OGH 13Os143/18f

OGH13Os143/18f24.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Dr. Gerald A***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Mai 2018, GZ 121 Hv 5/17t‑165, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00143.18F.0424.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gerald A***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich an Einkommensteuer, bewirkt, „indem er sein Einkommen, nämlich die auf die Konten des in seinem wirtschaftlichen Eigentum und seinem Einflussbereich befindlichen Firmengeflechtes rund um die K***** Privatstiftung und die B***** AG überwiesenen Eingänge“ der Jahre 2008 bis 2012, „nicht offenlegte“, und zwar durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen

am 15. April 2011 für das Jahr 2009 um 15.403,93 Euro,

am 19. März 2012 für das Jahr 2010 um 660.246,53 Euro und

am 11. Februar 2014 für das Jahr 2012 um 85.993,45 Euro sowie

durch die Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen

am 30. Juni 2009 für das Jahr 2008 um 21.668,65 Euro und

am 30. Juni 2012 für das Jahr 2011 um 682.619,01 Euro.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 [lit] a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der „im Sinne der Unschuldsvermutung“ (ON 164 S 44) gestellte Antrag des Angeklagten auf „ergänzende Ausarbeitung“ von im Gutachten des beigezogenen Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Steuer- und Rechnungswesens aufgezeigten „Varianten“ möglicher steuerlicher Zurechnung der in Rede stehenden Einkünfte schon deshalb zu Recht abgewiesen (ON 164 S 44), weil er kein Beweisthema bezeichnete (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO). Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

Dem Urteilssachverhalt zufolge sind jene Einkünfte, deren Nichterklärung die vom Schuldspruch umfassten Verkürzungen an Einkommensteuer bewirkt hat, aus (im Urteil näher beschriebener) Dienstleistungs- und Beratungstätigkeit erzielt worden. Diese Tätigkeit ist „von der Person des Angeklagten abhängig“ gewesen und „ausschließlich von ihm“ erbracht worden; dies aufgrund von Verträgen, die er „persönlich“ – „also nicht organschaftlich oder rechtsgeschäftlich stellvertretend für die B***** AG“ – abgeschlossen hatte und die „stets die persönliche Leistung der natürlichen Person des Angeklagten“ zum Gegenstand hatten (US 8 ff, insbesondere US 9).

Schon deshalb sind die betreffenden (als solche aus Gewerbebetrieb zu beurteilenden – § 2 Abs 3 Z 3 EStG iVm § 23 EStG) Einkünfte steuerrechtlich dem Angeklagten– als Inhaber der Einkunftsquelle – zuzurechnen (zu den dafür maßgeblichen Kriterien Wiesner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke , EStG § 2 Anm 35 mwN).

Ausgehend davon ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung, ob – wovon das Erstgericht weiters ausging (US 10 und 11) – jene Zahlungen, die als Entgelt für die betreffende Tätigkeit des Angeklagten geleistet wurden, teils auf Konten der in Panama registrierten B***** AG (die „lediglich als Rechnungsausstellerin für vom Angeklagten erbrachte Leistungen“ diente – US 7 und 9), teils auf einem „rumänische[n] Privatkonto“ des Angeklagten und seiner Ehefrau eingingen. Ebenso wenig kommt es darauf an,

- ob die Alleinaktionärin der B***** AG (US 7), die K***** Privatstiftung, ein „steuerlich transparentes Rechtsgebilde“ war (US 4 und 6), in dem „keine“ „Trennung zwischen den Sphären der Stiftung und der Begünstigten bzw. des Stifters vorhanden“ war (US 5) und dessen „sämtliche Einkünfte“ „dem Angeklagten“ „zuzurechnen“ waren (US 7),

- ob die in deren Stiftungsurkunde (als Stifterin) aufscheinende I***** Corporation „lediglich Treuhänder für den Angeklagten“ (US 6) als „tatsächliche[m] Stifter“ (US 23) oder – wie die Beschwerde behauptet – Susanne N***** die wahre Stifterin war sowie,

- inwieweit sich der Angeklagte „hinter“ der I***** Corporation „verberge“ (vgl US 4) und „welche Funktion der Angeklagte in der I***** hatte“.

Soweit die Mängelrüge (nominell Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) diesbezügliche Urteilsaussagen bekämpft, verfehlt sie daher von vornherein den – im Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen gelegenen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 f) – Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS-Justiz RS0106268).

Ob bei der Berechnung des in den Jahren 2008 bis 2012 jeweils erzielten Einkommens (§ 2 Abs 2 EStG) des Angeklagten ein – nur bei nicht selbständigen Einkünften (§ 2 Abs 3 Z 4 EStG) ohne besonderen Nachweis abzusetzender – Pauschbetrag für Werbungskosten (§ 16 Abs 3 EStG) in Abzug zu bringen sei, ist nicht Tat- sondern Rechtsfrage. Schon deshalb kann deren Bejahung (US 16) nicht im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu jenen Feststellungen (US 9) stehen, die eine Beurteilung bestimmter Vermögenszuflüsse (auf Konten der B***** AG sowie des Angeklagten und seiner Ehefrau) als „gewerbliche Einkünfte“ (vgl § 2 Abs 3 Z 2 EStG) des Beschwerdeführers tragen. Sollte das betreffende Vorbringen – der Sache nach aus Z 11 erster Fall – eine (aus dem Wegfall der angesprochenen Abzüge resultierende) Erhöhung des strafbestimmenden Wertbetrags anstreben, ist es nicht zum Vorteil des Angeklagten (§ 282 StPO) ausgeführt.

Dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen ergäben (Z 5a), behauptet das als „Aktenwidrigkeit § 281 Abs 1 Z 5a StPO“ betitelte Vorbringen nicht. Aktenwidrigkeit in der Bedeutung der Z 5 letzter Fall wird durch den Vergleich von (zudem nicht deutlich und bestimmt bezeichneten – RIS-Justiz RS0124172 [T5]) Verfahrensergebnissen mit – solche nicht referierenden – Feststellungen ebenso wenig aufgezeigt (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 468). Ganz ohne Bezug auf konkretes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes (§ 258 Abs 1 StPO) Beweismaterial (siehe aber Ratz , WK-StPO § 281 Rz 421) bleibt der Vorwurf, bestimmte (von der Beschwerde bloß behauptete) Umstände seien „unberücksichtigt“ (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) geblieben. Vielmehr bekämpft das Vorbringen – abseits der (solcherart bloß nominell) herangezogenen Anfechtungskategorien – nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) in Betreff der Feststellungen zur „Briefkasteneigenschaft“ der B***** AG (US 7 ff) sowie zur Unterfertigung eines jener Verträge, aus denen die fraglichen Einkünfte erzielt wurden, durch den Angeklagten im eigenen Namen (und nicht im Namen dieser Gesellschaft – US 9).

Nach den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte seit 2001 „an der Adresse in ***** W***** gemeldet und dort auch tatsächlich aufhältig“ (US 4).

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe es „unterlassen, festzustellen, ob der Angeklagte vor dem Tatzeitraum in den Jahren 2003–2008 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in W***** hatte“, setzt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) über diese Konstatierungen hinweg.

Im Übrigen zog das Schöffengericht aus den angeführten Feststellungen auch zutreffend den rechtlichen Schluss (US 36), dass der Angeklagte (auch in den Jahren 2008 bis 2012) seinen Wohnsitz (§ 26 Abs 1 BAO) im Inland hatte, somit für seine (in Rede stehenden) Einkünfte unbeschränkt im Inland steuerpflichtig ist (§ 1 Abs 2 EStG).

Unter Hinweis auf die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, vom „2. Halbjahr 2008 weg bis 2012“ „etwa 120 Tage in Österreich“ gewesen zu sein (ON 134 S 29), behauptet die Beschwerde einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5 zweiter Fall) zu den Voraussetzungen des § 1 der Zweitwohnsitz-Verordnung (BGBl II 2003/528), bei deren Vorliegen in einem Kalenderjahr die inländische Wohnung insoweit – ausnahmsweise (vgl RIS-Justiz RS0122332) – keinen Wohnsitz im Sinn des § 1 EStG begründet hätte.

Weshalb durch diese Verantwortung (neben dem Kriterium der Nutzung inländischer Wohnungen an nicht mehr als 70 Tagen eines Jahres) indiziert sein sollte, dass – wie die angesprochene Bestimmung darüber hinaus erfordert – sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Angeklagten länger als fünf Kalenderjahre im Ausland befunden habe (§ 1 Abs 1 der Zweitwohnsitz-Verordnung) und ein Verzeichnis über die Tage seiner inländischen Wohnungsbenutzung geführt worden wäre (§ 1 Abs 2 der Zweitwohnsitz-Verordnung), wird nicht erklärt (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

Der weiteren Rechtsrüge gelingt es nicht, nach Maßgabe juristisch geordneter Gedankenführung darzulegen, weshalb von ihr vermisste – zumal über die ohnehin getroffenen (US 4 ff) hinausgehende – Feststellungen zur „Zurechnung der Verfügungsmacht“ (in Bezug auf die I***** Corporation) und „Annahme der Stifterrolle“ (in Bezug auf die K***** Privatstiftung) schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollten (siehe dazu im Übrigen das in Beantwortung des – trotz Verschiedenheit des Anfechtungsrahmens [vgl RIS-Justiz RS0115902] weitgehend wortgleichen – Vorbringens zur Mängelrüge bereits Ausgeführte).

Die Kritik, das Urteil sage „über den zur Verwirklichung der zur Verurteilung gelangten strafbaren Handlung erforderlichen strafbestimmenden Wertbetrag nichts aus“, übergeht die genau dazu getroffenen Feststellungen (US 16 f).

Das übrige Vorbringen der Rechtsrüge zielt auf eine Reduktion des strafbestimmenden Wertbetrags ab, die weder dessen Herabsetzung bei einer der angelasteten Taten auf null noch den Entfall der gerichtlichen Zuständigkeit (§ 53 FinStrG) zur Folge hätte. Der Sache nach spricht sie damit die Sanktionsbefugnis an (Z 11 erster Fall; RIS-Justiz RS0124509, RS0118581; Lässig in WK² FinStrG Vor FinstrG Rz 21).

Sie vermeint, es sei „davon auszugehen“, dass die in den Jahren 2011 und 2012 auf das „rumänische Privatkonto“ der Eheleute A***** überwiesenen „Entgelte für in Rechnung gestellte Leistungen“ (US 8) zu „zumindest 50 %“ (nämlich im Umfang von zusammen 197.410,50 Euro) nicht dem Angeklagten, sondern seiner Ehefrau als Einkünfte zuzurechnen seien. Damit ignoriert sie die dem entgegenstehenden Urteilsfeststellungen (US 8 ff), wonach die betreffenden Leistungen in Erfüllung von Vertragspflichten, die der Angeklagte im eigenen Namen übernommen hatte, ausschließlich von diesem persönlich erbracht wurden (siehe aber RIS-Justiz RS0099810).

Weiters beanstandet die Beschwerde, für die Jahre 2008 bis 2012 hätten jeweils Beiträge zur gewerblichen Sozialversicherung (von zusammen 70.110,96 Euro) als gewinnmindernd in Abzug gebracht werden müssen. In der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse, die darauf hindeuten würden, dass der Angeklagte in den betreffenden Kalenderjahren solche Beiträge – wie für die angestrebte rechtliche Konsequenz erforderlich (vgl § 19 Abs 2 EStG) – auch (tatsächlich) geleistet hätte, nennt sie aber nicht.

Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) den vom Erstgericht festgestellten strafbestimmenden Wertbetrag (US 16 f) – unter Verweis auf vorangegangenes Beschwerdevorbringen zum „Werbungskostenpauschale“, zur Zurechnung von Einkünften an seine Ehefrau sowie zur Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen (siehe oben) – als „überhöht“ bezeichnet, ist sie bereits beantwortet.

Mit dem Argument, die verhängte Strafe sei – in Anbetracht der aus Beschwerdesicht nicht ausreichend gewichteten persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers – „unvertretbar hoch“, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 676).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht die vom Schuldspruch umfassten Taten – verfehlt, jedoch dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichend (§ 290 Abs 1 StPO) – der zum Urteilszeitpunkt (anstelle der zur jeweiligen Tatzeit) geltenden Fassung des § 38 Abs 1 FinStrG unterstellte:

Auf Basis der getroffenen Feststellungen erfüllen sämtliche von den Schuldsprüchen erfassten Taten die Tatbestandselemente des § 38 FinStrG sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage. Die jeweiligen Strafdrohungen sind für den Angeklagten nach dieser gleich hoch wie nach jener. Davon ausgehend ist die Normenlage zum Urteilszeitpunkt – in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (RIS‑Justiz RS0119085 [insbesondere T1]) – nicht günstiger als die Normenlage zur Tatzeit, sodass auf diese Taten gemäß § 4 Abs 2 FinstrG jeweils Tatzeitrecht anzuwenden gewesen wäre (13 Os 5/17k).

Bei seiner Berufungsentscheidung ist das Oberlandesgericht – aufgrund dieses Hinweises – nicht an die aufgezeigte Fehlsubsumtion (Z 10) gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte