OGH 6Nc22/18i

OGH6Nc22/18i6.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj R***** P*****, AZ 16 Ps 113/18t des Bezirksgerichts Liezen, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060NC00022.18I.1206.000

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit für diese Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Liezen an das Bezirksgericht Mistelbach wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

Da sich die 2003 geborene Minderjährige, für die die Obsorge zur Gänze dem Kinder- und Jugendhilfeträger Land Salzburg (Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau) zusteht, zuletzt im Sprengel des Bezirksgerichts Liezen (seinerzeit des Bezirksgerichts Irdning) aufhielt, wurde die Zuständigkeit für das Pflegschaftsverfahren gemäß § 111 JN im Jahr 2006 vom Bezirksgericht St. Johann im Pongau auf das Bezirksgericht Irdning übertragen. Infolge der Auflösung dieses Gerichts mit 1. 7. 2013 (§§ 1, 4 BGBl II 2012/243) ist jetzt das aufnehmende Bezirksgericht Liezen zuständig.

Das Bezirksgericht Liezen übertrug mit rechtskräftigem Beschluss die Zuständigkeit für die Pflegschaftssache gemäß § 111 JN dem Bezirksgericht Mistelbach mit der Begründung, die Minderjährige halte sich jetzt ständig an einer im Sprengel des Bezirksgerichts Mistelbach gelegenen Adresse auf.

Das Bezirksgericht Mistelbach verweigerte die Übernahme des Akts mit der Begründung, die Minderjährige sei zwar im Bezirk Mistelbach gemeldet, halte sich aber seit einem Jahr im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling auf, gehe dort in die Schule und habe daher offenbar keinen Nahebezug mehr zum Bezirk Mistelbach.

Das Bezirksgericht Liezen legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die Zuständigkeit „iSd § 47 JN“ vor.

Die Minderjährige ist seit 2011 an einer im Sprengel des Bezirksgerichts Mistelbach gelegenen Adresse hauptgemeldet, seit 2017 an einer im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling gelegenen Adresse nebengemeldet.

Aus der Einvernahme der Minderjährigen vor der Polizeiinspektion Wiener Neustadt am 16. 9. 2018 ergibt sich, dass sie sich in letzter Zeit an verschiedenen Orten in Wien sowie in den Sprengeln der Bezirksgerichte Mödling und Wiener Neustadt aufgehalten hat. Irgendeinen Aufenthalt oder Nahebezug zu Orten im Sprengel des Bezirksgerichts Mistelbach gab die Minderjährige nicht an.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

1. Der vorliegende Fall ist entgegen der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts kein Fall des § 47 JN, sondern des § 111 (Abs 2) JN.

2. In der Regel entspricht es den Interessen des pflegebefohlenen Kindes, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel sein gewöhnlicher Aufenthalt und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RIS‑Justiz RS0047300). Darauf, wo das Kind polizeilich gemeldet ist, kommt es nicht an (vgl 5 Nd 504/93 = RIS‑Justiz RS0047300 [T6]).

Da sich aus dem dargestellten Akteninhalt ergibt, dass die Minderjährige derzeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt und den Mittelpunkt ihrer Lebensführung nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Mistelbach hat, war die Zuständigkeitsübertragung nicht zu genehmigen.

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