OGH 13Os2/19x

OGH13Os2/19x13.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Stefan H***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Alexej B***** und Evgenij S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 9. Oktober 2018, GZ 7 Hv 67/18t‑121, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00002.19X.0313.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten Alexej B***** und Evgenij S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Alexej B***** und Evgenij S***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II) schuldig erkannt.

Danach haben sie

A) am 6. April 2018 in S***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 944,1 Gramm Kokain mit zumindest 457 Gramm Reinsubstanz Cocain

I) ein‑ und ausgeführt, indem sie das Suchtgift, versteckt im Pkw des Evgenij S*****, über den ehemaligen Grenzübergang M***** von Deutschland aus‑ und nach Österreich einführten, wobei Evgenij S***** den PKW lenkte und Alexej B***** zur Ausführung der strafbaren Handlung des Evgenij S***** dadurch beitrug (§ 12 dritter Fall StGB), dass er den Suchtgifttransport im Vorfeld mit Andreas Ba***** vereinbart und organisiert hatte und ihn begleitete, sowie

II) einem anderen überlassen, indem sie das Suchtgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf an Andreas Ba***** übergaben.

 

Dagegen richten sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Alexej B***** und Evgenij S*****.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alexej B*****:

Der Erledigung voranzustellen ist, dass Tatsachenfeststellungen nur insoweit mit Mängelrüge und Tatsachenrüge anfechtbar sind, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 und 5a

des § 281 Abs 1 StPO entscheidend sind (RIS-Justiz RS0117499; vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 399).

Diesen Bezugspunkt verfehlt die Mängelrüge (Z 5), indem sie die Feststellungen bekämpft, wonach der Beschwerdeführer das im unteren Teil der Rückenlehnenabdeckung des Beifahrersitzes versteckte Suchtgift ausgebaut und die untere Schalenabdeckung wieder montiert hat, während er den ebenfalls abgenommenen oberen Teil der genannten Abdeckung dazu verwendete, das auf die Mittelkonsole gelegte Suchtgift zu bedecken (US 14 f).

Der dazu erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) verkennt im Übrigen, dass eine solche dann vorliegt, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431). Ein derartiges Fehlzitat behauptet die Beschwerde jedoch gar nicht. Der Vorwurf an die Tatrichter, aus der Aussage des Angeklagten Andreas Ba***** in der Hauptverhandlung statt der vertretbarerweise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, stellt bloß unzulässige Kritik an deren Beweiswürdigung dar, wie überhaupt die Behauptung eines „Widerspruchs“ zwischen den getroffenen Feststellungen und den diesen zugrunde gelegten Aussagen nicht den Vorwurf einer Aktenwidrigkeit beinhaltet ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 468).

Hinsichtlich der – im Übrigen ebenfalls nicht entscheidenden – Konstatierungen „zum Tatablauf ab dem erstmaligen Ausstieg des Zeugen Ba***** aus dem BMW“ (US 14 f) orientiert sich die Rüge mit dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) prozessordnungswidrig nicht an den Erwägungen der Tatrichter (insbesondere US 23 ff).

Entgegen dem Beschwerdeeinwand (Z 5 dritter Fall) sind die – erneut sämtlich keine entscheidenden Tatsachen betreffenden – Feststellungen, wonach

– Andreas Ba***** das Suchtgift von mehreren Personen kaufte, sein Ansprechpartner aber (nur) Alexej B***** war (US 10),

– Andreas Ba***** dem verdeckten Ermittler „Ben“ mitteilte, es sei möglich, dass er lediglich ein halbes Kilo Kokain bringen könne, „weil EINER nicht kommen könne“ (US 11) und Alexej B***** der Ansprechpartner des Andreas Ba***** war (US 10) und

– der auf dem Fahrersitz befindliche Alexej B***** die auf der Rückbank liegende Plastikabdeckung hochhob (US 14 f),

keineswegs in sich widersprüchlich.

Die Kritik an der tatrichterlichen Begründung, soweit sie Widersprüche in den Aussagen von Evgenij S***** und Alexej B***** aufzeigt (US 19 f), wendet sich einmal mehr nicht gegen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, sondern bekämpft isoliert die Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zur Glaubwürdigkeit der genannten Angeklagten.

Weiters sieht der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch der auf den zeitlichen Ablauf bei der Suchtgiftübergabe abstellenden Erwägungen der Tatrichter, weshalb sie nicht davon ausgingen, dass Andreas Ba***** das Suchtgift von Evgenij S***** und Alexej B***** unbemerkt– allenfalls im Fahrzeug versteckt – über die Grenze transportiert und aus dem Versteck ausgebaut habe (US 35).

Seine Argumentation lässt jedoch außer Betracht, dass die Tatrichter dabei nicht nur – wie der Beschwerdeführer – die erforderliche Zeit für die Montage, sondern auch jene für die Demontage der Rückenlehnenabdeckung in Anschlag brachten (US 35 iVm US 34).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die bereits im Rahmen der Mängelrüge vorgebrachten Bedenken gegen die Entnahme der Drogen bei Entfernen (nur) der oberen Abdeckung der Rückenlehne des Beifahrersitzes wiederholt und sich im Übrigen mit eigenen Erwägungen gegen die Feststellungen des Gerichts zum Suchtgiftversteck wendet, verfehlt sie den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erneut schon mangels Bekämpfung von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen. Zudem ist die Behauptung, die Tatrichter seien davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer und Evgenij S***** Andreas Ba***** unterstellt hätten, dass er die Drogen in der Beifahrerrückenlehnenverkleidung versteckt habe, urteilsfremd (US 35).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Evgenij S*****:

Indem die Mängelrüge (Z 5) unter Hervorhebung einzelner, aus dem Zusammenhang gelöster Erwägungen der Tatrichter – teils mit eigenen Spekulationen zu diesen – eine „Scheinbegründung“ sowie eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Wissen des Beschwerdeführers über den Transport des Suchtgifts in dem von ihm gelenkten Pkw (US 12 f) behauptet, ohne auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (insbesondere US 18 bis 26, US 31 bis 36) einzugehen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0119370).

Soweit sie eine „unzureichende“ Begründung „der Tatsachen, dass andere Personen bei diesem Drogengeschäft involviert waren bzw. dass das Suchtgift anderen Personen gehört“, einwendet, geht sie daran vorbei, dass zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels

konkret auf jene – tatsächlich getroffenen – Feststellungen Bezug genommen werden muss, auf die sich dieser beziehen soll (RIS-Justiz RS0130729).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Diesen Bezugspunkt verfehlt die Beschwerde, indem sie Passagen der in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO), in ihrer Gesamtheit von den Tatrichtern ohnedies berücksichtigten Aussagen der Angeklagten Stefan H*****, Andreas Ba***** und Alexej B***** nicht gegen konkrete Feststellungen über entscheidende Tatsachen, sondern isoliert gegen die Glaubwürdigkeit der Angeklagten Stefan H***** und Andreas Ba***** ins Treffen führt.

Soweit die Tatsachenrüge geltend macht, aus der Lichtbildbeilage des Sachverständigengutachtens DI Wolfgang Ha***** (ON 111 S 3 und 5) gehe hervor, dass dessen „Versuchsobjekt“ nicht dem tatsächlichen „Suchtgiftpaket“ entsprochen habe, lässt sie keinen Bezug zu Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen erkennen.

Auch das Vorbringen, das Erstgericht hätte „diese Unterschiedlichkeit“ im Sinn der „Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit“ aufgreifen müssen, bleibt unverständlich. Hinzugefügt sei, dass eine Tatsachenrüge, die das Fehlen amtswegiger weiterer Beweisaufnahmen moniert, darzutun hat, wodurch der Angeklagte an einer darauf abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert war (RIS‑Justiz RS0114036 und RS0115823).

Der sogenannte Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) ist der Beschwerdeansicht zuwider nicht Gegenstand der Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0102162).

Die „Erläuterungen warum das Erstgericht zu Unrecht von einer leugnenden Verantwortung des Angeklagten Evgenij S***** ausgeht“ orientieren sich nicht an den Kriterien der Nichtigkeitsgründe.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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