OGH 14Os101/18m

OGH14Os101/18m9.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Aleksandar F***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Wolfgang Fr***** und Vedran M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 17. Juli 2018, GZ 38 Hv 39/18a‑57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00101.18M.1009.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Fr***** und M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Wolfgang Fr***** und Vedran M***** (zu I) je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, Ersterer überdies je eines Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (II/A) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II/B) schuldig erkannt.

Danach haben in V***** und an anderen Orten

(I) Wolfgang Fr***** und Vedran M***** im einverständlichen Zusammenwirken mit dem unter einem rechtskräftig verurteilten Milan J***** am 11. Mai 2018 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 5.794,9 Gramm Kokain (Reinsubstanz 4.670 Gramm Cocain), einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts um einen Kaufpreis von 360.000 Euro überlassen;

(II) Wolfgang Fr*****

...

B) von 2004 bis zum 11. Mai 2018 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain, beinhaltend den Wirkstoff Cocain, erworben und zum Eigenkonsum besessen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch II/B richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit b StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fr*****. Vedran M***** bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Beiden Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fr*****:

Die Kritik der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), die Feststellungen zu Erwerb und Besitz von (den Wirkstoff Cocain beinhaltendem) Kokain zum Eigenkonsum (US 4 iVm US 2) würden nur auf einer „hypothetischen, nicht näher ausgeführten Annahme durch das Gericht“ beruhen (Z 5 vierter Fall), erklärt nicht, weshalb die – auf die insoweit geständige Verantwortung des Angeklagten gestützten – Erwägungen der Tatrichter (US 7) den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten (RIS-Justiz RS0118317).

Mit dem Verweis auf genau diese – von der Beschwerde verkürzt wiedergegebene – Einlassung des Beschwerdeführers, der in der Hauptverhandlung (richtig:) Kokainkonsum in dem von der Anklage umfassten Zeitraum („ab einem noch festzustellenden Zeitraum bis zum 11. Mai 2018“; ON 4 S 2) eingeräumt und dessen Beginn vor etwa vierzehn Jahren angesetzt hatte (ON 56 S 19), vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Welche zusätzlichen Beweisaufnahmen in diesem Zusammenhang erforderlich gewesen wären und wodurch der Angeklagte an entsprechender

Fragestellung oder darauf gerichteter Antragstellung gehindert war, erklärt die weitere (nach Art einer Aufklärungsrüge ausgeführte) Beschwerde nicht (vgl RIS‑Justiz RS0115823).

Soweit sie Feststellungen zum „konkreten (Tat‑)Zeitraum“ vermisst (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), vernachlässigt sie prozessordnungswidrig die entsprechenden Urteilsannahmen (erneut US 4 iVm US 2; RIS‑Justiz RS0099810). Aus welchem Grund es zur vorgenommenen Subsumtion Konstatierungen zur Menge des erworbenen und besessenen Suchtgifts bedurft hätte, obwohl § 27 Abs 1 SMG keine Mindestmengen vorsieht, erklärt sie nicht (RIS‑Justiz RS0116565).

Mit Spekulationen zu einem bereits drei Jahre zurückliegenden letztmaligen Kokainkonsum des Angeklagten und einer daraus resultierenden Verjährung der Tathandlungen argumentiert die Rechtsrüge (Z 9 lit b) nicht auf Basis der Gesamtheit des festgestellten Sachverhalts („bis zum 11. Mai 2018; US 4) und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (erneut RIS‑Justiz RS0099810).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:

Dem Vorwurf von Unvollständigkeit (

Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit der – Kenntnis der Details des geplanten Suchtmittelgeschäfts leugnenden („sein Wissen klein redenden“) – Verantwortung des Angeklagten beweiswürdigend auseinandergesetzt und die Feststellung, nach der er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, anderen Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (mehrfach) übersteigenden Quantität zu überlassen (US 5), darauf gestützt, dass er – seinen weiteren Angaben zufolge – (mittelbar) den Kontakt zu den Suchtgiftlieferanten herstellte (US 4), aus Angst vor den „Hintermännern“ vielfältige Sicherheitsvorkehrungen traf und in die Überprüfung des (beim Verkauf lukrierten) Bargelds involviert war (US 6, 8).

Einer gesonderten Erörterung einzelner –

von der Beschwerde relevierter – Details der Aussage (etwa, dass er „nie über eine Menge gesprochen und das Suchtgift auch zu keinem Zeitpunkt gesehen oder sonst etwas damit zu tun gehabt“ habe) bedurfte es daher nicht (RIS‑Justiz RS0098642 [T1]). Mit Blick auf die eben wiedergegebenen Erwägungen des Erstgerichts stehen diese auch gar nicht im erörterungsbedürftigen Widerspruch zu den kritisierten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite.

Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang hervorhebt, dass der Angeklagte auch nach den Urteilsannahmen „nur ein weiteres Rädchen im Getriebe war“ (US 8), bezieht sie sich nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse und macht damit den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund der Z 5 zweiter Fall nicht geltend.

Mit dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Negativfeststellungen zu einer unzulässigen Tatprovokation des Angeklagten Fr***** (§ 5 Abs 3 StPO) spricht die Mängelrüge keine für die den Beschwerdeführer betreffende Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz

RS0117499). Sie übersieht nämlich, dass Verfolgungshindernisse – sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt – nur für denjenigen Täter wirken, bei dem sie vorliegen ( Fabrizy in WK² StGB § 13 Rz 3). Jenes des (hier in Frage kommenden) § 133 Abs 5 StPO, für das eine derartige Ausnahme nicht normiert ist, käme dem Beschwerdeführer daher nur im Fall einer ihn selbst betreffenden Beeinflussung durch eine Ermittlungsbehörde (hier: im Wege einer Vertrauensperson oder eines verdeckten Ermittlers) – allenfalls nach Art einer (Ketten‑)Bestimmung im Sinn des § 12 zweiter Fall StGB (RIS-Justiz RS0089581)  – zugute (vgl RIS-Justiz RS0130354 [T3]), was die Rüge gar nicht behauptet.

Davon abgesehen haben sich die Tatrichter mit der (in der Hauptverhandlung erstmals gewählten) Verantwortung des Angeklagten Fr*****, er sei durch eine Vertrauensperson und einen verdeckten Ermittler der Polizei zur Tat provoziert worden, auseinandergesetzt und – entgegen dem Vorwurf bloßer „Scheinbegründung“ – logisch und empirisch einwandfrei dargelegt, aus welchen Gründen sie zur Überzeugung gelangten, dass vielmehr der Genannte selbst auf der Suche nach einem Suchtgiftkäufer war und das inkriminierte Geschäft durch Kontaktaufnahme mit einem – nunmehr als Vertrauensperson der Polizei tätigen – früheren Bekannten initiierte (US 4, 7).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen zur Menge des anderen überlassenen Suchtgifts, argumentiert dabei aber prozessordnungswidrig nicht auf Basis der Gesamtheit des Urteilssachverhalts indem sie den (hinreichend deutlich auf den Urteilstenor [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO] bezogenen) Verweis auf „das obgenannte Suchtgift“ (US 5) zwar zitiert, aber nicht darlegt, aus welchem Grund dieser für die vorgenommene Subsumtion nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nicht ausreichen sollte

(vgl RIS-Justiz RS0098936 [T15]), und zudem die weiteren diesbezüglichen Urteilsannahmen (US 4 f, 8) vernachlässigt. Solcherart verfehlt auch sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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