OGH 15Os136/18s

OGH15Os136/18s29.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef W***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Josef W***** und Peter S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 12. März 2018, GZ 63 Hv 129/16p‑152, sowie über die Beschwerden der Genannten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 5. September 2018, GZ 63 Hv 129/16p‑159, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00136.18S.0529.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Josef W***** und Peter S***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im diese Angeklagten betreffenden Schuldspruch, demzufolge auch im sie betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten W***** und S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch eines Mitangeklagten enthält, wurden Josef W***** und Peter S***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB „idF BGBl I 2015/112“ (richtig: idF BGBl I 2015/154) schuldig erkannt.

Danach haben sie

I./ am 23. April 2014 in S***** und am 24. April 2014 in L***** Umgebung „in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0089399, RS0089808 [T8]) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch die Vorgabe, die I***** GmbH würde die von diesen getätigten Zahlungen mit einer Rendite von 100 % pro Monat veranlagen, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet, die diese in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

1. Frank R***** zur Überweisung von 75.000 Euro und

2. Alfons W***** zur Überweisung von insgesamt 365.000 Euro.

Dagegen richten sich – gemeinsam ausgeführte – auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten W***** und S*****.

Mit Beschluss vom 5. September 2018 (ON 159) wies der Vorsitzende des Schöffengerichts einen Antrag dieser Angeklagten auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 151) ab. Gegen diesen Beschluss richten sich – ebenfalls gemeinsam ausgeführte – Beschwerden der Genannten (ON 160).

 

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht kritisieren die Nichtigkeitswerber (Z 4), dass durch die Abweisung ihres (gemeinsamen) Antrags auf Einholung eines Gutachtens eines („unabhängigen“) Sachverständigen für den internationalen Kapitalmarkt (ON 151 S 20 f) Verteidigungsrechte der Angeklagten W***** und S***** verletzt wurden:

Ein solches Gutachten wurde (zuletzt) am 12. März 2018 (ON 151 S 20) – unter Wiederholung eines früheren Antrags vom 21. Februar 2018 (ON 146 S 40 f) – ua zum Beweis dafür begehrt, „dass der Grundsatz 'je höher die Rendite, umso höher das Risiko' bei diesen Sondergeschäften der alternativen Finanzierung gerade nicht gilt“, „dass diese Sonderfinanzierungs- bzw alternativen Finanzierungsgeschäfte absolut sicher sind“, „dass durch diese alternativen Finanzierungsmodelle eine Vervierfachung des eingesetzten Kapitals in einem Jahr möglich“ ist, und „dass das vom Zeugen E***** dargestellte Veranlagungsmodell tatsächlich in der Praxis vorkommt und dass die vom Zeugen E***** dargestellten Renditen realistisch sind“.

Da sich die Beschwerdeführer im Verfahren damit verantwortet hatten, dass eine Anlage der von ihnen propagierten Art (extrem hohe Rendite ohne jegliches Risiko) tatsächlich möglich sei (US 5 f), das Erstgericht jedoch davon ausging, dass es solche Geschäfte „nicht gibt und nicht geben kann“, ein Finanzgeschäft mit einer Rendite von 100 % im Monat ohne jegliches Risiko „absolut unmöglich“ sei (US 4, 6 ff), die Beschwerdeführer dies wussten (US 8) und die Investoren über die Möglichkeit eines solchen Geschäfts getäuscht wurden (US 4), betrifft das Beweisthema einen für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen Umstand (vgl RIS-Justiz RS0116503).

Schon im Hinblick auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Linz in seinem Beschluss vom 4. Juli 2014 (ON 53 S 6) war das Beweisthema auch keineswegs offenkundig (zum Begriff vgl Schmoller , WK‑StPO § 55 Rz 84). Da auch sonst kein in § 55 Abs 2 StPO genannter Grund für das Unterbleiben eines Sachverständigenbeweises vorlag, wurde der auf einen solchen bezogene Antrag zu Unrecht abgewiesen.

Dieser von den Angeklagten W***** und S***** aufgezeigte Verfahrensfehler erforderte die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerden erübrigte sich damit ebenso wie die Erledigung der Beschwerden betreffend die Richtigkeit des Protokolls über die Hauptverhandlung (ON 151).

Mit ihren Berufungen waren die Beschwerdeführer auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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