OGH 27Ds2/18b

OGH27Ds2/18b6.12.2018

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm sowie die Rechtsanwälte Mag. Stephan Vas und Dr. Eva‑Maria Hausmann als Anwaltsrichter in Gegenwart der AAss. Pelikan als Schriftführerin, in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Juni 2017, AZ D 163/15, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Anna Sauter, des Kammeranwaltstellvertreters Mag. Thomas Steiner und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0270DS00002.18B.1206.000

 

Spruch:

 

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Juni 2017, AZ D 163/15, wurde Rechtsanwalt ***** des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt, weil er ohne sachliche Rechtfertigung mit Schreiben vom 22. Juli 2015 an Rechtsanwalt Dr. Ernst B***** mit der Überprüfung des Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft gedroht hat, falls dessen Klient aufgrund eines vollstreckbaren Kostentitels Exekution wider die Klientin von Rechtsanwalt ***** führen würde.

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde eine Geldbuße von 500 Euro verhängt; des weiteren wurde er zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

Der Disziplinarbeschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis mit einer an die „OBDK“ gerichteten Berufung wegen (der Sache nach) Nichtigkeit, und wegen des Ausspruchs über die Schuld sowie (implizit: § 49 letzter Satz DSt) über die Strafe, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Die in der Berufung geäußerte Kritik am Unterbleiben der Vernehmung des Anzeigers Rechtsanwalt Dr. Ernst B***** bezieht sich weder auf einen entsprechenden Antrag des Disziplinarbeschuldigten in der mündlichen Verhandlung, noch legt sie dar, wodurch der Rechtsanwalt ***** an einer entsprechend sachgerechten Antragstellung in der Disziplinarverhandlung gehindert war. Solcherart entzieht sich das Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0099244, RS0099250, RS0115823).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungswerber begehrte diversionelle Erledigung des Verfahrens ist im DSt nicht vorgesehen. Eine sinngemäße Anwendung der entsprechenden Bestimmung der Strafprozessordnung ist mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens nicht vereinbar (§ 77 Abs 3 DSt).

Weshalb die Feststellungen des Disziplinarrats die rechtliche Annahme einer Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt nicht tragen sollten (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm § 77 Abs 3 DSt), erklärt der Rechtsmittelwerber nicht (vgl RIS‑Justiz RS0099810, RS0116569).

Eine Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) wird Rechtsanwalt ***** den darauf abstellenden Rechtsmittelvorbringen zuwider gar nicht vorgeworfen.

Weshalb gegenüber dem rechtskundigen Disziplinarbeschuldigten eine Anleitungspflicht des Disziplinarrats bestanden haben sollte, bleibt ebenso offen.

Gleichfalls nicht nachvollziehbar ist die in der Berufung vorgebrachte Kritik an der „Zustellung des Protokolls mit der Entscheidung ohne über den Inhalt des Protokolls vorher informiert zu werden“.

Dass bereits Verjährung eingetreten sei (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO, § 77 Abs 3 DSt iVm § 2 DSt), wird vom Disziplinarbeschuldigten neuerlich bloß behauptet und nicht argumentativ aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116569).

Gleiches gilt für den nicht näher substantiierten Einwand, die „unzumutbar lange“ Verfahrensdauer hätte zu einem Freispruch führen müssen.

Das Vorbringen, das Disziplinarverfahren verstoße „aufgrund der Überlänge gegen das Folterverbot“, ist einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Dass „ein willkürlich von der Erkenntnisbehörde zusammengewürfelter Senat“ entschieden habe (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) und keine fixe Geschäftsverteilung existiere (vgl demgegenüber aber § 15 DSt), wird vom Rechtsmittelwerber, der in der Disziplinarverhandlung keine Einwendungen gegen die Senatsbesetzung erhoben hatte, wiederum ohne inhaltliche Ausführungen bloß postuliert.

Mit allgemeinen Überlegungen zur fehlenden EU‑Konformität des Disziplinarverfahrens und der Pflichtmitschaft in der Rechtsanwaltskammer wird ein Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt.

Indem der Disziplinarbeschuldigte seine bisherige Verantwortung wiederholt und die Sachverhaltsannahmen und die Beweiswerterwägungen des Disziplinarrats zum Einlangen des dem Privatbeteiligten zugesprochenen Betrags von 50 Euro auf dem Konto des Privatbeteiligtenvertreters mit eigenen Überlegungen zum Wesen einer Direktanweisung sowie zu den Sorgfaltspflichten und Verhaltensweisen von Rechtsanwälten kritisiert, vermag er weder formelle Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt aufzuzeigen, noch Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken, welcher die den Schuldspruch tragenden Konstatierungen aus den in der Disziplinarverhandlung verlesenen Urkunden erschlossen hat.

Das Beschwerdevorbringen, Rechtsanwalt Dr. B***** habe „Kosten für etwas begehrt die nicht zugestanden wären“ und zu Unrecht eine Exekution angestrebt (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a iVm § 77 Abs 3 DSt), übergeht prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die Feststellungen des Disziplinarrats, wonach mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rechtsmittelgericht vom 22. Juni 2015, AZ *****, die Kosten der Privatbeteiligung mit 219,65 Euro bestimmt worden waren.

Mit der Behauptung, die rechtliche Beurteilung sei „nicht an den Sachverhalt oder die Verfahrensergebnisse angeglichen“ und stelle „eine nicht näher spezifizierbare rechtliche Beurteilung dar, welche offenbar aus einem vorgefertigten Muster eingearbeitet wurde“, wird eine Rechtsrüge nicht gesetzesmäßig zur Darstellung gebracht.

Da eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gemäß § 49 letzter Satz DSt immer auch eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe umfasst, ist die Angemessenheit der über den Disziplinarbeschuldigten verhängten Geldbuße zu prüfen, obwohl die Berufung dazu keine Ausführungen oder Anträge enthält.

Bei der Strafbemessung ging der Disziplinarrat davon aus, dass mildernd die bisherige Unbescholtenheit zu berücksichtigen war; Erschwerungsgründe wurden keine angenommen.

Mit der konkret vorgenommenen Bemessung der Geldbuße wurde – obwohl in der Entscheidung nicht expressis verbis ausgeführt – auch die überlange Verfahrensdauer ausreichend berücksichtigt, denn aufgrund des Rechtsanwalt ***** vorgeworfenen Disziplinardelikts wäre eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro angemessen gewesen. Mit Rücksicht auf die über dreijährige Verfahrensdauer erweist sich die solcherart vorgenommene Reduzierung der Geldbuße um 500 Euro als dem § 34 Abs 2 StGB entsprechend.

Mit Blick darauf bestehen gegen die Höhe der über den Disziplinarbeschuldigten unter Berücksichtigung von dessen Einkommensverhältnissen verhängten Geldbuße keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

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