European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0230NS00002.19Z.0828.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Bei der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer behängt ein – infolge objektiver Konnexität gemeinsam geführtes (§ 37 Abs 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) – Disziplinarverfahren gegen die Rechtsanwälte Dr. P***** und Dr. M*****, in dem die zuletzt am 5. September 2018 durchgeführte mündliche Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt wurde.
Mit Eingaben vom 14. und 16. Mai 2019 beantragte der Beschuldigte Dr. P***** die Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien, weil er im März 2018 seinen Kanzleisitz nach W***** verlegt und er „erst vor kurzem, jedenfalls aber noch innerhalb der 4‑Wochen‑Frist nach § 25 Abs 2 DSt“ aufgrund des Arbeitsumfangs und der Auflösung des Dienstverhältnisses zu einer Konzipientin beschlossen habe, diesen nicht nach D***** zurückzuverlegen. Zudem seien „sämtliche angebotenen Zeugen“ nicht in Vorarlberg aufhältig und deren Anreise nach Wien einfacher und ökonomischer.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist verspätet.
Gemäß § 25 Abs 2 DSt muss der Beschuldigte einen Delegierungsantrag binnen vier Wochen nach Zustellung des Einleitungsbeschlusses einbringen. Wird jedoch glaubhaft gemacht, dass die Tatsachen, auf die der Antrag gestützt wird, erst nach Ablauf dieser Frist eingetreten oder dem Antragsteller bekannt geworden sind, so kann der Antrag auch noch nachher, spätestens jedoch innerhalb von vier Wochen ab Bekanntwerden, eingebracht werden, wobei der Zeitpunkt des Bekanntwerdens im Antrag glaubhaft zu machen ist.
Der Delegierungsantrag wurde zwar vom hiefür primär zuständigen (§ 25 Abs 4 DSt) Disziplinarrat nicht als verspätet zurückgewiesen (AS 161 ff), dies hindert den Obersten Gerichtshof jedoch nicht, eine Verspätung selbst wahrzunehmen (23 Ns 1/16y; vgl § 285d Abs 1 Z 1 StPO).
Der Antrag entspricht den Kriterien des § 25 Abs 2 DSt schon deshalb nicht, weil die Rechtzeitigkeit belegende Umstände in Bezug auf die als Delegierungsgrund (auch) genannten Zeugenvernehmungen nicht einmal behauptet wurden (s dazu im Übrigen das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 5. September 2018, ON 10).
Im Übrigen schlägt der Antrag auch inhaltlich fehl.
Gemäß § 25 Abs 1 DSt kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen unter anderem auf Antrag des Beschuldigten einem anderen Disziplinarrat übertragen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung sind andere wichtige Gründe für die Übertragung des Disziplinarverfahrens etwa eine wesentliche Erleichterung der Beweisführung oder eine wesentliche Kostenersparnis, während das Faktum der Kanzleisitzverlegung allein als Delegierungsgrund nicht ausreicht (RIS‑Justiz RS0119215).
Unmaßgeblich sind die Anreisebedingungen von Personen, deren Vernehmung als Zeugen zwar beantragt wurde, aber als nicht erforderlich anzusehen ist (vgl den Beschluss des Disziplinarrats AS 95).
Das Vorbringen des Beschuldigten ist daher insgesamt nicht geeignet, einen Delegierungsgrund iSd § 25 Abs 1 zweiter Fall DSt darzutun.
Im Übrigen hätte sich eine Entscheidung auf Übertragung der Durchführung eines Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat auf das gesamte Verfahren und damit hier auch auf den Beschuldigten Dr. M***** zu beziehen, zumal eine Verfahrenstrennung (vgl Oshidari , WK‑StPO § 37 Rz 12 f) bisher nicht erfolgt ist und nur dem Disziplinarrat zukäme. Weiters würde vorliegend die – im Fall einer Delegierung erforderliche – Neudurchführung (§ 276a StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; zu den Konsequenzen s Danek/Mann, WK‑StPO § 276a Rz 8/2 ff) der bereits anverhandelten Sache vor einem anderen Disziplinarrat der Verfahrensökonomie ebenso zuwider laufen wie eine allfällige Parallelführung zweier objektiv konnexer Verfahren vor verschiedenen Disziplinarräten.
Der Delegierungsantrag war daher zurückzuweisen.
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