European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00009.19A.0424.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten Srdan P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Srdan P***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter (gemeint [vgl Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 8 und 34]) und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB (A/II), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (C/I) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (C/II) schuldig erkannt.
Danach hat er
A/ in G***** und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Stanimir B*****
I/ vom April bis zum 2. August 2017 eine unbekannte Person dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 4.551,1 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 82,1 % (rund 3.753,4 Gramm Kokain‑Base) von Tschechien nach Österreich einzuführen,
II/ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem sie
1/ zwischen April und Juli 2017 in vier Angriffen insgesamt 541 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 82,1 % (444,4 Gramm Kokain‑Base) an einen verdeckten Ermittler verkauften und
2/ am 2. August 2017 4.010,1 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 82,5 % (3.309 Gramm Kokain‑Base) an einen verdeckten Ermittler verkaufen wollten, wobei es nur aufgrund der Festnahme beim Versuch blieb,
C/ zwischen dem 28. April und dem 1. Mai 2017 in G*****
I/ Dimitrije V***** vorsätzlich am Körper verletzt und ihm dadurch eine an sich schwere Körperverletzung zugefügt, indem er ihm mehrere wuchtige Schläge mit der Hand ins Gesicht versetzte, wodurch dieser einen operativ zu versorgenden dreifachen Kieferbruch erlitt, sowie
II/ durch die zu C/I geschilderte Handlung Dimitrije V***** mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Rückzahlung seiner Schulden in Form der Überschreibung eines in Bosnien liegenden Grundstücks auf Srdan P*****, genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, „9 a“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Srdan P*****.
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich ausschließlich gegen die Schuldsprüche A/I und A/II.
Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) macht die Rüge geltend, die Tatrichter hätten die Aussagen des Stanimir B***** nur insoweit berücksichtigt, als dieser den Beschwerdeführer belastete, nicht jedoch, soweit er dessen Beteiligung in Abrede stellte (ON 217 S 123, 135, 137). Demzuwider hat sich der Schöffensenat durch die im Zusammenhang mit dem Wechsel der Verantwortung des Stanimir B***** (vgl ON 294 S 8 und 13 ff, ON 298 S 11 ff) erfolgte eingehende Erörterung einer allfälligen Falschbelastung des Beschwerdeführers durch den Genannten (US 19 f) auch mit Zweiteren auseinandergesetzt. Solcherart war er dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht gehalten, den vollständigen Inhalt der Aussage des Stanimir B***** zu erörtern (vgl RIS‑Justiz RS0098717; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 428).
Gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO behauptet der Beschwerdeführer eine offenbar unzureichende Begründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zu einer von ihm veranlassten Einfuhr von insgesamt 4.551,1 Gramm Kokain von Tschechien nach Österreich (US 11). Diesem Einwand zuwider haben die Tatrichter die bekämpften Feststellungen ohne Verstoß gegen Gesetze folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze auf die Angaben des Angeklagten Stanimir B***** gestützt (US 19; RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die substratlose Behauptung des Beschwerdeführers, dass „auch die rechtliche Begründung des Erstgerichts [...] unrichtig [sei]“.
Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels erfordert die auf der Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergäbe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580 [T15]). Die Beschwerdebehauptung, „sekundäre Feststellungsmängel liegen vor“, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) beschränkt sich auf die Behauptung, die „der Entscheidung zugrunde liegende Tat [wäre] im Übrigen durch unrichtige Gesetzesauslegung auch einem Strafgesetz unterzogen [worden], das darauf nicht anzuwenden ist“. Solcherart geht sie schon daran vorbei, dass ihre prozessordnungsgemäße Darstellung die ausdrückliche Bezeichnung der angestrebten Subsumtion verlangt (RIS‑Justiz RS0118415 [T3]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass in Ansehung des Angeklagten Stanimir B***** die gesonderte Annahme je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I) und nach § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall SMG (B/I/1) sowie je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B/I/2) rechtlich verfehlt ist. Denn § 28a Abs 4 Z 3 SMG stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz – vergleichbar mit dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar, sodass gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG derart qualifiziert stets nur ein einziges Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (RIS‑Justiz RS0117464 [insbesondere T14]).
Aufgrund der zutreffend nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG erfolgten Strafrahmenbildung sowie des Umstands, dass die fehlerhafte Subsumtion (Z 10) die vom Erstgericht angenommenen besonderen Erschwerungsgründe nicht tangiert (vgl US 24), blieb sie für den Angeklagten Stanimir B***** jedoch ohne Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, sodass kein Anlass zu amtswegiger Wahrnehmung bestand.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem – dabei an die aufgezeigte Fehlsubsumtion nicht gebundenen (RIS‑Justiz RS0118870) – Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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