European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00090.19F.0912.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian H***** des „Verbrechens“ (richtig: des Vergehens) des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: erster Fall), Abs 2, 148 erster Fall StGB teils in Verbindung mit § 12 zweiter Fall StGB (I./), der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: vierter Fall) StGB (II./1./ und 3./), des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II./2./), des Verbrechens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (III./1./), des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall (III./2./) sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 4 StGB (IV./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant –
II./ Nachstehende durch gefährliche Drohung zu Handlungen genötigt, die diese oder einen anderen am Vermögen schädigten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1./ ab Herbst 2017 in B***** Nadine Hu***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, an der Freiheit und mit einer Entführung, teils zum Nachteil von Sympathiepersonen, zur Übergabe von Geldbeträgen, indem er ihr gegenüber äußerte, dass er sie und ihre Familie umbringen, sie vergewaltigen, ihre Kinder entführen, ihre Eltern zusammenschlagen, ihr die Zähne ausschlagen und sie im Ausland auf den Strich schicken werde, wenn sie ihm kein Geld gebe;
2./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach April 2017 in S***** und K***** Natalie S***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit, teils zum Nachteil einer Sympathieperson, zur Übergabe von Bargeldbeträgen in der Höhe von zumindest 600 Euro, indem er ihr gegenüber äußerte „Ich hab meinen Kopf für dich hingehalten und wenn du die Kohle das nächste Mal wieder nicht aufstellst ..., siehst du deine Tochter nie wieder“ und „I werd dir halt ein paar Leut vorbeischicken, da gibt es eine Massenvergewaltigung, dann kannst du deine Schulden abarbeiten“;
3./ Ende Februar 2018 in K***** Sophie G***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, an der Freiheit und mit einer Entführung, teils zum Nachteil von Sympathiepersonen, zur Übergabe von 7.000 Euro und weiterer Geldbeträge, indem er ihr gegenüber äußerte, dass sein Freund Ladi zu ihr kommen werde und ihr „etwas antun“ werde, und dass er ihrer Schwester Jacqueline G***** die Zähne ausschlagen, ihr nach der Arbeit auflauern, sie nach Tschechien verschleppen und dort vergewaltigen werde, sie um ihr Leben Angst haben solle, das Geld sofort besorgt werden solle, sonst würde sie sehen, wie man wirklich leidet;
III./ im Zeitraum von September 2016 bis August 2018 an nicht näher bekannten Orten
1./ sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht oder nicht alleine verfügten durfte, nämlich die Bankomatkarte der Nadine Hu***** mit dem Vorsatz, dass er oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, verschafft, indem er in zahlreichen Angriffen die vom Opfer versteckte Bankomatkarte an sich nahm und mehrfach Behebungen durchführte, wobei er in der Absicht handelte, durch die wiederkehrende Begehung gleichgelagerter Tathandlungen sich eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und er mehr als zwei solche Taten begangen hat.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und Z 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.
Der zu II./ des Schuldspruchs erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf Vernehmung der Tochter der Natalie S*****, Elena S*****, als Zeugin zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die Erstgenannte nie bedroht hat (ON 26 S 16 f), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen. Denn er legte mit der Behauptung, Elena S***** wäre bei sämtlichen Treffen zwischen dem Angeklagten und Natalie S***** anwesend gewesen, nicht dar, weshalb die Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, zumal die Zeugin Natalie S***** in der Hauptverhandlung deponierte, der Großteil der Gespräche mit dem Angeklagten habe per Telefon in der Nacht stattgefunden, als ihre Tochter schon geschlafen habe (ON 26 S 12). Somit richtete sich der Beweisantrag auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS‑Justiz RS0099453).
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).
An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde, die betreffend II./ des Schuldspruchs auf WhatsApp‑Korrespondenz zwischen dem Angeklagten und den Zeuginnen Nadine Hu*****, Natalie S***** und Sophie G***** verweist und ausführt, dass zu diesen bis zuletzt ein freundschaftliches, liebevolles Verhältnis bestanden habe.
Zu I./, III./ und IV./ wird trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags kein Vorbringen erstattet, weshalb auf die Beschwerde in diesem Umfang keine Rücksicht zu nehmen war (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass dem Erstgericht betreffend III./1./ des Schuldspruchs mit der Annahme der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nach Abs 2 erster Fall des § 241e StGB ein Subsumtionsfehler unterlaufen ist, weil der Plan von mehrfachen Verwertungshandlungen nach einer Entfremdung, also der angestrebte Einsatz einer rechtswidrig erlangten Bankomatkarte zu fortlaufenden Geldbehebungen dafür nicht ausreicht (RIS‑Justiz RS0086909 [T6]; Schroll in WK 2 StGB § 241e Rz 18/2, Oshidari , SbgK § 241e Rz 29). Dieser – ungerügt gebliebene – Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10) blieb jedoch für den Angeklagten per se ohne Nachteil iSd § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zu einem amtswegigen Vorgehen nicht bestimmt. Aufgrund dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung an die verfehlte rechtliche Unterstellung nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
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