European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00065.19X.0625.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Die restliche Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Achraf F***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 1 SMG (A./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (B./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3, Abs 4 Z 1 SMG (C./) schuldig erkannt.
Danach hat er in I***** und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Khalid S***** als Mittäter (§ 12 StGB) als Mitglied einer aus ihm, S*****, Anass A*****, Abdelali R***** und weiteren unbekannt gebliebenen Personen bestehenden kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
A./ eingeführt, indem er („knapp“) vor dem 2. April 2018 Raduan E***** und Aziz H***** dazu bestimmte, insgesamt 155 Gramm (reines) Cocain von Italien nach Österreich zu verbringen;
B./ am 2. April 2018 mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar durch Übernahme von durch E***** und H***** aus Italien eingeführten 155 Gramm (reinem) Cocain;
C./ anderen überlassen, indem er von Ende 2017 bis 2. April 2018 in wiederholten Angriffen im Urteil genannten (nachgeordneten) Mitgliedern der kriminellen Vereinigung sowie abgesondert verfolgten bzw unbekannt gebliebenen Abnehmern insgesamt 280 Gramm (reines) Cocain sowie 92 Gramm THC, sohin Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, verkaufte.
Gemäß § 20 Abs 3 StGB wurde „ein Betrag von EUR 30.400,‑ ‑ (gemeinsam mit Khalid S*****) für verfallen erklärt, der den Vermögenswerten entspricht, die er (und Khalid S*****) durch die strafbaren Handlungen (laut Punkt C des Schuldspruchs) erlangt hat“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, „9a“, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) steht lediglich die (gänzliche) Nichtaufnahme eines Protokolls über die Hauptverhandlung, nicht aber dessen Inhalt unter Nichtigkeitssanktion (RIS‑Justiz RS0099003, RS0113211). Die relevierten Protokollierungsmängel (ON 270 S 25) bilden demnach keinen Gegenstand der Verfahrensrüge, sondern steht diesbezüglich ein Berichtigungsantrag gemäß § 271 Abs 7 StPO offen (RIS‑Justiz RS0113211 [T6]). Der fallaktuell ausdrücklich nur für „den Fall, dass die Nichtigkeitsbeschwerde gem § 281 Abs 1 Z 3 StPO verworfen wird,“ demnach bloß bedingte „Antrag auf Niederschrift der Einvernahmen der Angeklagten Raduan E***** und Aziz H***** im Protokoll vom 29. November 2018 auf Seite 25 in eventu: auf neuerliche Einvernahme der Angeklagten Raduan E***** und Aziz H*****“ (ON 318 S 10), ist gesetzlich nicht vorgesehen und wäre im Übrigen mit Eintritt der Bedingung („Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde“) – schon infolge des sodann rechtskräftigen Schuldspruchs – jedenfalls unzulässig (vgl auch § 271 Abs 7 dritter Satz StPO).
Die in der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) relevierten Angaben des Zeugen Anass A***** in der Hauptverhandlung am 28. November 2018 erachtete das Erstgericht aufgrund des persönlichen Eindrucks insgesamt als nicht überzeugend (US 13), sodass deren mangelnde Detailerörterung keine Unvollständigkeit darstellt (RIS‑Justiz RS0098642).
Die weiters als übergangen kritisierten (Z 5 zweiter Fall) Aussagen des Angeklagten, R***** nicht zu kennen, und des S*****, mit A***** keinen Kontakt gehabt und ihm nichts gegeben zu haben, stehen den Sachverhaltsannahmen zum Vorliegen einer kriminellen Vereinigung (US 5) nicht erörterungsbedürftig entgegen. Denn das Bestehen einer kriminellen Vereinigung setzt weder gemeinsame Tatbegehung voraus, noch dass (alle) deren Mitglieder einander kennen (RIS‑Justiz RS0086779).
Mit der Kritik (Z 5 vierter Fall) unzureichender Begründung der festgestellten Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung (US 5) nimmt der Beschwerdeführer nicht an der Gesamtheit der diesbezüglichen Erwägungen (US 9 f, 12 f) Maß und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0119370).
Indem die Rechtsrüge („Z 9a“) die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite bloß bestreitet, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099810 [T15]).
Gleiches gilt für die substanzlosen Gebrauch der verba legalia des § 278 Abs 2 StGB reklamierende Subsumtionsrüge (Z 10), die eben jene Feststellungen, die den erforderlichen Sachverhaltsbezug herstellen (US 5), ausblendet.
Der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider verstößt die erschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung in Gesellschaft eines Mittäters nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil § 28 Abs 4 Z 1 SMG lediglich die Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung fordert, während die Mitwirkung eines anderen Vereinigungsmitglieds nicht vorausgesetzt wird (vgl Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 55).
In Bezug auf den Verfallsausspruch zeigt die Beschwerde (Z 11 erster Fall) zutreffend auf, dass die Anordnung einer Solidar- oder Kumulativhaftung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dem Verfall unterliegende Vermögens- und Ersatzwerte (§ 20 Abs 1, Abs 2 StGB) sowie der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) dürfen nämlich nur dem tatsächlichen Empfänger abgenommen werden. Sind Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären (RIS‑Justiz RS0129964).
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Verfallsausspruch bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285e StPO sofort aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen, wobei im Sinn des letzten Satzes des § 445 Abs 2 StPO der Vorsitzende des Schöffengerichts als Einzelrichter zuständig ist (RIS‑Justiz RS0100271 [T14], RS0117920 [T1]).
Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 vierter Satz StPO).
Bleibt in Bezug auf Schuldspruch A./ anzumerken, dass sich der Oberste Gerichtshof zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der in der rechtlich verfehlten Annahme des § 28a Abs 2 Z 2 SMG (trotz zutreffender Unterstellung nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG – RIS‑Justiz RS0114258) gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) nicht veranlasst sieht, weil unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 StPO konkret benachteiligt (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff), die „mehrfache Erfüllung des Tatbildes nach § 28a SMG“ (US 16) dessen ungeachtet als erschwerend veranschlagt werden konnte und das Oberlandesgericht die aufgezeigte Gesetzesverletzung aufgrund der Klarstellung – ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung – bei der Entscheidung über die gegen den Sanktionsausspruch gerichtete Berufung zu berücksichtigen hat (RIS‑Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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