European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00005.19W.0305.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas R***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er am 1. April 2018 in K*****
(1) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen und von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er die am ***** geborene E***** Y***** an ihrer unbekleideten Vagina betastete und sie aufforderte seinen entblößten Penis zu berühren, was sie auch tat;
(2) durch die unter (1) beschriebene Tat an der dort Genannten, die seiner Aufsicht als Skilehrer unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 fünfter Fall liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431). Ein solches
Fehlzitat spricht die Beschwerde mit dem Einwand, die Feststellung, wonach der Angeklagte das Tatopfer mit seiner Hand direkt im Genitalbereich betastete, stehe im Widerspruch zum Akteninhalt, weil E***** Y***** stets nur von einer Berührung im Zuge des Anziehens gesprochen habe, gar nicht an (vgl im Übrigen US 4). Aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden insoweit als Anfechtungsbasis aus (zum Ganzen vgl RIS‑Justiz RS0099431 [insb T15, T16]).
Mit dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Urteilsannahmen, nach denen der Beschwerdeführer die Tathandlungen „in sexueller Erregung“ setzte und „sich auch sicher war, dass das Mädchen seiner Aufforderung, sein Glied zu berühren, nachkommen würde“, spricht die Mängelrüge keine entscheidende Tatsache an
(RIS‑Justiz RS0117499). Voraussetzung für die vorgenommene rechtliche Beurteilung nach § 207 Abs 1 und § 212 Abs 1 Z 2 erster Fall StGB ist nämlich der objektive Sexualbezug, nicht aber eine sexuelle Tendenz des Täters (RIS‑Justiz RS0113816). Dessen Einschätzung der Erfolgsaussichten seines Vorhabens, eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person an sich vornehmen zu lassen, ist dabei gleichfalls irrelevant.
Die Konstatierungen zum objektiven Sexualbezug und zur subjektiven Tatseite hat das Erstgericht im Übrigen– den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend – aus dem objektiven Täterverhalten abgeleitet (vgl dazu RIS‑Justiz RS0116882).
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf Passagen aus den – vom Erstgericht umfassend erörterten (US 7 ff) – Aussagen des Angeklagten und des Tatopfers verweist und den Überlegungen der Tatrichter gegenteilige Ansichten, eigene Beweiswert- und allgemeine
Plausibilitätserwägungen gegenüberstellt, weckt sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780), sondern übt bloß unzulässig
Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst (ausreichende) Feststellungen „zur Erheblichkeitsschwelle im Hinblick auf Bedeutung, Intensität und Dauer“ der dem Angeklagten vorgeworfenen „Handlung“, ohne dabei – wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit allerdings erforderlich (RIS‑Justiz RS0099810) – an der Gesamtheit der Urteilsannahmen Maß zu nehmen. Danach suchte der Angeklagte gemeinsam mit dem 8‑jährigen Tatopfer eine Kabine der Herrentoilette auf, ließ die Unmündige dort ihre Notdurft verrichten, fuhr im Zuge des Hochziehens ihrer Hose mit der Hand unter ihre Unterhose und betastete sie sodann– keineswegs flüchtig oder ungewollt – direkt im Genitalbereich, wie er es von Beginn an geplant hatte. Nachdem in der Folge auch er selbst seine Notdurft verrichtet hatte, drehte er sich mit entblößtem Glied zu E***** Y***** um, forderte sie auf, dieses zu berühren und führte ihre Hand in Richtung seines Genitals, welches die Genannte daraufhin tatsächlich kurz berührte (US 3).
Aus welchem Grund
darin keine geschlechtlichen Handlungen im Sinn der §§ 207 und 212 StGB zu erblicken sein sollten und welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für die rechtsrichtige Subsumtion erforderlich gewesen wären, sagt die Beschwerde nicht (vgl im Übrigen RIS‑Justiz
Soweit sie unter Berufung auf die Aussagen des Tatopfers die Auffassung vertritt, es müsse von „einer bloß flüchtigen Berührung ausgegangen werden“, entfernt sie sich erneut prozessordnungswidrig vom Urteilssachverhalt.
Die gegen die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts auch nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) leitet – wie die zitierte
Kommentarstelle ( Leukauf/Steininger/Tipold StGB 4 § 212 Rz 23) – nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund auch der (zusätzliche) Unwert der Ausnützung einer Autoritätsstellung „durch die Subsumtion des Sachverhalts unter § 207 Abs 1 StGB erfasst“, § 212 Abs 1 Z 2 StGB daher von der strafbaren Handlung des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB infolge Scheinkonkurrenz (
Konsumtion) verdrängt werden sollte (vgl dagegen RIS‑Justiz RS0090725; Philipp in WK² StGB § 207 Rz 26 mwN; Hinterhofer, SbgK § 207 Rz 58 mwN).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (
implizit erhobene) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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