European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00016.18W.1030.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Bei der Beklagten handelt es sich um eine gemeinnützige GmbH mit dem Geschäftszweig Rettungs‑ und Krankentransporte, Rettungs‑ und Sozialdienste, Ausbildung von Personen oder Gesundheitsdienste, Beteiligungen. Sowohl die Beklagte als auch ihr Dachverband, der Verein *****, sind Mitglieder beim Fachverband der Wirtschaftskammer für das Beförderungsgewerbe.
Der Kläger war vom 3. 6. 2013 bis 4. 1. 2015 bei der Beklagten beschäftigt. Bereits bei Beginn der Tätigkeit war der Kläger ausgebildeter Rettungssanitäter. Im Dienstvertrag wurde festgehalten, „die Tätigkeit des Arbeitnehmers umfasst im Sinn des anzuwendenden Kollektivvertrags Personenbeförderung mit PKW und der mit ihm vereinbarten Tätigkeit“.
Die Beklagte verfügte zur Zeit des Dienstverhältnisses über keine eigenen Fahrzeuge, sie mietete diese vom Dachverband an. Während der Beschäftigung des Klägers hatte sie zwei Krankentransportwägen und zwei Pkws im Einsatz. Bei Bedarf wurden weitere Pkws dazu gemietet.
Ein Krankentransportwagen ist mit Sauerstoffflasche, Defibrillator, Verbandsmaterial, Schiene, Schaufeltrage, Absauggerät, Liege, Sitz‑ und Luftkammer ausgestattet. Er verfügt über Folgetonhorn und Blaulichtanlage und muss mit mindestens zwei ausgebildeten Rettungssanitätern besetzt sein.
Mit den Pkws wurden beispielsweise gehfähige Personen zu Ärzten und Krankenhäusern, Therapien und Kurhäusern gebracht. Im Rahmen solcher Fahrten fallen keine spezifischen gesundheitlichen Betreuungsmaßnahmen an. Die Pkws werden nicht für Notfälle herangezogen. Von den Fahrern sind reine Transportaufgaben zu erfüllen. Sie müssen die Transportierten im Pkw nicht versorgen und nicht als Rettungssanitäter tätig werden. Dem Pkw ist immer nur ein Fahrer zugeteilt, der grundsätzlich keine Sanitäterausbildung haben muss. Die Pkws müssen über keine medizinische Ausstattung verfügen. Es ergab sich jedoch, dass ein Notfallrucksack mit Verbandszeug und Beatmungsbeutel mitgeführt wurde. Als zu einem späteren Zeitpunkt einer der Krankentransportwagen nicht mehr benutzt wurde, wurde auch der Defibrillator in einen der Pkws gegeben. Die Pkws verfügen weder über ein Folgetonhorn noch über eine Blaulichtanlage und sind nicht von Mautgebühren befreit. Auch im Rahmen der Pkw‑Fahrten werden Einsatzprotokolle geführt. Diesen ist auch die Art der Erkrankung des Transportierten sowie die Transportart zu entnehmen. Ein Inkasso erfolgt nicht. Die Fahrten werden entweder gegenüber der Sozialversicherung oder gegenüber Privaten abgerechnet.
Die Beklagte hat mit zehn verschiedenen Krankenversicherungsträgern Verträge über die Durchführung und Honorierung von Krankentransporten und Transporten zu ambulanten Behandlungen von Versicherten und Anspruchsberechtigten. Nach diesen sind die Fahrer verpflichtet, den Transportierten beim Ein- und Aussteigen, auf dem Weg zum Wagen und zur Behandlung behilflich zu sein. Zwischen 2011 und 2014 entfielen bezogen auf den Gesamtumsatz und den Gesamtbetrieb der Beklagten auf den Pkw 13,19 % Privatfahrten. Zur Zeit der Beschäftigung des Klägers verfügte die Beklagte über acht Mitarbeiter, alle ausgebildete Sanitäter, jedoch nicht alle rezertifiziert. Hinsichtlich des Einsatzes der Fahrzeuge besteht keine betriebliche Trennung. 2013 und 2014 betrug der durchschnittliche Umsatz eines Krankentransportwagens im Jahr 56.400 EUR, der eines Pkws 46.800 EUR. Der Aufwand ist bei den Krankentransportwägen höher, diese verursachen daher einen Verlust. Die Pkws stellen sich als kostendeckend dar.
Der Kläger war bezogen auf die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses zu 73 % als Rettungssanitäter am Krankentransportwagen und zu 27 % als Fahrer am Pkw eingesetzt.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 5.774,98 EUR brutto zuzüglich 657 EUR netto an Lohndifferenz. Auf sein Dienstverhältnis sei der gesatzte Kollektivvertrag des Österreichischen Roten Kreuzes 2013 (im Weiteren: KV ÖRK 2013) und nicht der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW (Taxi) (im Weiteren: KV Personenbeförderung) anzuwenden. Die Durchführung von Rettungs‑ und Krankentransporten bildete eine Einheit und sei weder vom Begriff des Taxigewerbes noch von jener des Mietwagengewerbes umfasst, sondern dem Gesundheitswesen zu unterstellen. Selbst wenn man von einem Mischbetrieb ausginge, überwiege die Bedeutung des Rettungs‑ und Krankentransports.
Die Beklagte bestritt und brachte vor, dass auf das Dienstverhältnis des Klägers der KV Personenbeförderung anzuwenden sei. Die Pkws seien jederzeit und für jedermann gegen vorherige Bekanntgabe des Fahrziels anzumieten. Beim Betrieb der Beklagten handle es sich um einen Mischbetrieb. Demnach sei jener Kollektivvertrag anzuwenden, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gelte, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung habe. Im Fall der Beklagten sei dies der Einsatz der Mietwägen.
Die Parteien stellten außer Streit, dass für den Fall der Anwendung des KV Personenbeförderung dem Kläger keine Ansprüche mehr zustehen. Bei Anwendung des KV ÖRK 2013 errechne sich bei Berücksichtigung von Überstunden und Diäten ein Anspruch von 6.431,98 EUR, ohne Einbeziehung der Überstunden und Diäten von 4.410,24 EUR brutto.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, bei der Beklagten liege ein Mischbetrieb ohne organisatorische Trennung in Haupt‑ und Nebenbetrieb und ohne Abgrenzung in Betriebsabteilungen vor. Es sei davon auszugehen, dass die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung in der Durchführung von Krankentransporten mit Pkw ohne medizinische Betreuung liege. Auch beim Transport kranker Menschen gehe es nur um die Beistellung eines Lenkers und eines Kraftfahrzeugs. Damit sei der KV Personenbeförderung anwendbar, weshalb der Kläger keine Ansprüche mehr habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 4.410,24 EUR brutto sA zu zahlen, das Mehrbegehren wies es ab. Darauf, ob die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung der Durchführung von Krankentransporten mit Krankentransportwägen oder Pkws zukomme, komme es nicht an, weil auch die Durchführung von Krankentransporten mit Pkw in den Anwendungsbereich des KV ÖRK 2013 falle und nicht vom Begriff des Mietwagengewerbes umfasst sei. Die Beklagte beschäftige ausschließlich ausgebildete Sanitäter. Die Verrechnung der Krankentransporte erfolge aufgrund einer Vereinbarung mit diversen Sozialversicherungsträgern, die den Lenker des Fahrzeugs auch verpflichteten, den Anspruchsberechtigten beim Ein‑ und Aussteigen und am Weg vom Fahrzeug zur Behandlungsstelle und umgekehrt behilflich zu sein. Es wäre der Rechtssicherheit wenig zuträglich, würde jede leicht durchführbare Veränderung der Zusammensetzung des Fuhrparks der mit dem Transport Kranker und in ihrer Gehfähigkeit mehr oder weniger eingeschränkten Personen befassten Unternehmen zu einer Änderung des anzuwendenden Kollektivvertrags führen. Damit würden beide Betriebsteile dem KV ÖRK 2013 unterliegen. Soweit Privatfahrten bzw Transporte von Gegenständen durchgeführt würden, mache dies nur 13,19 % des Gesamtumsatzes aus, weshalb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung der Durchführung von Krankentransporten zukomme. Es sei daher auf das Dienstverhältnis des Klägers der KV ÖRK 2013 anzuwenden.
Der Kollektivvertrag 2013 sei auch durch Inkrafttreten eines neuen Kollektivvertrags des Österreichischen Roten Kreuzes vom 1. 1. 2014 nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Er sei daher weiterhin in Geltung gewesen und auf das Dienstverhältnis des Klägers anzuwenden. Allerdings könne der Kläger weder Überstunden noch Diäten geltend machen. Ihm stünde daher nur ein Betrag von 4.410,24 EUR brutto sA zu.
Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob der KV Personenbeförderung oder der KV ÖRK 2013 auf Betriebe anzuwenden sei, die Transporte kranker Personen mit normal ausgerüsteten Pkws durchführen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Soweit die Beklagte die unrichtige Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht rügt, kann dies zwar eine Aktenwidrigkeit begründen. Diese ist aber dadurch zu bereinigen, dass der Oberste Gerichtshof seiner rechtlichen Beurteilung die Feststellungen des Erstgerichts zugrunde legt (RIS‑Justiz RS0110055).
2. Mit Bescheid des Bundeseinigungsamts beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 27. 1. 1998 wurde dem Roten Kreuz Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt. Mit Verordnung des Bundeseinigungsamts wurde in der Folge der Kollektivvertrag des Österreichischen Roten Kreuzes 2009 zur Satzung erklärt (BGBl II 2010/203), ebenso der Kollektivvertrag des Österreichischen Roten Kreuzes 2010 (BGBl II 2011/98). Mit BGBl II 2011/188) erfolgte die Verlautbarung der Satzung der Vereinbarung betreffend die Abänderung des Kollektivvertrags des Österreichischen Roten Kreuzes 2010 mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2011, mit BGBl II 2012/254) die Satzung des Kollektivvertrags betreffend die Abänderung des Kollektivvertrags des Österreichischen Roten Kreuzes ab 1. 1. 2012, mit BGBl II 2013/120) die Satzung des Kollektivvertrags betreffend die Abänderung des Kollektivertrags des Österreichischen Roten Kreuzes ab 1. 1. 2013.
Als Geltungsbereich der Satzung ist jeweils festgehalten:
„§ 1. Die Satzung gilt
a) fachlich: für Anbieter von Rettungs‑ und Krankentransportdiensten, ausgenommen Berg‑, Wasser‑, Höhlen‑, Flugrettung und Rettungshundestaffel:
b) räumlich: Für die Republik Österreich
c) persönlich: Für alle Arbeitgeber/innen im fachlichen Geltungsbereich sowie die von diesen Arbeitgeber/innen im räumlichen Geltungsbereich beschäftigten Arbeitnehmer/innen und Lehrlinge, sofern ihre Arbeitsverhältnisse nicht durch einen gültigen Kollektivvertrag (ausgenommen Kollektivverträge gemäß § 18 Abs 4 ArbVG) erfasst sind.“
3. Die aufgrund § 15 Wirtschaftskammer-gesetz 1998 erlassene Fachorganisationsordnung errichtete in der Sparte „Transport und Verkehr“ unter § 6 unter anderem folgenden Fachverband:
„5. Fachverband für Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen“
Im Anhang 1 findet sich unter Punkt V „Sparte Transport und Verkehr“ folgende Beschreibung des Fachverbands für Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen „Unternehmungen der Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder mit durch die Kraft von Tieren bewegten Landfahrzeugen sowie Kraftfahrzeugeverleihunternehmungen“.
Im KV Personenbeförderung findet sich unter „II. Geltungsbereich“ folgende Regelung:
„2. fachlich:
Für alle Betriebe, welche gewerbsmäßig mittels Pkw
a) das Taxigewerbe ausüben und Mitglied des Fachverbands für die Beförderungsgewerbe mit Pkw sind
b) das Mietwagengewerbe ausüben und Mitglied des Fachverbands für das Beförderungsgewerbe mit Pkw sind.“
4. Verfügt ein mehrfach kollektiv-vertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe, so findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung (§ 9 Abs 1 ArbVG). Dies gilt sinngemäß auch dann, wenn es sich um Haupt‑ und Nebenbetriebe oder um organisatorische und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt (§ 9 Abs 2 ArbVG). Liegt eine organisatorische Trennung in Haupt‑ und Nebenbetriebe oder eine organisatorische Abgrenzung in Betriebsabteilungen nicht vor, so findet jener Kollektivvertrag Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat; durch Betriebsvereinbarung kann festgestellt werden, welcher fachliche Wirtschaftsbereich für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat (§ 9 Abs 3 ArbVG).
In der Entscheidung 9 ObA 91/13t hat der Oberste Gerichtshof in ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre festgehalten, dass dann, wenn ein Mischbetrieb im Sinn des § 9 Abs 3 ArbVG vorliegt, ein für die Arbeitnehmer des wirtschaftlich maßgeblichen Betriebsbereichs anzuwendender gesatzter Kollektivvertrag in analoger Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG einen für die Arbeitnehmer des wirtschaftlich ungeordneten Bereichs geltenden Kollektivvertrag verdrängt. Er führte damit die bereits zum Verhältnis von Mindestlohntarif und Kollektivvertrag ergangene Judikatur (vgl RIS‑Justiz RS0126333) fort.
Für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung bietet auch die Revision keine Veranlassung, die nur darauf verweist, dass nach § 19 Abs 2 ArbVG sowie § 18 Abs 3 Z 4 ArbVG der Kollektivvertrag Vorrang vor der Satzung genieße und eine Kollision von Satzung und Kollektivvertrag „im selben fachlichen Geltungsbereich“ ausgeschlossen sei. Argumente gegen die zitierte Judikatur, nach der das gerade nicht für Mischbetriebe gilt, wenn der wirtschaftlich maßgebliche Betriebsbereich einem gesatzten Kollektivvertrag unterliegt, enthält die Revision dagegen nicht.
5. Der Oberste Gerichtshof war bereits mehrfach mit der Satzung des KV ÖRK 2013 befasst. In der Entscheidung 9 ObA 8/13m war die Frage zu klären, ob auch die Durchführung von Rettungs‑ und Krankentransport mit besonders ausgestatteten Rettungswagen als Taxigewerbe bzw Mietwagengewerbe verstanden werden kann. In der Entscheidung wird ausgeführt, dass ein Taxigewerbe schon deshalb nicht vorliege, da die Wägen nicht zu jedermanns Gebrauch bereit gehalten würden. Gegen die Erfassung im Begriff des Mietwagengewerbes spreche der Umstand, dass es nicht nur um die Beistellung eines Lenkers und eines Kraftfahrzeugs gehe, sondern um Krankentransporte, bei denen immer auch ein Rettungssanitäter eingesetzt werde. Diese spezifische, auf gesundheitliche Rettungsmaßnahmen abgestellte Ausrichtung gebe der erbrachten Leistung die wesentliche Prägung. Dies spreche aber dafür, dass Rettungs- und Krankentransporte nicht im Begriff des Mietwagengewerbes im Sinn des Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw (Taxi) erfasst seien.
In der bereits zitierten Entscheidung 9 ObA 91/13t wurde die Frage, ob der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw (Taxis) auch auf Betriebe anzuwenden sei, die Transporte für kranke Personen mit normal ausgerüsteten Pkws (ohne Sonderausstattung) und ohne Begleitung eines Rettungssanitäters durchführen, ausdrücklich offen gelassen. Für die Erfassung von (reinen) Krankentransporten im Begriff des Mietwagengewerbes spreche der Umstand, dass es beim Transport einer bestimmten „kranken“ Person, wie auch bei einer gesunden, nur um die Beistellung eines Lenkers und eines Kraftfahrzeugs gehe, bei der kein Rettungssanitäter eingesetzt werde. Im Gegensatz zu Rettungsdiensttransporten gebe daher beim „normalen“ Krankentransport nicht die spezifische, auf gesundheitliche Rettungsmaßnahmen abgestellte Ausrichtung der erbrachten Leistung die wesentliche Prägung. Dagegen könnte ins Treffen geführt werden, dass auch diese „normalen“ Krankentransporte nur nach ärztlicher Verordnung durchgeführt würden und die Beklagte die Kosten aufgrund einer Vereinbarung mit der Gebietskrankenkasse direkt verrechne.
Aufgrund der überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung der Durchführung an Krankentransporten mit Krankentransportwägen durch die dort beklagte Partei, musste diese Frage jedoch nicht abschließend geklärt werden.
Auch in der Entscheidung 8 ObA 2/18d war der Transport behandlungsbedürftiger Personen mit Transportwägen mit spezieller Ausstattung zu beurteilen, wobei alle Mitarbeiter des Unternehmens ihrer Ausbildung nach Rettungssanitäter waren, weshalb davon ausgegangen wurde, dass der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwägen nicht anwendbar sei.
6. Im vorliegenden Fall werden sowohl Krankentransporte mit Krankentransportwägen durchgeführt als auch die Beförderung Kranker mit normalen PKWs sowie zu einem geringen Prozentsatz sonstige Transporte. Sowohl die Beklagte als auch die Vorinstanzen gehen dazu davon aus, dass es sich beim Betrieb der Beklagten um einen Mischbetrieb im Sinn des § 9 ArbVG handelt.
Auch in der Revision wird nicht bestritten, dass die Transporte mit den Krankenwägen, die von einem Fahrer und einem Sanitäter durchgeführt würden, nicht dem KV Personenbeförderung unterliegen. Sie argumentiert jedoch, dass die Beförderung Kranker in einem normalen Pkw entgegen der Ansicht der Vorinstanzen dem KV Personenbeförderung und nicht der Satzung des KV ÖRK 2013 unterliegt und diesem Teilbereich der Tätigkeit der Beklagten die überwiegende wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
7. Die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung ist danach zu beurteilen, welcher Fachbereich dem Betrieb das wirtschaftliche Gepräge gibt. Dafür kommt es nach der Rechtsprechung nicht nur auf einzelne Aspekte wie etwa Umsatz, Gewinn, Betriebsmitteleinsatz, Ertragskomponenten, Zahl der Arbeitnehmer oder Zusammensetzung des Kundenkreises an. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, in die auch die wirtschaftliche Funktion des einen Fachbereichs für den anderen Fachbereich einzubeziehen ist ( Pfeil in Gahleitner/Mosler , Arbeitsverfassungsrecht [2015] § 9 Rz 22 mwN; 9 ObA 7/12p; 9 ObA 194/90 ua).
Diese Judikatur wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr will die Beklagte, ausgehend davon, dass sie die Pkw‑Fahrten anders als das Berufungsgericht dem Mietwagengewerbe zuordnet, aufgrund der höheren Kilometerleistung und dem kostendeckenden Einsatz der Pkws die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung in der Personenbeförderung sehen.
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Selbst wenn man von der Prämisse ausgeht, dass die Krankentransporte mit Pkw keine Tätigkeit im Sinn des KV ÖRK 2013 darstellen, ist der Aspekt der Tätigkeit, der dem Betrieb der Beklagten „das Gepräge“ gibt, nicht in diesem Teilbereich der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beklagten zu sehen.
Die Beklagte ist ein selbständiger Teil einer Organisation, die in der Öffentlichkeit nicht zuletzt aufgrund ihres Namens als Rettungsdienst wahrgenommen wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass selbst bei der Beförderung mit Pkw sich die Betroffenen an die Beklagte wenden, weil sie davon ausgehen, dass ihre Bedürfnisse aufgrund von Beeinträchtigungen durch Krankheit oder Behinderung von einem „Rettungsdienst“ anders wahrgenommen und berücksichtigt werden. Dem entspricht auch, dass bei der Beklagten sämtliche Mitarbeiter (wenn auch nicht alle rezertifiziert) ausgebildete Notfallsanitäter sind und die Fahrzeuge, mag dies auch nicht vorgeschrieben sein, mit Notfallrucksäcken ausgestattet sind. Die Beklagte nutzt daher auch ihre Kapazitäten aus dem reinen Rettungsdienst für ihr Angebot im Rahmen der Beförderung kranker Personen. Dieser erfolgt auch zu einem wesentlichen Teil in Zusammenarbeit mit diversen Sozialversicherungsträgern, die die Beklagte auch dazu verpflichten, den Transportierten auf dem Weg zum Fahrzeug und zur Behandlungsstelle sowie beim Ein‑ und Aussteigen – in einem gegenüber § 16 Stmk Taxi‑, Mietwagen‑ und Gästewagen‑Betriebsordnung relevant übersteigenden Ausmaß – behilflich zu sein sowie die Kosten des Transports zu übernehmen.
Dazu kommen aber auch die rein wirtschaftlichen Faktoren. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Anwendbarkeit des Kollektivvertrags nicht von der fluktuierenden Auslastung der einzelnen Fahrzeuge abhängig gemacht werden kann. In ihrer Grundausstattung verfügte die Beklagte zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Klägers über zwei Krankentransportwägen und zwei Pkws, die vom Dachverband ständig angemietet waren, wobei (nur) bei Bedarf zusätzliche Fahrzeuge angemietet wurden. Allein von der Grundausstattung war also eine Gleichwertigkeit des Fuhrparks gegeben. Die gefahrenen Strecken variierten sehr stark nach der Auslastung (zwischen 10 % 2011 und 100 % 2014 Überwiegen der Pkw‑Fahrten). Der durchschnittliche Gesamtumsatz war bei den Krankentransportwägen höher, ebenso der Aufwand. Dazu kommt, dass bei den Krankentransportwägen ein höherer Personaleinsatz erforderlich war, weil jeweils zwei Arbeitnehmer zu den Fahrten einzuteilen waren, der Fahrer und ein weiterer Rettungssanitäter, bei den Pkws nur ein Fahrer. Auch darin zeigt sich die große wirtschaftliche Bedeutung der Krankentransporte, auch wenn die Krankentransportwägen überwiegend Verluste erwirtschafteten und nur die Pkws kostendeckend arbeiteten.
Bei der – wie ausgeführt – anzustellenden Gesamtbetrachtung dieser Umstände ergibt sich daher, dass der Einsatz der Krankentransportwägen dem Gesamtbetrieb der Beklagten die wirtschaftliche Prägung gibt. Damit kommt es aber darauf, ob auch der Krankentransport mit normalem Pkw, wie er von der Beklagten durchgeführt wird, dem Anwendungsbereich des gesatzten KV des ÖRK 2013 unterliegt, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, oder dem KV Personenbeförderung, worauf die Revision abzielt, nicht mehr an. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der Revision muss daher nicht weiter eingegangen werden.
Aufgrund des wirtschaftlichen Überwiegens der Krankentransporttätigkeit im engeren Sinn ist daher auf den Gesamtbetrieb der gesatzte KV des ÖRK 2013 anzuwenden.
8. In der Revision wird weiters geltend gemacht, dass die Verordnung über die Erklärung der Vereinbarung betreffend Abänderungen des Kollektivvertrags des Österreichischen Roten Kreuzes beginnend mit BGBl II 2011/288 nicht mehr die bundesländerspezifischen Anhänge als solche, sondern nur mehr die in der Vereinbarung enthaltenen Änderungen zur Satzung erklärte. Damit kämen aber nur die Änderungen des Anhangs zur Anwendung, die jedoch für sich allein keinen Sinngehalt hätten und daher keine taugliche Grundlage für das Klagebegehren bieten würden.
Die Satzungserklärung ist eine Verordnung, während der Inhalt der Satzung immer einem Kollektivvertrag oder einem Kollektivvertragsteil entspricht und daher wie ein solcher zu beurteilen ist. Der Inhalt der kollektivvertraglichen Regelung wird durch die Satzungserklärung nicht verändert (vgl Mosler in Gahleitner/Mosler , Arbeitsverfassungsrecht [2015] § 18 ArbVG Rz 4). Das Wesen der Satzung besteht darin, dass sie den Geltungsbereich eines Kollektivvertrags erweitert. Die dem Gesetz entsprechende Satzung hat also eine ähnliche Wirkung wie die gesetzliche Ausdehnung des Geltungsbereichs des Kollektivvertrags auf nicht kollektivvertragsangehörige Arbeitnehmer eines kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers. Auch für sie gilt er nur als Kollektivvertrag. Die in der Satzung als rechtsverbindlich bezeichneten Bestimmungen des Kollektivvertrags, welche die Satzung bilden, bleiben somit Inhalt des Kollektivvertrags (VfGH V 85/92, V 86/92). Zur Beurteilung der Gültigkeit im Zusammenhang mehrerer aufeinanderfolgender Satzungen im selben Regelungsbereich ist daher ganz allgemein wie im Verhältnis zweier oder mehrerer normativer Teile von Kollektivverträgen der allgemeine Grundsatz der Normenkonkurrenz anzuwenden, sodass der Abschluss eines Kollektivvertrags oder die Änderung von Kollektivvertragsbestimmungen durch einen neuen Kollektivvertrag den schon bestehenden Kollektivvertrag in diesem Bereich außer Kraft setzen (vgl RIS‑Justiz RS0051025). Dies führt dazu, dass durch die Satzung der Änderungen eines Kollektivvertrags diese Änderungen zwar den materiell widersprechenden Normen des früher gesatzten Kollektivvertrags vorgehen, jedoch die übrigen Bestimmungen unberührt bleiben. Damit kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dass die Änderungen für sich allein zu betrachten sind und als solche sich vielleicht sinnentleert darstellen, vielmehr ist der Gesamtkollektivvertrag unter Berücksichtigung der Änderungen zu beurteilen und wirksam.
Insofern ist der vorliegende Fall nicht mit dem in der Revision angesprochenen Sachverhalt, dass nicht einzelne aus dem unmittelbaren rechtlichen Sachzusammenhang gelöste Bestimmungen gesatzt werden dürften, weil dies zu einer Verfälschung des Vertragswillens der Kollektivvertragsparteien führen könnte, vergleichbar. Es bestehen daher aus diesem Grund auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Inhalt des Kollektivvertrags wegen mangelnder Konnexität der zu satzenden Bestimmungen.
9. Die Beklagte regt weiters eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofs an, weil nach § 18 Abs 3 Z 1 bis 4 ArbVG ein Kollektivvertrag oder ein Teil eines solchen nur dann zur Satzung erklärt werden dürfe, wenn die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse nicht schon durch einen Kollektivvertrag erfasst seien. Dies treffe aber auf die Beförderung kranker Personen mit Pkw jedenfalls zu. Daher hätte der KV des ÖRK 2013 nicht zur Satzung erklärt werden dürfen.
Auch diese Argumentation ist jedoch nicht geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken zu erwecken. Auch die Beklagte behauptet nicht, dass der Transport von kranken Personen mit Krankentransportwägen dem KV Personenbeförderung unterliegt oder sonst ein Kollektivvertrag dafür anwendbar wäre. Damit war die Satzung des KV des ÖRK 2013 jedenfalls nicht gesetzwidrig. Die Anwendbarkeit dieses Kollektivvertrags auf die Beklagte ergibt sich nur aus der analogen Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG.
Der Anregung der Beklagten, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, war daher nicht zu folgen.
10. In der Revision wird weiters geltend gemacht, dass die Satzung des Kollektivvertrags 2013 mit der Wirksamkeit des Kollektivvertrags 2013 befristet sei. Durch das Inkrafttreten des Kollektivvertrags 2014 sei jedoch dem Kollektivvertrag 2013 materiell derogiert worden, dieser sei somit aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.
Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Abschluss eines neuen Kollektivvertrags grundsätzlich keinen Endigungsgrund für einen alten Kollektivvertrag darstellt. Es kann jedoch zur Normenkonkurrenz kommen und damit zur materiellen Derogation des alten Kollektivvertrags (vgl Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch , ArbVG § 17 Rz 4). Im konkreten Fall haben die Kollektivvertragsparteien allerdings 2014 nur punktuelle Änderungen des Kollektivvertrags 2013 beschlossen. In der Schlussbestimmung (Art XI.) der Vereinbarung wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Wirksamkeit der nicht abgeänderten Teile des ÖRK‑Kollektivvertrags samt Anlagen dadurch nicht beeinträchtigt wird, die Weitergeltung also ausdrücklich angeordnet.
11. Auf das konkrete Arbeitsverhältnis ist daher der KV des ÖRK 2013 anzuwenden. Gegen die Höhe des vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrags wendet sich die Revision nicht.
Der Revision war daher insgesamt nicht Folge zu geben.
12. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, wobei als Bemessungsgrundlage nur das Revisionsinteresse heranzuziehen war.
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