OGH 7Ob209/18p

OGH7Ob209/18p21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen C* C* K*, geboren am * 2009, vertreten durch die Mutter Y* K*, beide *, vertreten durch Schneider Rechtsanwalts KG in Wien, Vater B* J*, vertreten durch Mag. Anna‑Maria Freiberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 12. September 2018, GZ 23 R 323/18z‑63, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123496

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 soll nunmehr die Obsorge beider Elternteile (eher) die Regel sein (RIS‑Justiz RS0128811). Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern setzt dabei ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen. Es ist also eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (RIS‑Justiz RS0128812). Zur Herstellung der erforderlichen Gesprächsbasis ist bei ausreichender Aussicht auf Erfolg auch auf die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Mittel des § 107 Abs 3 AußStrG zurückzugreifen (8 Ob 152/17m).

2. Ob eine ausreichende Kommunikationsbasis besteht, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Inwieweit nach Art und Umfang der Kommunikation eine ausreichende Gesprächsbasis für eine gemeinsame Entscheidungsfindung anzunehmen ist, ist nicht verallgemeinerungsfähig. Zuletzt bejahte der Oberste Gerichtshof bei Vorliegen einer sachlichen Kommunikationsebene zwischen den Eltern per E‑Mail oder SMS und bestehender Kooperationsbereitschaft die gemeinsame Obsorge. Betont wurde, dass es nicht auf die Art der Nachrichtenmitteilung ankommt, sondern auf die jeweilige Bereitschaft zum Informationsaustausch (10 Ob 22/16g, 9 Ob 51/16i, 8 Ob 152/17m).

3.1 Gestützt auf die vorgelegten Chatverläufe zwischen den Eltern und die Entwicklung im Verfahren – das Treffen von Kontaktregelungen erfolgte zuletzt ohne Vermittlung durch das Gericht – stellte das Erstgericht für den Obersten Gerichtshof bindend fest, dass es den Eltern, auch wenn fallweise Missverständnisse und Konflikte auftraten, doch möglich war, die Angelegenheiten des Minderjährigen gemeinsam zu regeln. Der Austausch erfolgte überwiegend über E‑Mail, dringende Angelegenheiten besprachen die Eltern per SMS, telefonisch und bei seltenen persönlichen Treffen. Die Mutter gesteht selbst zu, dass eine – wenn auch nach ihrer Ansicht mangelhafte – Kommunikationsebene zwischen ihr und dem Vater besteht.

3.2 Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der Vorinstanzen, das vorhandene Mindestmaß an Gesprächsbasis zwischen den Eltern reiche für eine sinnvolle Ausübung der gemeinsamen Obsorge bereits aus, wobei die gleichzeitig – unbekämpft – angeordnete Elternberatung noch eine weitere Verbesserung der Situation bringen könne, nicht korrekturbedürftig. Diese, durch die Sachverständige auch nicht ausgeschlossene, positive Prognose stützen die Vorinstanzen im Wesentlichen auf die – durch die schon bislang absolvierten Elternberatungen – gezeigte Bereitschaft, die Gesprächsbasis zu verbessern, und die bereits erwähnte Entwicklung während des Verfahrens.

4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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