OGH 15Os94/18i

OGH15Os94/18i21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhold D***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 20. Dezember 2017, GZ 39 Hv 37/16g‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00094.18I.1121.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhold D***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (I.) und des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 12. und 14. August 2014 in R*****, Kroatien, außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich der am 8. Jänner 2003 geborenen Lisa H*****, vorgenommen, indem er sie

I.) an der Brust erfasste und fest zudrückte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine über 24 Tage andauernde Gesundheitsschädigung („Bulimie nervosa“; US 4), zur Folge hatte;

II.) am folgenden Tag (US 4) intensiv an der Scheide betastete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 20. Dezember 2012 gestellten Antrags auf Durchführung eines Ortsaugenscheins am Campingplatz V***** in R***** zum Beweis dafür, dass „dieser Whirlpool so gestaltet ist, dass eine Düse von hinten und eine stärkere Düse direkt von unten kommt“ (ON 71 S 30), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Antrag ließ nämlich nicht erkennen, inwiefern das Beweisthema (die Positionierung der Düsen) mit Blick auf die Aussage der Lisa H*****, wonach Düsen auch am Boden seien, sie aber bei keiner gesessen sei (ON 24 S 11 f), geeignet sein könnte, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0116503 [T9]; RS0116987). Dass „eine Düse auch von unten käme“, hat die Zeugin im Übrigen – entgegen der Behauptung in der Antragsbegründung – in ihrer kontradiktorischen Vernehmung nicht in Abrede gestellt (ON 24 S 11).

Die die Abweisung eines Beweisantrags nach Ansicht des Erstgerichts rechtfertigenden Entscheidungsgründe stehen als solche nicht unter Nichtigkeitssanktion, weshalb die Kritik der Beschwerde an der Begründung des abweisenden Beschlusses ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0116749).

Ob Lisa H***** bei der Verabschiedung der Ehegatten D***** am 14. August 2014 anwesend war oder sich aus Angst vor dem Angeklagten versteckt hielt, betrifft keine erhebliche Tatsache, sodass die betreffenden Aussagen des Angeklagten und seiner Ehefrau nicht erörterungsbedürftig waren (Z 5 zweiter Fall).

Die (in Richtung eines bedingten Vorsatzes getroffenen; vgl aber § 7 Abs 2 StGB) Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Qualifikation des Abs 3 erster Fall des § 207 StGB (US 5) gründeten die Tatrichter– ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungssätze – auf das objektive Tatgeschehen und die Kenntnis des Angeklagten von der psychischen Verfassung des Opfers, wobei sie auch den Umstand erwogen, dass selbst einem medizinischen Laien bewusst sein musste, dass „eine schwere Erkrankung bei Lisa H***** möglich“ war (US 11). Indem die Rüge diese Begründung aufgrund der „speziellen Konstellation des Falls“ als Scheinbegründung kritisiert (Z 5 vierter Fall), zeigt sie keinen Begründungsmangel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf. Dass das Erstgericht das Verhältnis der Lisa H***** zum Angeklagten einmal als Anhänglichkeit (US 9; so auch der Angeklagte ON 43 S 3), an anderer Stelle als Abhängigkeit (US 11) bezeichnet, vermag gleichfalls keine Nichtigkeit zu begründen. Das Vorbringen erweist sich insgesamt bloß als Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.

Die Konstatierungen zu II. stützten die Tatrichter auf die Aussage der Zeugin Lisa H***** im Zusammenhalt mit den eingeholten (aussagepsychologischen und psychiatrischen) Sachverständigengutachten (US 5 ff). Indem die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) die Erwägungen der Tatrichter zur – als nicht überzeugend verworfenen (US 8 f) – Verantwortung des Angeklagten kritisiert, eigenständige Beweiswerterwägungen anstellt und über den (sexuellen) Erfahrungsstand des Tatopfers spekuliert („vielmehr naheliegend“, „bei lebensnaher Betrachtung“), bekämpft sie neuerlich lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts, ohne einen Begründungsmangel aufzuzeigen.

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs‑ und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen (RIS‑Justiz RS0119583).

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe die Beweise einseitig und voreingenommen gewürdigt und dem Angeklagten eine „eigenartige Verteidigungslinie“ vorgeworfen, der Wiederholung dessen Verantwortung, der eigenständigen Interpretation der Aussage der Zeugin Ilse D*****, dem Hinweis auf ein vom Tatopfer (zu Weihnachten 2015) geschicktes E‑Mail mit Weihnachtsgrüßen sowie einer Gegenüberstellung der Aussagen der Zeugin S***** mit jenen der Eltern des Opfers gelingt es der Tatsachenrüge nicht, erhebliche Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu erwecken. Nichts anderes gilt für die vom Rechtsmittel angestellten Spekulationen über das familiäre Umfeld des Opfers und „im Raum stehende körperliche Gewalt gegen Lisa H*****“ als Anlass für die belastenden Aussagen bzw ihre Erkrankung.

Soweit die Beschwerde dem Erstgericht eine Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung durch Unterlassen der Einholung eines Berichts des Jugendamts T***** und der „entsprechenden Unterlagen bei den südafrikanischen Behörden“ vorwirft, macht sie nicht klar, wodurch der anwaltlich vertretene Angeklagte gehindert gewesen wäre, entsprechende Beweisanträge in der Hauptverhandlung zu stellen (RIS‑Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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