OGH 10Ob15/19g

OGH10Ob15/19g26.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Mag. Herbert Premur, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Mag. Michael Huber, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, wegen 18.441,80 EUR sA und Feststellung (Streitwert 8.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2018, GZ 3 R 136/18x‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00015.19G.0326.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin, die nach ihrem eigenen Vorbringen im Klettersport aktiv ist und in dieser Sportart auch als Ausbildnerin tätig ist, verletzte sich am 1. 10. 2017 am St. Veiter Wiesenmarkt bei einem Sprung auf die vom Beklagten betriebene „Bagjump‑Anlage“. Diese Anlage besteht aus einem aufblasbaren Luftkissen von 2,5 x 4 m Größe und einer Hebebühne, von der aus man auf das Luftkissen springen kann. Die Klägerin sprang aus 6 m Höhe mit ausgestreckten Beinen voran und erlitt einen Bruch des rechten Innen‑ und Außenknöchels sowie einen Bruch des vierten linken Mittelfußknochens.

Das Erstgericht wies ihre Schadenersatz‑ und Feststellungsklage im Wesentlichen mit der Begründung ab, sie sei ausreichend über die einzunehmende Sprunghaltung und die Risiken des Sprungs aufgeklärt worden.

Das Erstgericht stellte fest, dass die am Ticketautomat selbst und unmittelbar darüber in Augenhöhe angebrachten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die „Bagjump‑Regeln“ den Hinweis enthalten: „Nicht mit gestreckten Beinen voran in den Bag springen“. Auch auf dem Luftkissen selbst befindet sich ein Piktogramm, in dem verdeutlicht wird, dass nicht mit gestreckten Beinen und den Füßen voran in das Luftkissen gesprungen werden darf. Das Piktogramm ist sehr gut beleuchtet und auch im Dunkeln weithin sichtbar. Weiters enthalten die AGB den Hinweis darauf, dass es sich bei der Anlage um ein Sportgerät handle und es – ungeachtet der anzuwendenden Sprungtechnik – im Zuge der Ausführung des Sprungs zu Verletzungen auch schwerer Natur kommen könne. Die AGB und die Bagjump‑Regeln waren auch in der Wartezone bei der Hebebühne ausgehängt. Die Klägerin beachtete weder die Aushänge noch das Piktogramm. Unmittelbar vor ihrem Absprung wurde sie aber von einem Mitarbeiter des Beklagten in die Sprungtechnik eingewiesen. Dieser erklärte und demonstrierte ihr, sie solle die Arme vor der Brust verschränken und die Beine anheben, um auf dem Gesäß zu landen. Er brachte auch zum Ausdruck, dass bei Einhaltung dieser Sprungtechnik nichts passieren könne. Die Klägerin sprang dennoch ängstlich mit ausgestreckten Beinen voran in das Luftkissen, sodass sie auf den Füßen landete.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Nach der Rechtsprechung nimmt derjenige, der an einer gefährlichen sportlichen Veranstaltung teilnimmt, das damit verbundene, in der Natur der betreffenden Veranstaltung gelegene Risiko, jedenfalls soweit er es kennt oder kennen muss, auf sich und handelt auf eigene Gefahr. Ihm wird eine Selbstsicherung zugemutet; die dem Gefährdenden sonst obliegenden Sorgfaltspflichten sind aufgehoben oder eingeschränkt (RIS‑Justiz RS0023006).

2.1 Allerdings trifft den Betreiber und Veranstalter einer Risikosportart, der auch das dafür notwendige Sportgerät zur Verfügung stellt, jedenfalls eine entsprechende Sorgfalts‑ und Aufklärungspflicht über Umstände, die die Sicherheitsrisiken betreffen. Nur so wird der Teilnehmer in die Lage versetzt, diese Sicherheitsrisiken auch ausreichend abzuschätzen, wobei die Schilderung, Aufklärung und Beratung so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen hat, dass sich der hievon Angesprochene der (möglichen) Gefahren bewusst wird und diese eigenverantwortlich abschätzen kann (6 Ob 183/15b; ZVR 2017/33, 54 [Kathrein]; 6 Ob 17/07d).

2.2 Wird demgegenüber dem Sportler vom Veranstalter eine gewisse Gefahrlosigkeit der Sportausübung signalisiert und ist dem unerfahrenen Sportler nicht erkennbar, dass die konkrete Situation gefährlich ist, so scheidet der Haftungsausschluss des Handelns auf eigene Gefahr aus (6 Ob 17/07d).

3. Die Frage, in welchem Umfang über mögliche Gefahren aufzuklären bzw zu warnen ist und aus welchen Gründen das Unterlassen einer Aufklärung schuldhaft ist, kann immer nur aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden und ist daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (4 Ob 34/16b).

4. Die Klägerin, die den schriftlich ausgehängten Hinweisen keine Beachtung geschenkt hatte, wurde unmittelbar vor dem Absprung über das mit dem Sprung auf das Luftkissen verbundene Risiko aufgeklärt. Dabei wurde sie von einem Mitarbeiter auf die richtige Sprunghaltung und die Notwendigkeit deren Einhaltung hingewiesen. Dass damit eine hinreichende Aufklärung erfolgte, hält sich im Rahmen der dargestellten Grundsätze der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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