OGH 7Ob249/18w

OGH7Ob249/18w29.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Z*****, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Weilguni, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.035 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2018, GZ 4 R 78/18x-24, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. März 2018, GZ 25 Cg 13/17b‑19, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00249.18W.0529.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Eigenheimversicherung abgeschlossen, die das Risiko des Einbruchdiebstahls umfasste. Dem Versicherungsvertrag lagen die Klipp & Klar-Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung Deckungsvariante „Optimal“ in der Fassung 06/2011 (ZGWO) zugrunde, die auszugsweise lauten:

„ …

Welche Gefahren sind versichert ? – Artikel 3

...

3. Einbruchdiebstahl und Beraubung

Versichert sind Schäden

...

o in versperrten oder unversperrten, jedoch geschlossenen Möbeln, Geldschränken oder Safes bis EUR 10.000,-

o hievon bis 10 % freiliegend oder in freistehenden Handkassen und Schatullen

o in versperrten Geldschränken ab 100 kg bis

EUR 20.000,--.“

In der Nacht vom 18. auf den 19. 1. 2015 kam es zu einem Einbruch in das versicherte Gebäude. Die Beklagte bezahlte dem Kläger aufgrund dieses Versicherungsfalls bislang 14.941 EUR.

Der Kläger begehrte die Zahlung einer weiteren Versicherungsleistung von 20.035 EUR sA. Beim Einbruch seien Sachbeschädigungen entstanden sowie näher bezeichnete Objekte, Bargeld, Schmuck sowie Briefmarken- und Münzensammlungen, deren Wert den Höchstbetrag von 10.000 EUR laut Art 3.3. ZGWO übersteige, sowie Bruchgold (fünf Eheringe) im Wert von 500 EUR, drei Krügerrand-Münzen im Wert von 3.357 EUR und 100 einfache Golddukaten im Wert von 12.800 EUR gestohlen worden. Nach Abzug der Teilzahlung von 14.941 EUR verbleibe eine Restforderung von 20.035 EUR. Die Eheringe und Münzen seien von der Haftungsbeschränkung des Art 3.3. ZGWO nicht umfasst. Diese Münzen würden laufend erzeugt sowie in unbeschränkter Menge zum jeweiligen Tageskurs gehandelt und seien reine Anlageobjekte, somit weder eine Münzensammlung, noch Zahlungsmittel, Schmuck oder unverarbeitetes Edelmetall.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte – soweit noch wesentlich – ein, dass sie für die gestohlenen Eheringe, die Krügerrand-Münzen und die Golddukaten insgesamt nur den nach Art 3.3. ZGWO vorgesehenen Höchstbetrag von 10.000 EUR zu leisten habe, was bereits erfolgt sei.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von (weiteren) 8.319 EUR sA als Ersatz für näher bezeichnte Objekte und wies das – die Eheringe, die drei Krügerrand-Münzen und die 100 Golddukaten betreffende – Mehrbegehren von 11.716 EUR sA (unter Hinweis auf die Haftungsbeschränkung des Art 3.3. ZGWO) ab.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil des Ersturteils gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte rechtlich aus, dass für den Begriff der „Münzensammlung“ deren Zweck gleichgültig sei, weshalb dafür auch der Geldanlagezweck genüge und dieser daher deren Beurteilung als Münzensammlung im Sinn des Art 3.3. ZGWO nicht hindere. Die Art der gesammelten Münzen werde in Art 3.3. ZGWO nicht näher eingeschränkt, etwa auf Sammlermünzen von numismatischem Interesse. Der dem verständigen Versicherungsnehmer eindeutig erkennbare Zweck der Haftungsbegrenzung bestehe darin, das erhöhte Diebstahlrisiko bei leicht transportierbaren Sachen von hohem Wert für den Versicherer zu begrenzen, und nicht – wie der Kläger argumentiere – die Bewertung der gestohlenen Münzen zu erleichtern. Im Hinblick auf diesen Zweck fielen auch Sammlungen typischer Geldanlagemünzen unter die Haftungsbegrenzung, weil diese für einen Einbrecher gerade aufgrund ihrer festgesetzten An- und Verkaufspreise und ihrer damit einfachen Verwertbarkeit von noch größerem Interesse seien als reine Sammlermünzen. Die Haftungsbegrenzung des Art 3.3. ZGWO gelte daher für die fraglichen Gold‑(anlage‑)münzen ebenso wie für die fünf goldenen Eheringe, die als Schmuck zu qualifizieren seien.

Das Berufungsgericht sprach – infolge Abänderungsantrags des Klägers – aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof mit den hier maßgeblichen Haftungsbeschränkungen noch nicht befasst habe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagestattgebung.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision des Klägers nicht zuzulassen, hilfsweise dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionsbeantwortung ist verspätet.

I. Zu r Revision:

A. Klauselauslegung – allgemeine Grundsätze:

1.  Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

2.  Die Klausel nach Art 3.3. ZGWO wonach „Bargeld, Valuten, Einlagebücher ohne Klausel, Schmuck (auch unverarbeitete Edelmetalle und Edelsteine), Briefmarken- und Münzensammlungen“ nur im dort näher bezeichneten Umfang ersetzt werden, ist eine objektive Risikobegrenzung. Damit soll objektiv, unabhängig vom Vorwurf eines „schuldhaften“ Verhaltens des Versicherungsnehmers das Risiko mit einem bestimmten Betrag begrenzt werden (RS0114215). Der Zweck solcher Klauseln liegt im Allgemeinen darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll (vgl RS0080166). Im vorliegenden Kontext besteht der jedem verständigen Versicherungsnehmer erkennbare Zweck der Entschädigungsgrenzen – wie vom Berufungsgericht bereits zutreffend erkannt – namentlich darin, das hohe Diebstahlrisiko bei nahezu mühelos transportierbaren und leicht verwertbaren Sachen betragsmäßig zu begrenzen (vgl Martin , Sachversicherungsrecht³ U I Rz 15, U III Rz 1).

B. Münzensammlung:

1.  Zunächst erfordert der in Art 3.3. ZGWO verwendete Begriff der „Münzensammlung“ schon nach allgemeinem Sprachgebrauch das – hier nicht zweifelhafte – Vorliegen einer größeren Anzahl von Münzen.

2.  Unter dem „Sammeln“ wird üblicherweise das Zusammentragen von Gegenständen verstanden, die dann in einer bestimmten Ordnung, einem besonderen Zusammenhang oder zu einem spezifischen Zweck zu einer „Sammlung“ zusammengeführt werden. Der Zweck solcher Sammlungen kann durchaus unterschiedlich sein und mag im Einzelfall im Interesse an Kunst oder Wissenschaft liegen; er kann aber auch in der wirtschaftlichen Wertentwicklung der Sammlung begründet sein.

3.  Die Argumentation des Klägers geht dahin, dass es sich bei den drei Krügerrand-Münzen und den 100 Golddukaten um reine Anlagemünzen handle, deren Ansammlung keine „Münzensammlung“ darstelle. Dazu ist Folgendes zu erwägen:

Anlagemünzen (Bullionmünzen) sind Münzen aus Edelmetallen (Gold, Silber, Platin oder Palladium), bei denen der Aufschlag auf den Metallwert nur gering ist, die typischerweise in hohen Auflagen geprägt werden und die als Objekt der Geldanlage oder/und zur Teilhabe an der Wertentwicklung des Edelmetalls dienen. Von diesem Verständnis ausgehend, handelt es sich bei den Krügerrand-Münzen und den Golddukaten tatsächlich um Anlagemünzen (Bullionmünzen), die etwa bei der Mehrwertsteuer in der Europäischen Union besonders behandelt werden (vgl Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 zur Erg„änzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Ďnderung der Richtlinie 77/388/EWG – Sonderregelung für Anlagegold; Liste der Goldmünzen, die die Kriterien von Art 344 Abs 1 Nr 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates [Sonderregelung für Anlagegold] erfüllen).

4.  Allerdings hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass Art 3.3. ZGWO für den dort verwendeten Begriff der „Münzensammlung“ den Sammlungszweck nicht einschränkt, weshalb auch die Ansammlung von Münzen zu dem vom Kläger behaupteten Anlagezweck die Anwendung der Entschädigungsgrenze nicht begrifflich ausschließt. Vielmehr zeigt die Formulierung der Risikobegrenzung des Art 3.3. ZGWO, die auch das – allein der Anlage und Spekulation – dienende „unverarbeitete Edelmetall“ umfasst, dass der Anlagezweck der Anwendung dieser Klausel nicht entgegenstehen soll.

5.  Schließlich spricht auch der für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer erkennbare Zweck der Haftungsbegrenzung nach Art 3.3. ZGWO für das von den Vorinstanzen gewonnene Ergebnis:

Mit dieser Haftungsbegrenzung soll das Risiko des Versicherers aus einem Einbruchdiebstahl in sinnvoller Weise eingeschränkt werden. Das Diebstahlrisiko ist besonders groß bei Sachen von geringer Größe und erkennbar hohem Wert, die ein Dieb besonders leicht verwerten kann. Das gilt auch dann, wenn der Materialwert des Edelmetalls den Wert der Sache zwar insgesamt nicht ganz erreicht, der betreffende Gegenstand aber – wie bei einer Anlagemünze – vom Materialwert jedenfalls wesentlich bestimmt wird, einen Marktwert hat und daher einfach verkauft werden kann. Eine Ansammlung von Anlagemünzen ist daher vom Begriff der „Münzensammlung“ im Sinn des Art 3.3. ZGWO erfasst und die Anwendung der Haftungsbeschränkung auf diese Objekte entspricht dem für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck der Regelung. Dieses Ergebnis steht auch nicht mit der Entscheidung 7 Ob 16/15a im Widerspruch, ging es doch dort um Goldbarren, die schon begrifflich nicht von der dort zu klärenden Risikobegrenzung (Art 2.3.3. ABH 1995) erfasst waren.

C. Eheringe:

Der Ring ist eine geradezu typische Schmuckform. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass aus objektiver Sicht nur der Wert des Materials bestimmend ist, während für die Ehepartner mit Eheringen üblicherweise ein zusätzlicher symbolischer Wert verbunden ist; bestimmte Wertanforderungen sind nämlich für den in Art 3.3. ZGWO genannten Schmuck nicht vorgesehen. Ein (Ehe-)Ring fällt daher jedenfalls unter den in Art 3.3. ZGWO genannten Begriff „Schmuck“ und auch für solche Objekte gilt der bereits in I.A.5. genannte Zweck der Haftungsbegrenzung des Art 3.3. ZGWO. Die Vorinstanzen haben daher diese Haftungsbegrenzung zutreffend auch auf die Eheringe angewandt.

D. § 879 Abs 3 ABGB – gröbliche Benachteiligung:

Der Kläger hält Art 3.3. ZGWO insoweit für gröblich benachteiligend als die Begrenzung der Haftung mit einem Betrag von insgesamt 10.000 EUR sowohl bei unversperrten als auch bei ohnehin versperrten Behältnissen der dort beschriebenen Art in gleicher Weise zur Anwendung kommen solle. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Kontrollmaßstab sind für Versicherungsbedingungen in der Regel die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers (vgl RS0128209). Versicherungsnehmer werden erwarten, dass beim Ersatz für Wertgegenstände eine gewisse Differenzierung nach dem absehbaren Widerstand erfolgt, mit dem durch die Art der Aufbewahrung versicherter Objekte einem Diebstahl begegnet wird. Eine solche Differenzierung wird in Art 3.3. ZGWO auch tatsächlich für besonders sichere Safes (Geldschränke ab 100 kg) vorgenommen. Im Übrigen hat bei einem Einbruchdiebstahl der Täter ohnehin schon so viel kriminelle Energie und entsprechendes Geschick unter Beweis gestellt, dass er sich widerrechtlichen Zutritt in das betreffende Eigenheim verschaffen konnte. Wenn der Versicherer unter solchen Prämissen, bei der Haftungsbeschränkung nicht noch zusätzlich einen ganz signifikanten Sicherheitsunterschied zwischen versperrten oder unversperrten Möbeln, Geldschränken oder Safes abbildet, dann ist darin jedenfalls keine so wesentliche Einschränkung gegenüber jenem Standard zu erkennen, sodass sie der durchschnittliche Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten kann. Die Klausel ist daher nicht nach § 879 Abs 3 ABGB unzulässig.

E. Ergebnis:

1.1.  Eine Ansammlung von Anlagemünzen ist eine „Münzensammlung“ und ein Ehering ist „Schmuck“ im Sinn der im Lichte des § 879 Abs 3 ABGB nicht gröblich benachteiligenden Klausel des Art 3.3. ZGWO. Die Revision des Klägers ist daher nicht berechtigt.

1.2.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO.

II. Zur Revisionsbeantwortung:

Die Revisionsbeantwortung ist nach § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen, wenn dieses – wie hier – dem Revisionsgegner nach § 508 Abs 5 ZPO freigestellt hat, eine solche einzubringen. Der Beklagtenvertreter hat die Revisionsbeantwortung beim Erstgericht eingebracht. Diese wurde nicht an das Berufungsgericht übermittelt. Die Revisionsbeantwortung ist daher verspätet und zurückzuweisen.

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