OGH 1Ob208/18x

OGH1Ob208/18x3.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin C*, vertreten durch Dr. Thomas Hufnagl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Antragsgegner A*, vertreten durch Dr. Michael Pallauf, LL.M., und andere Rechtsanwälte in Zell am See, wegen Abänderung gemäß §§ 72 ff AußStrG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. September 2018, GZ 21 R 137/18w‑19, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 28. März 2018, GZ 25 C 12/17k‑13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124849

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 920,69 EUR (darin 153,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin befindet sich seit 11. 4. 2011 in einem wachkomatösen Zustand, wobei eine Remission nicht zu erwarten ist. Der seit 2003 mit ihr verheiratete Antragsgegner hatte deswegen im Mai 2014 beim Erstgericht als zuständigem Bezirksgericht zu 25 C 15/14x die auf § 51 EheG gestützte Scheidungsklage eingebracht. Die Mutter der Antragstellerin, die zu ihrer Sachwalterin für alle Angelegenheiten bestellt war, beantragte als gesetzliche Vertreterin (aufgrund der „Scheidungsklage des Ehegatten“ [ZPForm 1 Punkt 6.2]) und unter Angabe des Aktenzeichens für ihre Tochter „als Beklagter“ (ZPForm 1 Punkt 6.1) die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Daraufhin bewilligte das Bezirksgericht der Antragstellerin als Beklagter für „dieses Verfahren“ die Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 8. 6. 2015, in der das psychiatrische Gutachten und dessen Ergänzung verlesen worden waren, waren sowohl die Sachwalterin als auch der bestellte Verfahrenshelfer anwesend. Nachdem – nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls – „beide Parteien“ einen Antrag auf Scheidung der Ehe nach § 55a EheG gestellt hatten, unterbrach das Bezirksgericht das Ehescheidungsverfahren gemäß § 460 Z 10 ZPO. Es unterbreiteten „die Parteien“ eine Vereinbarung gemäß § 55a Abs 2 EheG, die unter anderem einen Unterhaltsverzicht des Mannes und seine Verpflichtung, der Frau einen unveränderlichen (auch für den Fall geänderter Verhältnisse oder Rechtslage und unverschuldeter Not zu leistenden) Unterhalt in Höhe von 300 EUR monatlich zu zahlen, enthielt. Außerdem wurde außer Streit gestellt, dass die Ehe unheilbar zerrüttet sei und im Protokoll festgehalten, dass unstrittig sei, dass die Ehe seit mehr als drei Jahren aufgehoben, ihre Wiederherstellung nicht möglich und eine Einvernahme nicht notwendig sei. Das Bezirksgericht verkündete den Beschluss, dass die zwischen den Antragstellern geschlossene Ehe mit der Wirkung geschieden werde, dass sie mit Rechtskraft dieses Beschlusses aufgelöst sei. Sämtliche im Scheidungsverfahren ergangenen Entscheidungen wurden an die „Vertreter der Streitteile“ zugestellt. Der Scheidungsfolgenvergleich wurde vorerst vom Pflegschaftsgericht (auch nach einer Modifikation der Unterhaltsverpflichtung des Mannes durch Aufnahme einer Wertsicherungsklausel) nicht genehmigt, sondern letztlich erst durch einen Beschluss des Rekursgerichts vom 28. 10. 2016. Aufgrund der Erläuterungen des Rekursgerichts im Genehmigungsbeschluss dazu, dass die Ehe – weil die Antragstellerin einen Scheidungswillen nicht hätte bilden können – nicht hätte einvernehmlich geschieden werden dürfen, wurde vom Pflegschaftsgericht ein Kollisionskurator mit dem Wirkungsbereich, die Antragstellerin bezüglich der Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche (bezogen auf Unterhaltsansprüche und Aufteilungsansprüche) resultierend aus dem Scheidungsverfahren, insbesondere dem dort abgeschlossenen Scheidungsvergleich, bzw einem allfälligen Abänderungsverfahren nach § 73 AußStrG zu vertreten, bestellt.

Dieser Kurator beantragte im vorliegenden Verfahren gestützt auf § 73 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG die Abänderung des Scheidungsbeschlusses dahin, dass dieser beseitigt werde. Wenn – wie hier bei der Antragstellerin – die Eheprozessfähigkeit, also die Einsichts- und Urteilsfähigkeit in das Wesen und die Folgen der Scheidung und der Scheidungswille, gänzlich fehle und dieser Umstand auch keiner Vertretung zugänglich sei, sei der Scheidungsbeschluss ersatzlos aufzuheben. Hilfsweise werde auch der Abänderungsgrund des § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG geltend gemacht. Der Antragstellerin sei es erst seit der Bestellung des Kollisionskurators möglich, diesen Umstand im vergangenen Verfahren entsprechend aufzuzeigen. Die Aufhebung des Scheidungsbeschlusses sei weitaus günstiger für die Antragstellerin als die Aufrechterhaltung des bekämpften Beschlusses, weil sie ohne weiteres den Ausspruch des überwiegenden und alleinigen Verschuldens des Antragsgegners im Verfahren hätte erreichen können. Dieser habe eine schwere Eheverfehlung sogar außer Streit gestellt. Die von ihm behauptete Verzeihung hätte aus rechtlichen Gründen keine Rolle gespielt. Der sich aus seinem Arbeitseinkommen ergebende Unterhalt nach § 66 EheG liege über dem im Vergleich vereinbarten. Der Bestellungsbeschluss sei dem Kollisionskurator am 13. 1. 2017 zugestellt worden, weswegen die Frist nach § 74 Abs 1 AußStrG (Einbringung des Antrags am 9. 2. 2017) gewahrt sei.

Der Antragsgegner brachte dagegen vor, dass die Antragstellerin im Verfahren vertreten gewesen sei und alle Zustellungen wirksam erfolgt seien. Der Abänderungsantrag sei daher, selbst wenn er zulässig sein sollte, verfristet.

Das Erstgericht folgte dieser Ansicht und wies den Abänderungsantrag zurück. Es ging davon aus, dass die Antragstellerin im Scheidungsverfahren durch „ihre Sachwalterin und diese durch einen Rechtsanwalt vertreten“ gewesen sei und sämtliche Entscheidungen „an die Vertreter der Streitteile“ zugestellt worden seien. Der Scheidungsbeschluss sei mit 30. 6. 2015 formell und materiell rechtskräftig geworden, sodass der am 9. 2. 2017 eingebrachte Abänderungsantrag verfristet sei. Im Übrigen käme es auch – erkennbar gemeint: im Falle einer streitigen Scheidung – zu keiner günstigeren Entscheidung für die Antragstellerin, weil dem Antragsgegner die verziehene Eheverfehlung nicht anzulasten sei und daher der Antragstellerin kein Unterhalt nach § 66 EheG, sondern ein Billigkeitsunterhalt zustehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Eine Verfristung des Abänderungsantrags liege nicht vor. Es habe die Antragstellerin aufgrund ihres Wachkomas keinen Ehescheidungswillen bilden können, weshalb die Möglichkeit einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG grundsätzlich ausgeschieden sei. Die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Scheidungsbeschlusses an den Verfahrenshelfer der Frau am 17. 6. 2015 müsse als unwirksam angesehen werden, weil bei der Antragstellerin die Eheprozessfähigkeit, also die Einsichts- und Urteilsfähigkeit in das Wesen und die Folgen der Scheidung, und der Scheidungswille gänzlich gefehlt hätten und sie insoweit auch nicht hätte vertreten werden können. Diese hinsichtlich des Antrags auf einvernehmliche Ehescheidung nicht gegebene Vertretungsbefugnis der Sachwalterin schlage auf den Zustellvorgang durch. Habe aber die Frau „durch die Sachwalterin bzw deren Verfahrenshelfer“ im Ehescheidungsverfahren nicht vertreten werden können, beginne die in § 74 Abs 1 AußStrG normierte Monatsfrist erst mit der Zustellung der Entscheidung an den bestellten Kollisionskurator. Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage, ob die Zustellung des Beschlusses über die einvernehmliche Ehescheidung „an die Sachwalterin“ oder erst jene an den Kollisionskurator die Frist des § 74 AußStrG auslöse, höchstgerichtliche Judikatur zur Rechtslage nach dem AußStrG 2005 fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig und auch berechtigt.

1. Der Antragsgegner führt darin aus, es müsse zwischen der Frage der Vertretung bei Bildung des Scheidungswillens selbst und „den Wirkungen einer Zustellung des Beschlusses“ über die Ehescheidung unterschieden werden. Die Antragstellerin hält in ihrer Revisionsrekursbeantwortung dagegen, dass die Zustellung an einen Sachwalter nicht als rechtswirksame Zustellung angesehen werden könne, wenn im Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen unabdingbare Voraussetzung sei, dass zwischen den Ehegatten das Einvernehmen über die Scheidung bestehe und die Erklärung des Einvernehmens über die Scheidung als höchstpersönliches Recht einer Vertretung gar nicht zugänglich sei.

2. Dazu ist Folgendes zu erwägen:

2.1. Nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem über die Sache entschieden wurde, kann gemäß § 73 Abs 1 AußStrG seine Abänderung beantragt werden, wenn (unter anderem) die Partei in dem vorangegangenen Verfahren nicht vertreten war (Z 1), die Partei eines gesetzlichen Vertreters bedarf und nicht durch einen solchen vertreten war und die Verfahrensführung nicht nachträglich genehmigt wurde (Z 2) oder die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (Z 6).

2.2. Der Abänderungsantrag gemäß §§ 72 ff AußStrG vereint die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage der ZPO und ist diesen Rechtsbehelfen nachgebildet (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 56; Fucik/Kloiber, AußStrG § 72 Rz 1). Wesentliche Unterschiede zwischen den Regelungen der ZPO und des AußStrG 2005 bestehen lediglich bei den das Verfahren regelnden Bestimmungen (9 Ob 65/11s mwN).

2.3. Der von der Antragstellerin hilfsweise herangezogene Abänderungsgrund des § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG (der darin liegen soll, dass es der Antragstellerin erst seit der Bestellung des Kollisionskurators möglich sei, das Fehlen der Eheprozessfähigkeit aufzuzeigen) ist nicht gegeben. Auf ihn kommt die Revisionsrekursgegnerin in der Revisionsrekursbeantwortung auch nicht zurück. In der Bestellung des Kollisionskurators liegt kein „neues Beweismittel“ für den Nachweis einer schon zuvor entstandenen „Tatsache“. Nova producta (also neu entstandene Tatsachen bzw Beweismittel) können mit diesem Abänderungsgrund nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0044437).

2.4. Es trifft aber zu, dass die Antragstellerin im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung bei der Bildung des einvernehmlichen Scheidungswillens und der Erklärung über dessen Vorliegen nicht vertreten werden konnte:

Voranzustellen ist, dass die mit 1. Juli 2018 in Kraft getretenen Bestimmungen des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes (BGBl I 2017/59; 2. ErwSchG) auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden sind, weil der verfahrenseinleitende Schriftsatz vor dem 30. Juni 2018 bei Gericht eingebracht wurde (§ 131 Z 2 EheG) und die zu beurteilenden Vertretungshandlungen vor diesem Datum gesetzt wurden (§ 1503 Abs 9 Z 4 ABGB). Nach der Rechtslage vor dem 2. ErwSchG ist für die Erklärung des Einvernehmens gemäß § 55a Abs 1 EheG (als Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts) die natürliche Einsichtsfähigkeit und Urteilsfähigkeit des Ehegatten erforderlich und es kann deren Fehlen weder durch einen Sachwalter noch durch das Pflegschaftsgericht ersetzt werden (RS0103635). Dass der (auf rein prozessökonomischen Überlegungen beruhende) Umstand, dass eine einvernehmliche Scheidung rascher und kostengünstiger abgewickelt werden könnte als ein streitiges Scheidungs- und daran anschließendes Aufteilungsverfahren, kein Abgehen von den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen zur Höchstpersönlichkeit der Zustimmung zur einvernehmlichen Scheidung rechtfertigt, hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in seiner Entscheidung 5 Ob 71/17b bekräftigt. Wenn dem Betroffenen tatsächlich ausreichende Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt, muss zum Zweck der Scheidung der streitige Rechtsweg beschritten werden (vgl auch 7 Ob 134/17g). Nur wenn (insoweit noch) ausreichende Einsichts- und Urteilsfähigkeit beider Ehegatten betreffend die Beendigung ihrer Ehe gegeben ist, kann es zu einer einvernehmlichen Scheidung (auch einer „behinderten Person“) kommen. Ist aber schon nach der Aktenlage von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Einvernehmen besteht (weil einer der Ehepartner weder einen Scheidungswillen bilden, noch ein Einvernehmen mit dem anderen Ehepartner über die Scheidung herstellen kann und auch in Zukunft nicht herstellen können wird), fehlt es an einer der materiell‑rechtlichen Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) wäre dann aussichtslos iSd § 63 Abs 1 ZPO. Verfahrenshilfe dürfte für ein solches Verfahren nicht bewilligt werden.

2.5. Zu prüfen ist, ob die Frage, ob eine im Wachkoma befindliche Person bei Abgabe der Erklärung, es bestehe Einvernehmen über die Scheidung, (nicht) vertreten werden kann, von jener zu trennen ist, ob und wie ihr – für den Fall, dass ein (wenn auch fehlerhafter) Beschluss über eine Scheidung nach § 55a EheG gefasst wurde – dieser wirksam zugestellt werden kann. Die Antragstellerin bedarf wegen ihres Zustands einer Vertretung bei jeglicher Äußerung und auch bei jeder sonstigen rechtserheblichen Handlung. Die Bestellung einer Sachwalterin mit einem umfassenden Wirkungsbereich („für alle Angelegenheiten“) war daher unabdingbar. Die Aufgabe eines in dieser Weise bestellten gesetzlichen Vertreters liegt darin, für den Vertretenen sämtliche Angelegenheiten, soweit eben überhaupt eine Vertretung möglich ist, wahrzunehmen. Dazu gehört es aber zweifelsohne auch, gleich welche Entscheidungen einer Behörde oder eines Gerichts (seien sie auch fehlerhaft) für die Vertretene zu übernehmen und sie nötigenfalls zu bekämpfen. Andernfalls könnten in bestimmten Bereichen, Zustellungen überhaupt nicht rechtswirksam erfolgen, weshalb insoweit Höchstpersönlichkeit nicht gefordert werden kann, die im Übrigen auch ein besonderer Kurator nicht substitutieren könnte. Von ihrer Vertretungsbefugnis als Sachwalterin wäre es somit umfasst gewesen, den fehlerhaften Scheidungsbeschluss mit Wirkung für die Antragstellerin zu übernehmen und – da kein Rechtsmittelverzicht abgegeben worden war – zu bekämpfen (vgl 6 Ob 43/02w). Die Wirksamkeit von Zustellungen an die zur (umfassenden) Vertretung (in allen Angelegenheiten) bestellte Sachwalterin wäre – außer in einem (hier nicht vorliegenden) Fall der formellen Kollission (vgl dazu 10 Ob 90/15f mwN; RS0058177) – nur bei einer materiellen Interessenkollision in Zweifel zu ziehen, also wenn die Bestellung eines Kollisionskurators wegen eines (hier aber ex ante nicht erkennbaren) unmittelbaren Interessenkonflikts zwischen den Interessen der Sachwalterin und der Betroffenen erforderlich ist (RS0058177 [T4, T8]). Dass einem Sachwalter bei der Vertretung Fehler unterlaufen (können), führt per se noch nicht zum Entfall der Wirksamkeit der von seiner Vertretungsbefugnis umfassten Maßnahmen, wozu eben auch die Passivvertretung in Form der Empfangnahme von Schriftstücken zählt. Es ist hier daher (nur) darauf abzustellen, ob die Vertretung den konkret zu beurteilenden Vorgang (hier: die Zustellung) deckt, und es kommt nicht darauf auf, ob eine Vertretung zuvor überhaupt möglich war, fehlerhaft/fehlerfrei erfolgt(e) oder nach dem Zustellvorgang fehlerfrei erfolgen wird. Auch Schlechtvertretung zeitigt nicht das Ergebnis, dass im jeweiligen Verfahren erfolgte Zustellungen (auch der Endentscheidung) an den (Schlecht-)Vertreter für den Vertretenen deswegen nicht wirksam wären, weil der Vertreter ein bei entsprechender Rechtskenntnis einzubringendes Rechtsmittel unterlässt oder seine Vertretung zuvor mangelhaft war. Das Rekursgericht schloss aus dem Umstand, dass die Betroffene bei der Erklärung über das Bestehen des Einvernehmens über die Scheidung nicht wirksam vertreten sein konnte, es komme im gesamten Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen eine Vertretung nicht in Betracht und erstreckte diese Wirkung auch auf die Zustellung des fehlerhaften Scheidungsbeschlusses. Diese Ansicht teilt der erkennende Senat nicht. Da es auch Aufgabe des Sachwalters ist, die Zustellung von Entscheidungen aller Art an die betroffene Person zu ermöglichen, kann das vom Rekursgericht angenommene „Durchschlagen“ der Unfähigkeit, die Antragstellerin bei der Willensbildung und Abgabe der Erklärung über das Einvernehmen über die Scheidung zu vertreten, auf ihre Vertretung im Zusammenhang mit der Zustellung eines bekämpfbaren Beschlusses nicht angenommen werden.

2.6. Für den hier zu beurteilenden Abänderungsantrag ist damit im Weiteren zu prüfen, ob eine die (Schein-)Rechtskraft iSd § 73 Abs 1 AußStrG auslösende Zustellung bewirkt wurde; bejahendenfalls, ob die Frist des § 74 Abs 1 AußStrG eingehalten wurde. Ein Abänderungsantrag setzt für seine Zulässigkeit voraus, dass die Entscheidung, die abgeändert werden soll, in formelle (Schein-)Rechtskraft erwachsen ist und die vierwöchige Frist des § 74 Abs 1 AußStrG eingehalten wurde.

Scheinrechtskraft betrifft Fälle, in denen – vorerst nach der Aktenlage und bei richtiger rechtlicher Beurteilung – formelle Rechtskraft eingetreten zu sein scheint, etwa weil sich erst nachträglich ein Abweichen der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse von der Aktenlage herausstellt (RS0122203 [T2] zum nicht erkannten Fehlen der Prozessfähigkeit einer Partei). Die „bloße“ (nach den Regeln des Zustellgesetzes) nicht ordnungsgemäße Zustellung bildet allerdings für sich allein keine Grundlage für eine Nichtigkeitsklage (zur Ortsabwesenheit: RS0110275 [T7]; RS0078895 [T7]; RS0116036 [T4, T5]; abw aber vereinzelt geblieben: 6 Ob 127/03z; ebensowenig wurde Scheinrechtskraft etwa bei eindeutiger Fehlzustellung an die Partei selbst anstatt an den Masseverwalter [2 Ob 37/08t] oder den Sachwalter [2 Ob 128/12f] angenommen) und damit auch nicht für einen Abänderungsantrag.

2.7. Im hier zu beurteilenden Fall war die Antragstellerin im (streitigen) Verfahren über die von ihrem Mann eingebrachte Scheidungsklage zuerst von ihrer Mutter (als Sachwalterin für alle Angelegenheiten) vertreten worden. Für deren auf Abwehr des Scheidungsbegehrens des Mannes im streitigen Prozess gerichtetes Einschreiten bedurfte es auch keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (so verweisen die ErläutRV 1420 BlgNR 22. GP  14 zu den wichtigen Angelegenheiten nach § 275 Abs 2 ABGB auf § 154 Abs 2 ABGB und erwähnen nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Klagsführung [ausdrücklich auch einer Scheidungsklage]). Über den Antrag der Sachwalterin (als gesetzliche Vertreterin) wurde der Antragstellerin als „der beklagten Partei“ für „dieses Verfahren“, also im Zivilprozess, Verfahrenshilfe (auch im Umfang der vorläufig unentgeltlichen Beigebung eines Rechtsanwalts) bewilligt und ein Rechtsanwalt mit Bescheid der zuständigen Rechtsanwaltskammer zum Vertreter „in der im beiliegenden Beschluss bezeichneten Rechtssache“ bestellt. Im Rahmen der Verfahrenshilfe schreitet der bestellte Verfahrenshelfer aufgrund des Bewilligungsbeschlusses und des Bestellungsbescheids ohne Prozessvollmacht ein (s a Fucik in Rechberger ZPO4 § 67 ZPO Rz 2). Jenes Verfahren, für das die Verfahrenshilfe bewilligt worden war, nämlich das streitige Scheidungsverfahren, wurde aber am 8. 6. 2015 gemäß § 460 Z 10 ZPO unterbrochen. Eine „Erstreckung“ auf ein (nach einer anderen Verfahrensordnung, dem Außerstreitgesetz, zu führendes) Verfahren über die einvernehmliche Scheidung kann dem Bewilligungsbeschluss, der sich allein auf das streitige Verfahren bezog, nicht entnommen werden. Die auf diesem Bewilligungsbeschluss (und dem Bestellungsbescheid) beruhende Vertretungsbefugnis des Verfahrenshelfers ging folglich über das streitige Scheidungsverfahren auch nicht hinaus.

Der Verfahrenshelfer konnte die Antragstellerin auf Basis von Bewilligungsbeschluss und Bestellungsbescheid im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung also schon aufgrund der Aktenlage nicht vertreten und damit auch den Beschluss über die Scheidung nicht wirksam entgegennehmen. Das Erstgericht hat dazu bloß festgestellt, dass „sämtliche Entscheidungen“ an „die Vertreter der Streitteile“ zugestellt worden sind; das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass „die Antragstellerin (im Folgenden auch nur: Frau) im streitigen Verfahren durch ihre Sachwalterin und diese durch einen zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt“ vertreten gewesen, der Scheidungsbeschluss dem „Verfahrenshelfer der Frau“ zugestellt worden und die Zustellung an deren Sachwalterin „bzw.“ an den Verfahrenshelfer nicht wirksam gewesen sei. Tatsächlich wurde der Scheidungsbeschluss nach der Aktenlage (und gemäß der Zustellverfügung) an die jeweiligen „Rechtsvertreter“ der Parteien (also auch an den Verfahrenshelfer) abgefertigt und ging diesen am 17. 6. 2015 zu. Am 9. 5. 2016 hielt das Bezirksgericht fest, dass der Scheidungsbeschluss mit 30. 6. 2015 formell und materiell rechtskräftig geworden sei, und verfügte die Zustellung des rechtskräftigen Beschlusses (unter anderem) an „Erstantragsteller/Vertreter“ und „Zweitantragsteller/Vertreter“. Ob der damals (sowohl an den zum Verfahrenshelfer als auch) an die Sachwalterin abgefertigte Scheidungsbeschluss letzterer im Mai 2016 (vgl § 26 Abs 2 ZustG) tatsächlich zugekommen ist, lässt sich anhand der Aktenlage nicht nachvollziehen, weil dieser Zustellvorgang ohne Rückschein erfolgte. Eine im zuvor umschriebenen Sinn „unbekannte Tatsache“, die sich erst später herausstellte und aufgrund deren Unkenntnis Scheinrechtskraft eingetreten wäre, gibt es hier nicht.

Entweder liegt eine wirksame Zustellung noch gar nicht vor – jene an den Verfahrenshelfer ist nach dem Dargelegten als unbeachtlich zu qualifizieren – oder sie wurde bereits (lange) zuvor – nämlich im Fall der Zustellung an die (insoweit allein passiv vertretungsbefugte) Sachwalterin im Mai 2016 – bewirkt. Im letzteren Fall wäre mit der Zustellung nicht nur die vierzehntägige Rekursfrist, sondern auch die vierwöchige Frist zur Wahrnehmung des Mangels der Unvertretbarkeit bei der Erklärung des einvernehmlichen Scheidungswillens in Gang gesetzt worden, selbst wenn dieser Umstand der Sachwalterin aufgrund fehlender Rechtskenntnisse nicht bewusst gewesen sein mag.

2.8. Damit ist entweder die Frist des § 74 Abs 1 AußStrG, die für einen Abänderungsantrag von den Tag zu berechnen ist, an welchem die Entscheidung der Partei wirksam zugestellt wurde (§ 74 Abs 2 Z 1 AußStrG), bereits verstrichen oder sie hat noch gar nicht zu laufen begonnen, womit noch keine rechtskräftige Entscheidung vorläge, weshalb auch in diesem Fall für einen Abänderungsantrag (mangels Rechtskraft der abzuändernden Entscheidung) kein Raum bliebe. Wenn aber alle noch fraglichen Umstände im Ergebnis die vom Erstgericht ausgesprochene Zurückweisung des Abänderungsantrags als unzulässig nach sich ziehen (§ 77 Abs 1 AußStrG; Kodekin Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 77 Rz 4), ist dessen Entscheidung (samt Kostenentscheidung) ohne Verfahrensergänzung wiederherzustellen.

3. Der in der Revisionsrekursbeantwortung „vorsorglich“ erhobene Vorwurf der Antragstellerin, das Rekursgericht habe sich aufgrund seiner Rechtsmeinung nicht mit den von ihr „in Punkt I. 1. und 2. ihres Rekurses geltend gemachten Beweisrügen“ auseinandergesetzt, ist auch im Außerstreitverfahren (vgl RS0007029 [T16]) als unzulässiger Verweis auf Ausführungen in einem früheren Schriftsatz unbeachtlich (RS0043579 [T19, T23]; RS0007029 [T15]). Sie erklärt auch nicht, aus welchen rechtlichen Erwägungen sich die Beachtlichkeit welcher fehlenden oder abweichenden Feststellungen ergeben sollte.

4. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Parteien standen einander im Abänderungsverfahren mit gegensätzlichen Standpunkten gegenüber. Die Antragstellerin, die mit ihrer Auffassung unterlag, hat dem Antragsgegner die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses zu ersetzen.

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