OGH 10Ob11/19v

OGH10Ob11/19v26.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers DI M*, vertreten durch Mag. Dieter Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. K*, 2. F*, und 3. R*, alle *, alle vertreten durch Friedl & Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft in Gamlitz, wegen Unterhaltsherabsetzung, infolge des Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. November 2018, GZ 45 R 258/18a‑366, womit der Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 27. April 2018, GZ 26 Pu 225/11s‑357, teilweise zurückgewiesen und ihm im Übrigen nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124889

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, den Antragsgegnern zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit 958,58 EUR (darin enthalten 159,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist der Vater der (mittlerweile) volljährigen Antragsgegner. Er ist als Karikaturist und Comiczeichner selbständig erwerbstätig und begründete seine Anträge auf Unterhaltsherabsetzung damit, dass sein Einkommen gesunken und Sorgepflichten für zwei weitere Kinder hinzugekommen seien.

Das Erstgericht gab seinen Anträgen teilweise Folge und wies das Mehrbegehren ab.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Vaters teilweise zurück und gab ihm im Übrigen nicht Folge. Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass bestimmte, vom Vater geltend gemachte betriebliche Aufwendungen keine die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindernden Abzugsposten darstellen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil zur Frage, „ob die zu bezahlende Einkommenssteuer, die einen Abzugsposten bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstelle, von dem nach den unterhaltsrechtlichen Bestimmungen ermittelten Bruttoeinkommen oder von dem nach den einkommenssteuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Bruttoeinkommen zu berechnen sei“, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorhanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab:

1.1 Nach den – für das Revisionsrekursverfahren wesentlichen – Feststellungen übt der Unterhaltspflichtige seine berufliche Tätigkeit in einer zu diesem Zweck angemieteten 32 m2 großen Mietwohnung aus, deren Eigentümer der Vater seiner nunmehrigen Lebensgefährtin ist. Die Lebensgefährtin hat an dieser Wohnung ein Fruchtgenussrecht.

1.2 Die Vorinstanzen haben zwar die vom Unterhaltspflichtigen an dessen Lebensgefährtin geleisteten monatlichen Mietzinszahlungen in Höhe von 550 EUR als die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindernden Abzugsposten anerkannt. Nicht als unterhaltsrechtlich relevanter Abzugsposten wurde aber der für die Generalsanierung dieser Wohnung im Jahr 2012 aufgewendete Betrag von 20.000 EUR angesehen. Als Begründung wurde dazu ausgeführt, 550 EUR entsprächen den fiktiven Kosten der Nutzung eines bezugsfertigen, den Bedürfnissen des Unterhaltspflichtigen entsprechenden Büros bzw Ateliers, weshalb die in die Mietwohnung getätigte Investition von 20.000 EUR aus wirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar sei und sich nur aus dem Naheverhältnis zur Vermieterin (der Lebensgefährtin) erklären ließe. Ebenso als nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzugsfähig wurden an die Lebensgefährtin erbrachte Honorarzahlungen von 300 EUR monatlich angesehen, die für die Mitwirkung an der Erstellung von Cartoons geleistet wurden.

2. Der Antragsteller meint in seinem Revisionsrekurs, die Nichtberücksichtigung der in die Mietwohnung getätigten Investitionen führe dazu, dass ihn diese Ausgaben „doppelt“ treffen, weil sich der Unterhalt der Antragsgegner anteilig aus diesen Ausgaben bemesse. Zudem könne das maßgebliche Einkommen nur dann ein realistischerweise erzielbares Einkommen sein, wenn berücksichtigt werde, dass eine höhere Bemessungsgrundlage auch höhere Steuern und Abgaben zur Folge habe. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn zwar einerseits tatsächlich getätigte Ausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht mindern, aber andererseits Steuern und Abgaben, die mit einer höheren Bemessungsgrundlage einhergehen, nicht in Anschlag gebracht werden. Aufgrund der „utopischen“ Einkommensannahmen der Vorinstanzen verblieben ihm keine ausreichenden finanziellen Mittel, um sich und seine zwei weiteren – noch kleinen – Kinder zu erhalten.

Dazu ist auszuführen:

3.1 Der steuerrechtliche und der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff sind nicht ident (5 Ob 67/99k). Um keine Verzerrung der Einkommensverhältnisse zu Lasten des Unterhaltsgläubigers zu bewirken, können steuerliche Vorschriften, die einem selbständigen Steuerpflichtigen die Möglichkeit geben, Aufwendungen als Abzugsposten geltend zu machen, nicht ohne weiteres auch bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt werden (10 Ob 2416/96h). Erforderlichenfalls ist die Steuerbemessungsgrundlage – insbesondere bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit – nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu korrigieren (RIS‑Justiz RS0013386). Unter Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn ist daher nur die Summe aller dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden Mittel unter Berücksichtigungunterhaltsrechtlich beachtlicher Abzüge und Aufwendungenzu verstehen (RIS-Justiz RS0003799).

3.2 Eine Abzugspost bilden im Allgemeinen nur solche tatsächlichen Aufwendungen, die der Sicherung des Einkommens und der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen dienen (RIS-Justiz RS0107278 [T11]). Als „reale“ Betriebsausgabe ist insbesondere der Aufwand für die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern anzusehen, soweit dieser Aufwand wegen der damit verbundenen Ermöglichung weiterer Einkünfte (auch) im Interesse des Unterhaltspflichtigen liegt und nicht von vornherein unangemessen hoch ist (4 Ob 218/08z mwN). Maßstab ist das Verhalten eines pflichtbewussten Familienvaters. Nur solche Aufwendungen können die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern, die auch ein „maßstabsgerechter“ Familienvater unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse sowie der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten tätigen würde (5 Ob 60/97b; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 [2019]43: „negativer Anspannnungsgrundsatz“).

4. Von dieser Rechtsprechung weicht die Ansicht der Vorinstanzen nicht ab, der Sanierungsaufwand für die als Büro bzw Atelier genutzte Mietwohnung stelle keine Aufwendung dar, die tatsächlich der Erhaltung der Ertragsfähigkeit des Betriebs gedient habe, weshalb sie die Unterhaltsbemessungsgrundlage auch nicht mindern könne. Die allein in einer bestimmten Leistung liegende Zweckbestimmung führt noch nicht zum Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage (3 Ob 194/97v). Gegen die Nichtberücksichtigung der an die Lebensgefährtin gezahlten Honorare bringt der Revisionsrekurswerber keine konkreten Argumente mehr vor.

5.1 Von der nach den dargelegten Grundsätzen ermittelten Unterhaltsbemessungsrundlage ist die nach den steuerlichen Bestimmungen zu zahlende Einkommensteuer abzuziehen (RIS-Justiz RS0106934).

5.2 Nach dieser – auch auf den vorliegenden Fall anwendbaren – Rechtsprechung führen die Kosten der Generalsanierung der Wohnung sowie die Honorarzahlungen an die Lebensgefährtin, die beide für die Unterhaltsbemessung als Abzug außer Betracht zu bleiben haben, zu einer (höheren) Unterhaltsbemessungsgrundlage, von der die nach den steuerlichen Bestimmungen zu zahlende Einkommensteuer abzuziehen ist.

5.3 Wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat, hat der vom Gericht beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten für die Jahre 2010 bis 2016 die nach den steuerlichen Bestimmungen ermittelte jeweilige Steuerbelastung dargelegt. Das Erstgericht hat auf Grundlage dieses Gutachtens Feststellungen zum unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen in diesen Jahren getroffen, indem es – im Einklang mit der dargelegten Rechtsprechung – die zu zahlende Einkommensteuer von den jeweils relevanten Unterhaltsbemessungsgrundlagen in Abzug gebracht hat.

6. Die vom Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel gewünschte fiktive Ermittlung der Einkommensteuer auf Grundlage der „höheren“ Unterhaltsbemessungsgrundlage mit dem Ziel, dass infolge der (fiktiven) höheren Einkommenssteuerbelastung die Unterhaltsbemessungsgrundlage gemindert werden soll, würde hingegen einen fiktiven Abzugspost zu Lasten der Unterhaltsberechtigten schaffen, was nach der Rechtsprechung gerade verhindert werden soll. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage wird eben nicht als fiktive Steuerbemessungsgrundlage ermittelt, sondern angenähert an die Steuerbemessungsgrundlagen, aber nach unterhaltsrechtlichen Kriterien korrigiert.

7. Da der Revisionsrekurswerber mit seinen Ausführungen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, ist der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragsgegner haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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