OGH 4Ob117/19p

OGH4Ob117/19p22.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und dieHofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Kläger 1. G***** H*****, 2. C***** H*****, beide vertreten durch Dr. Günter Niebauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte V***** AG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 19.316 EUR sA, aus Anlass des Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. Mai 2019, GZ 2 R 25/19i‑16, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Krems vom 17. Jänner 2019, GZ 6 Cg 75/18s‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00117.19P.0822.000

 

Spruch:

Das Verfahren 4 Ob 117/19p wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Landesgericht Klagenfurt am 17. April 2019 zu AZ 21 Cg 74/18v (EuGH C‑343/19) gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Die Kläger mit Wohnsitz in Österreich erwarben von einem inländischen Autohändler im Juni 2014 einen Pkw VW Touran mit Dieselmotor, hergestellt von der Beklagten mit Sitz in Deutschland.

Die Kläger begehren im Zusammenhang mit behaupteten „VW-Abgasmanipulationen“ von der Beklagten Schadenersatz im Wege der Naturalrestitution, nämlich die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Benützungsentgelt Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Sie stützen ihre Behauptung der Zuständigkeit des Erstgerichts auf Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012.

Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts, weil der maßgebliche Erstschaden an ihrem Sitz in Deutschland eingetreten sei.

Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Es lägen keine Umstände vor, die im Sinne der Judikatur des EuGH den Klägergerichtsstand begründen könnten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger Folge, verwarf die Einrede der (internationalen und örtlichen) Unzuständigkeit und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der Erfolgsort iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 für Schadenersatzansprüche des Käufers gegen die Kfz-Herstellerin mit Sitz in Deutschland wegen Manipulationen von Abgaswerten sei jener Ort, an dem der Käufer das Kfz vom Händler erworben und übergeben erhalten habe. Der in der Vermögensminderung (bezahlter Kaufpreis für ein Kfz mit manipulierter Software) liegende bloße Vermögensschaden des Käufers sei nämlich kein Folge‑, sondern ein zuständigkeitsbegründender Primärschaden. Der Gerichtsstand sei für die Herstellerin, die sich eines österreichschen Vertragshändlers bediene, auch ausreichend vorhersehbar und in Hinblick auf den Abschluss des Kaufvertags und die Auslieferung des Kfz in Österreich auch sach‑ und beweisnah. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Fall zulässig.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Beklagte zusammengefasst geltend, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände der Erfolgsort in Deutschland zu lokalisieren sei. Es werde beantragt, das Verfahren im Hinblick auf das vom Landesgericht Klagenfurt in einem Parallelverfahren zu AZ 21 Cg 74/18v am 17. 4. 2019 gestellte Vorabentscheidungsersuchen zu unterbrechen.

In ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragen die Kläger, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig.

Über seine Berechtigung wird nach dem Einlangen der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache des Landesgerichts Klagenfurt AZ 21 Cg 74/18v zu entscheiden sein.

Dem Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt liegt ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, weil auch die dortige Klägerin als eine gemeinnützige Verbraucherorganisation die ihr zum Zweck der Klagsführung abgetretenen deliktischen Schadenersatzansprüche von Verbrauchern gegen die (auch hier) Beklagte im Zusammenhang mit behaupteten „VW‑Abgasmanipulationen“ geltend macht. Unter Darlegung des wechselseitigen Vorbringens und der gegenseitigen Anträge hat das Landesgericht Klagenfurt den EuGH um Klärung der Frage ersucht, ob als Ort, an dem das schädigende Ereignis unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eingetreten ist, auch dann jener Ort in einem Mitgliedstaat angesehen werden kann, an dem der Schaden eingetreten ist, wenn dieser Schaden ausschließlich in einem finanziellen Verlust besteht, der die unmittelbare Folge einer unerlaubten Handlung ist, die sich in einem anderen Mitgliedstaat ereignet hat. Das Vorabentscheidungsersuchen ist beim EuGH zu C‑343/19, Verein für Konsumenteninformation gegen Volkswagen AG, anhängig.

Infolge des vergleichbaren Sachverhalts stellen sich auch hier die selben Rechtsfragen wie im Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt (siehe auch 4 Ob 119/19g).

Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszugehen und diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist dieses Verfahren daher zu unterbrechen (RIS‑Justiz RS0110583).

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