann zu verneinen, wenn nach schlichtem Dividieren die in einem Semester erreichten ECTS‑Punkte nicht (stets) jenen Punkten entsprechen, die bei einer durchschnittlichen Studiendauer im rechnerischen Durchschnitt auf ein Semester entfallen (4 Ob 40/18p). Vielmehr können besondere Gründe vorliegen, die ein längeres Studium noch gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl 3 Ob 116/02h mwN). Ein solcher Grund kann etwa eine Teilzeitbeschäftigung sein (vgl 5 Ob 185/18v), die auch hier für die Verzögerung des Studiumfortgangs, insbesondere im 2. Semester, maßgeblich war.

4. Die Einschätzung der Vorinstanzen, es könne im vorliegenden Einzelfall noch davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sein Studium zielstrebig betreibe, hält sich somit im Rahmen vorliegender Rechtsprechung. Der Antragsgegner zeigt keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

5. Auf die Behauptung des Antragstellers in seiner Revisionsrekursbeantwortung, wonach er inzwischen bis zum Abschluss des 6. Semesters bereits 118 ECTS‑Punkte erreicht habe, ist im Hinblick auf das Neuerungsverbot nicht einzugehen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

Stichworte