OGH 4Ob94/19f

OGH4Ob94/19f13.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Kläger 1. S***** S*****, 2. E***** S*****, beide vertreten durch Stolz Rechtsanwalts-GmbH in Radstadt, gegen die Beklagte Ö***** AG, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Entfernung (Streitwert 6.550 EUR) und Unterlassung (Streitwert 6.550 EUR), über den Revisionsrekurs der Kläger gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 14. Februar 2019, GZ 22 R 12/19x‑9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 5. Dezember 2018, GZ 2 C 801/18g-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00094.19F.0613.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 932,87 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Gestützt auf das ABGB und das Salzburger Einforstungsrechtegesetz (sbg EFRG) begehrten die Kläger von der Beklagten die Entfernung von Zäunen auf deren Grundstück, auf dem ihnen die Dienstbarkeit des Weiderechts und des Holzbezugs zustehe. Weiters begehren sie, auf diesem Grundstück zukünftig Eingriffshandlungen dieser Art zu unterlassen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Gemäß § 47 Abs 2 sbg EFRG entscheide die Agrarbehörde auch außerhalb eines Verfahrens zur Ergänzungsregulierung, Regulierung oder Ablösung mit Ausschluss des Rechtswegs über die Frage des Bestands von Nutzungsrechten und über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und verpflichtet sind.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob für die Entscheidung über die Berechtigung eines auf ein Einforstungsrecht nach dem sbg EFRG gestützten Beseitigungs- und Unterlassungsbegehrens gegen eine Fruchtgenussberechtigte die Agrarbehörde auch dann zuständig sei, wenn nicht der Bestand des Einforstungsrechts, sondern die Beeinträchtigung dieses Rechts strittig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kläger ist, ungeachtet des rekursgerichtlichen Zulassungsausspruchs in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Streitigkeiten über den Bestand von Nutzungsrechten iSd agrarrechtlichen Bestimmungen durch ausdrückliche gesetzliche Anordnungen vor die Agrarbehörden verwiesen. Der Rechtsweg ist daher unabhängig davon unzulässig, ob solche Rechte aus dogmatischer Sicht zivil- oder öffentlich‑rechtlichen Charakter haben. Wann immer sich der Kläger auf ein Recht stützt, das in der Sache ein „Nutzungsrecht“ iSd sbg EFRG ist, gehört die Rechtssache vor die Agrarbehörden (RS0126194). Dass sich die Kläger auf solche (Weide- und Holzbringungs-)Rechte stützen, die gemäß § 47 Abs 2 sbg EFRG iVm § 1 Abs 1 sbg EFRG vor die Agrarbehörden verwiesen sind, wird im Revisionsrekurs nicht in Abrede gestellt.

2. Richtig ist, dass die Unzulässigkeit des Rechtswegs nur petitorische Ansprüche betrifft, während der possessorische Rechtsschutz zur Wahrung des letzten ruhigen Besitzstandes den Gerichten überlassen bleibt (§ 47 Abs 3 sbg EFRG; 8 Ob 600/92). Nicht nachvollziehbar ist jedoch die Behauptung des Revisionsrekurses, die Kläger verfolgten possessorische Ansprüche. Die Klage ist nicht als Besitzstörungsklage bezeichnet (§ 454 Abs 2 ZPO), und das Rechtsschutzbegehren ist auf Erlassung eines Urteils und nicht auf einen Endbeschluss (§ 459 ZPO) gerichtet. Träfe die Argumentation der Revisionsrekurswerber zu, wäre ihr Rechtsmittel im Übrigen jedenfalls unzulässig und ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO).

3. Letztlich ist die Zulassungsfrage, ob der ordentliche Rechtsweg auch für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen Beeinträchtigung der genannten Rechte unzulässig ist, bereits durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. In der schon vom Erstgericht hervorgehobenen Entscheidung 5 Ob 506/91, die einen im Wesentlichen identen Sachverhalt der Beeinträchtigung von Weiderechten durch einen Stacheldrahtzaun betraf, wurde die Argumentation des Klägers, es seien nicht Bestand und Umfang seines Rechts, sondern dessen freie Ausübung strittig, wofür das Gericht zuständig sei, nicht geteilt und die Klage zurückgewiesen. Dieser ausführlich begründeten Entscheidung, die auch in der einschlägigen Literatur nicht auf Kritik gestoßen ist (vgl Ballon in Fasching/Konecny³ § 1 JN Rz 175; Carli/Deimling/Lienbacher, sbg EFRG 172 f; Holzer, Einforstungsrechte und Eigentumsschutz, in Norer/Holzer, Jahrbuch Agrarrecht 2013, 169 [177]), hält der Revisionsrekurs nichts entgegen. Die von ihm zur Untermauerung seines Standpunkts zitierten Entscheidungen 3 Ob 617/89 und 3 Ob 546/92 betrafen Fälle, in denen der Eigentumsfreiheitsklage des Belasteten ein Weiderecht einredeweise entgegengehalten wurde. Im vorliegenden Fall stützen sich aber die Kläger auf ein solches Nutzungsrecht. Diesen maßgeblichen Unterschied (vgl 4 Ob 102/10v [4.1.]) vernachlässigt der Revisionsrekurs.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

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