European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00203.18H.0528.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Zwei Verbraucher buchten bei einem Reisebüro in Graz eine von der Beklagten veranstaltete Pauschalreise in die Dominikanische Republik. Im Flugplan schien die Fluglinie Condor auf. Der Reisebüromitarbeiter bestätigte anlässlich der Buchung auf Anfrage, dass die Reisenden auch definitiv diese Fluglinie bekommen würden. Die Buchungsbestätigung enthielt den folgenden Text:
„An den gebuchten Verkehrstagen sind Flugzeitenänderungen, die nach Vertragsab- schluss notwendig werden und von [der Beklagten] nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, insbesondere wegen Änderung der Fluggesellschaft, des Fluggeräts und/oder der Streckenführung, gestattet.“
Die Reisenden besprachen mit dem Reisebüromitarbeiter auch die Änderungsvorbehalte in den Unterlagen. Er teilte ihnen mit, dass nach seinen Erfahrungen aus den letzten Jahren bei der Beklagten keine derartigen Änderungen vorgekommen seien und sie die Reise so wie gebucht bekommen würden. Die Reisenden fuhren dann plangemäß von Graz nach München und warteten dort auf das Boarding für den Flug in die Dominikanische Republik. Sie wurden darüber informiert, dass der „heutige Condor Flug … aus operativen Gründen der Flugplanung ... mit einem Flugzeug der HiFly durchgeführt wird“. Dabei handle es sich um ein IOSA-zertifiziertes europäisches Luftfahrunternehmen. Die Reisenden suchten unverzüglich im Internet nach Informationen über diese Fluglinie und stießen neben positiven auch auf eine Reihe von negativen Nutzerbewertungen, sodass sie sich Sorgen machten und ihr Sicherheitsgefühl nicht mehr gegeben war. Sie entschlossen sich, den Flug nicht anzutreten. Alternative Anreisemöglichkeiten waren nicht sinnvoll umsetzbar, weshalb sie mit dem Zug nach Hause fuhren. Die Beklagte hat erst am Abreisetag davon erfahren, dass Condor die Entscheidung getroffen hatte, für diesen Flug HiFly einzusetzen. Der Beklagten wurden die für die beiden Reisenden vorgesehenen Leistungen voll in Rechnung gestellt, sodass sie sich durch deren Nichtinanspruchnahme nichts erspart hat.
Die beiden Reisenden haben ihre Forderungen gegen die Beklagte dem Kläger iSd § 502 Abs 5 Z 3 ZPO abgetreten.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 2.651,80 EUR sA. Eine der beiden Zedenten (ein Paar) leide in Zusammenhang mit den jeweiligen konkreten Flugumständen an Flugangst und achte daher bei Reisebuchungen auf die ausführende Fluggesellschaft. Besonders bei Langstreckenflügen sei ihr die Auswahl renommierter, bevorzugterweise deutscher Fluggesellschaften wichtig. Die kurzfristige Änderung der ausführenden Fluggesellschaft sei eine unzulässige Leistungsänderung. Die Beklagte müsse sich als Reiseveranstalter die Erklärungen des Reisevermittlers zurechnen lassen. Condor lasse seine Flüge systematisch von HiFly durchführen, sodass die Beklagte ihre Informationspflichten nach Art 11 Abs 3 VO 2111/2005/EG verletzt habe.
Die Beklagte wendete ein, sie sei ihren vorvertraglichen Aufklärungspflichten nachgekommen. Sie habe sich wie üblich nicht nur eine Anpassung des Reisepreises, sondern auch der Reiseleistungen vorbehalten, um auf kurzfristige Änderungen reagieren zu können. Die Durchführung der Flüge mit einer bestimmten Fluggesellschaft sei nicht vertraglich zugesichert worden, die Reisenden hätten nicht auf einer entsprechenden Ergänzung der Reisebestätigung bestanden. Ein Vertragsrücktritt wäre nur bei einer Änderung eines wesentlichen Vertragsbestandteils berechtigt, wozu die bloße Änderung der Fluggesellschaft, die die Flugleistung nicht beeinträchtige, nicht gehöre. Die Ersatzfluggesellschaft sei absolut gleichwertig. Die Durchführung des Flugs mit einer anderen Fluggesellschaft liege näher am ursprünglich gewollten Vertragszweck als die gänzliche Absage der Reise bei Verhinderung der ursprünglich vorgesehenen Fluggesellschaft. In der Reiseunterlage sei eine notwendige Änderung der Fluggesellschaft vorbehalten worden.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Unter Berücksichtigung aller Umstände seien die Äußerungen der Reisenden für den Reisebüromitarbeiter zwar so zu verstehen gewesen, dass sie besonderen Wert auf die Durchführung mit Condor legten, nicht aber, dass dies Bedingung für den Vertragsabschluss sei. Die Äußerung des Mitarbeiters sei objektiv darauf bezogen gewesen, dass er mit einer Änderung aufgrund seiner Erfahrung nicht gerechnet habe. Die Vertragsänderung durch Änderung des Fluggeräts sei nicht erheblich iSd § 31c Abs 2 KSchG, weshalb sich daraus kein kostenfreies Rücktrittsrecht der Reisenden ergebe. Da der Flug mit Condor nicht ausdrücklich vertraglich zugesichert und ein Änderungsvorbehalt der Fluggesellschaft wirksam vereinbart worden sei, liege auch keine Schlechterfüllung der Beklagten iSd § 31e Abs 1 KSchG vor.
Der Kläger macht mit seiner außerordentlichen Revision geltend, den Reisenden sei aufgrund der Aussage des Reisebüromitarbeiters, dass sie „definitiv diese Fluglinie“ bekommen würden, eine bestimmte Fluglinie zugesichert worden. Dem Veranstalter komme kein Leistungsänderungsrecht zu. § 6 Abs 2 Z 3 KSchG diene der Sicherung der Vertragstreue des Unternehmers und schütze das Vertrauen des Verbrauchers in die vertragliche Zusage seines Partners.
Die Beklagte hat trotz Freistellung durch den Obersten Gerichtshof keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1.1. Die Vorinstanzen gehen (wie auch der Kläger) davon aus, dass sich die Beklagte das Verhalten des Reisebüromitarbeiters zurechnen lassen muss. Ob durch die festgestellten Äußerungen des Reisebüromitarbeiters eine Vereinbarung wie vom Kläger behauptet zustande kam, ist eine Frage der Vertragsauslegung.
1.2. Das Berufungsgericht verweist darauf, dass die Auslegung der Äußerungen nach objektiven Maßstäben und unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen hat. In einer solchen Gesamtbetrachtung der Umstände ist die Auslegung der Vorinstanzen zutreffend. Zu ermitteln ist nämlich, ob die Reisenden die Zusage einer bestimmten Fluggesellschaft für den Reisebüromitarbeiter zur Bedingung für den Vertragsabschluss machten und der Mitarbeiter seine Aussage, die Reisende würde definitiv die genannte Fluglinie bekommen, zumal eine Änderung in den letzten Jahren nach seiner Erfahrung nicht vorgekommen sei, im Wissen um eine solche Bedingung machte und insoweit Konsens über eine solche Bedingung zustande kam. Weil die Reisenden zwar explizit nachfragten, ob sie diese Fluglinie bekommen, aber nicht offenlegten, welche persönlichen Erfahrung sie hatten und welche Bedeutung der Umstand, gerade mit einer bestimmten Fluglinie zu fliegen, für sie habe, ist die Auslegung, dass für den Mitarbeiter dieser Umstand nicht als Vertragsbedingung erkennbar war, nicht zu beanstanden. Daraus ergibt sich die Qualifikation seiner Äußerung als bloße Wissenserklärung darüber, dass nach seinem Wissensstand vom Änderungsrecht in den letzten Jahren nicht Gebrauch gemacht wurde.
2.1. Die Vorinstanzen nehmen an, dass ein Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Fluglinie vereinbart wurde; dies ergebe sich aus der schriftlichen Reiseinformation. Das Berufungsgericht verweist zudem auf einen gesetzlichen Änderungsvorbehalt, der sich aus Art 11 Abs 3 der VO EG 2111/2005/EG ergebe.
2.2. Der Kläger moniert, dass sich erst in den Reiseunterlagerlagen ein Änderungsvorbehalt befinde. Im Übrigen ergebe sich aus Art 11 Abs 3 der VO EG 2111/2005/EG nur eine Informationspflicht, nicht aber ein Leistungsänderungsrecht der Beklagten. Auch aus dem (nicht mehr geltenden) § 31c KSchG ergebe sich kein Änderungsrecht (das anstelle dieser Norm erlassene Pauschalreisegesetz ist auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht anzuwenden).
2.3. Diesbezüglich übergeht der Kläger die Feststellung, dass die Änderungsvorbehalte mit den Reisenden bei der Buchung im Reisebüro auch besprochen und somit vereinbart und nicht erst nach Vertragsabschluss nachgereicht wurden.
Ob aus den genannten Gesetzesbestimmungen ein Leistungsänderungsrecht des Reiseveranstalters abzuleiten ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil ein Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Fluggesellschaft vertraglich vereinbart wurde.
3. Die Beklagte hat nicht vorgebracht, dass der vertragliche Änderungsvorbehalt im Einzelnen ausgehandelt worden sei. Somit ist iSd § 6 Abs 2 Z 3 KSchG zu prüfen, ob die Änderung den Reisenden zumutbar war, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt war. Andernfalls wäre der Änderungsvorbehalt nicht verbindlich (§ 879 ABGB iVm § 6 KSchG).
3.1. Der Kläger macht geltend, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ein subjektiver Maßstab anzulegen sei und den Reisenden im konkreten Fall die Änderungen der Fluglinie nicht zumutbar gewesen sei.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass auch bei Berücksichtigung individuell-subjektiver Umstände der Verbraucher (vgl die Mat zum KSchG, 744 dB 14. GP 21) nur berechtigte Interessen in die Beurteilung der Zumutbarkeit einfließen können. Diesbezüglich ist ein breiter Wertungsspielraum gegeben (vgl RIS‑Justiz RS0128732).
3.2. Die Vorinstanzen halten die Änderung im konkreten Fall für die Verbraucher zumutbar, weil HiFly IOSA-zertifiziert sei und sich für die Reisende bei Inanspruchnahme dieser Fluglinie keine Erschwernisse ergeben hätten. Die Änderung sei auch nur geringfügig, weil die Ersatzfluggesellschaft die zu erwartenden objektiven Sicherheitsstands erfülle und sich die Reisezeit nicht geändert habe. Konkrete Gründe zur fehlenden Gleichwertigkeit der beiden Flugunternehmen hat der Kläger (von einzelnen negativen Bewertungen im Internet abgesehen) nicht vorgebracht. Festgestellt wurde aber, dass sowohl negative, als auch positive Bewertungen im Internet auffindbar waren. Der Senat teilt daher die Auffassung der Vorinstanzen, dass die einseitig vorgenommene Änderung der Vertragsbedingungen für die Reisenden zumutbar war. Es handelte sich um eine geringfügige Änderung, die auch sachlich gerechtfertigt war, zumal einerseits keine objektiven Anhaltspunkte vorliegen, an der Gleichwertigkeit der Fluglinien zu zweifeln, und andererseits subjektive Befindlichkeiten der Reisenden nur zu berücksichtigen sind, soweit es sich um berechtigte Interessen handelt; solche wurden nicht geltend gemacht. Dass den Reisenden die Fluggesellschaft (aufgrund einzelner negativer Internetbewertungen) nicht „geheuer“ gewesen sein mag, reicht noch nicht aus, um die Zumutbarkeit der Änderung der Fluglinie zu verneinen.
4. Die in erster Instanz noch strittigen Fragen der Verletzung der Informationspflicht der Beklagten und der Anrechenbarkeit allfälliger Ersparnisse wurden in dritter Instanz nicht mehr releviert.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)