OGH 3Ob16/19b

OGH3Ob16/19b26.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** KG, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei T*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Schulyok Unger & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen (restlich) 211.484,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 4 R 157/18t‑64, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00016.19B.0426.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weil die von ihr aufgeworfene nicht präjudiziell ist (RIS‑Justiz RS0088931). Ihre außerordentliche Revision ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (nur mehr) ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Auskunftshaftung der beklagten Sachverständigen gegenüber einer GmbH als Dritte. Die Klägerin als Zessionarin stützt ihr Begehren ausschließlich auf eine Verletzung objektiv-rechtlicher Sorgfaltspflichten der Beklagten bei der erforderlichen objektiven Bewertung eines Einzelunternehmens für dessen mögliche – und später tatsächlich erfolgte – Einbringung in die GmbH; sowie darauf, dass der Beklagten nicht nur der Zweck der Unternehmensbewertung, sondern auch der Umstand bekannt gewesen sei, dass das Gutachten Grundlage für Dispositionen der GmbH beim Abschluss eines Einbringungsvertrags bilden werde.

2. Die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach §§ 1299 f ABGB ist grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt (RS0026234; RS0026645). Eine Haftung gegenüber einem Dritten kommt aber ua dann in Betracht, wenn die objektiv-rechtlichen Schutzwirkungen auf den Dritten zu erstrecken sind (7 Ob 38/17i mwN; RS0026234 [T13]). Eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht zugunsten eines Dritten trifft demnach einen Sachverständigen, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für die Disposition des Dritten bilden werde (RS0106433; RS0026645 [T5]; RS0026234 [T4, T13]). Geschützt ist ein Dritter, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll. Wesentlich ist daher vor allem, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde. Mangels ausdrücklicher Bestimmung im Vertrag kann sich die Beurteilung nach der Verkehrsübung richten (RS0106433 [T12]). Zutreffend weist die Revision selbst darauf hin, dass es auf den Verständnishorizont des Dritten ankommt: Ausschlaggebend ist, wie ein verständiger Informationsempfänger die Expertise auffassen durfte (vgl Karner FS Koziol 713 mwN).

3. Soweit die Klägerin jedoch meint, die GmbH habe darauf vertrauen können, dass die Beklagte bei der Unternehmensbewertung lege artis als neutraler Gutachter einen objektivierten Unternehmenswert ermittelt und rein subjektive Entscheidungswerte nicht in die Betrachtung miteinbezogen habe, übergeht sie den unstrittigen (im Wesentlichen von ihr selbst behaupteten) Inhalt des Gutachtens Beilage ./1: Darin wurde nämlich schon auf der ersten Seite offengelegt, dass die Beklagte im vorliegenden Fall als Beraterin des Auftraggebers fungiere (also eindeutig nicht als neutrale Gutachterin) und deshalb die getroffenen Feststellungen mit den subjektiven Vorstellungen und Ergänzungsargumenten des Auftraggebers verbunden worden seien, um dessen subjektiven Entscheidungswert zu ermitteln (also ausdrücklich keinen objektiven Wert).

4. Wenn aber die Beklagte in ihrem Gutachten ausdrücklich klarstellte, dass sie als Berater des Auftraggebers zur Ermittlung eines subjektiven Entscheidungswerts tätig werde, dann durfte weder der Auftraggeber selbst noch ein Dritter, der vom Gutachten Kenntnis erlangt, darauf vertrauen, dass die Beklagte als neutraler Gutachter einen objektivierten Unternehmenswert ermittelt habe. Der Klägerin ist somit schon der Nachweis eines von der beklagten Sachverständigen mit dem Gutachten geschaffenen Vertrauenstatbestands, auf den sie sich (für die GmbH) beruft, nicht gelungen.

5. Ist aber schon eine Haftung der Beklagten gegenüber der dritten GmbH zu verneinen, dann kommt es auf die von der Klägerin als erheblich angesehene Rechtsfrage zur Geltung vertraglicher Haftungsbeschränkungen bei Verletzung objektiv-rechtlicher Sorgfaltspflichten durch einen Sachverständigen nicht an.

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