OGH 9ObA96/18k

OGH9ObA96/18k27.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat des Landeskrankenhauses *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, Hofgasse 15, 8011 Graz‑Burg, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2018, GZ 7 Ra 1/18y‑16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. September 2017, GZ 25 Cga 14/17s‑12, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00096.18K.0927.000

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben und

in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts dahin abgeändert wird, dass es lautet:

„Es wird festgestellt, dass die Vorrückungsstichtage der von der beklagten Partei im Landeskrankenhaus ***** beschäftigten Ärzte im Fall ihrer Bestellung zum Oberarzt nicht neu festgesetzt werden.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.636,28 EUR (darin 939,38 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz, die mit 2.068,32 EUR (darin 344,72 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zweiter Instanz und die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit 1. 1. 2015 trat für die bei der Beklagten beschäftigten Ärzte ein neues Entlohnungsschema in Kraft („SI‑Vereinbarung NEU“). Durch dieses neue Schema sollte der durch die ebenfalls mit 1. 1. 2015 in Kraft getretene Novelle zum KA‑AZG entstehende Einkommensnachteil zufolge Reduktion der Wochenarbeitszeit bzw Wegfalls von Nachtdiensten ausgeglichen werden. Unter anderem wurde auch neu festgelegt, dass nicht mehr alle Fachärzte automatisch auch Oberärzte sind. Im Zuge der Gestaltung des neuen Gehaltsschemas wurde bewusst eine neue Funktionsgruppe „Oberarzt“ geschaffen, um jungen, engagierten, sozial kompetenten Ärzten die Möglichkeit zu geben, vorzeitig in diese auch mit einem höheren Gehalt verbundene Funktion aufzusteigen. Diese „jungen Oberärzte“ machen innerhalb der für die Fachärzte vorgesehenen Funktionsgruppe SI/4 einen großen Gehaltssprung in Form einer außerordentlichen Vorrückung; den Oberärzten steht nämlich sofort ein Gehalt der Entlohnungsstufe 5 (6.377 EUR brutto) zu. Nach dem Standpunkt der Beklagten wird dadurch aber ein neuer Vorrückungsstichtag ausgelöst, an den dann wieder die zweijährigen Vorrückungen im Entlohnungsschema anknüpfen.

Die „SI‑Vereinbarung NEU“ („SI“ = Schema I), die zwischen dem beklagten Land und der Steiermärkischen Krankenanstalten GmbH (KAGes) als Dienstgeber einerseits und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Ärztekammer für Steiermark und dem Zentralbetriebsrat der KAGes als Vertreter der Spitalsärzte andererseits abgeschlossen wurde, normiert unter anderem Nachstehendes:

§ 3

Einteilung der Spitalsärztinnen/Spitalsärzte

Die Spitalsärztinnen/Spitalsärzte werden in nachstehende Funktionsgruppen eingeteilt:

1. Turnusärztinnen/Turnusärzte, das sind […]

2. Stationsärztinnen/Stationsärzte, das sind […]

3. Assistenzärztinnen/Assistenzärzte, das sind […]

4. Fachärztinnen/Fachärzte, das sind Ärztinnen/Ärzte, die die fachärztliche Ausbildung absolviert haben, als Fachärztinnen/Fachärzte mittels Facharztdekret anerkannt wurden und fachärztlich verwendet werden.

5. Oberärztinnen/Oberärzte, das sind Fachärzte, die im Regelfall zumindest drei Jahre als Fachärztin/Facharzt tätig sind und bei Erfüllung des Kompetenzlevelkatalogs auf Antrag der Abteilungsleiterin/des Abteilungsleiters unter Einbindung der an der Abteilung bereits tätigen Oberärztinnen/Oberärzte zur Oberärztin/zum Oberarzt ernannt werden.

Jede Fachärztin/Jeder Facharzt wird spätestens acht Jahre nach Anerkennung zur Fachärztin/zum Facharzt zur Oberärztin/zum Oberarzt ernannt.

6. Funktionsoberärztinnen/Funktionsoberärzte[…]

 

7. Geschäftsführende Oberärztinnen/Oberärzte [...]

 

8. Departmentleiterinnen/Departmentleiter […]

§ 5

Monatsentgelt

Das Monatsentgelt der Ärztin/des Arztes wird durch das Entlohnungsschema und die Entlohnungsstufe bestimmt. Das aktuelle Monatsentgelt ist den jeweils aktuellen Gehaltsansätzen zu entnehmen.

Mit dem Ziel, im Bedarfsfall zielgerichtete Anreize für eine ärztliche Funktionsgruppe setzen zu können, werden die ärztlichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter im Entlohnungsschema wie folgt eingereiht:

 

SI/1 Turnusärztinnen/Turnusärzte

[…]

In der Funktionsgruppe Sl/1 werden auch Assistenzärztinnen/Assistenzärzte eingereiht, die mangels Vorhandensein einer genehmigten Ausbildungsstelle nicht die Ausbildung in einem Sonderfach beginnen können sowie approbierte Ärztinnen/Ärzte.

 

SI/2 Assistenzärztinnen/Assistenzärzte

[…]

 

SI/3 Stationsärztinnen/Stationsärzte

[…]

In der Funktionsgruppe SI/1 werden auch Zahnärztinnen und Zahnärzte eingereiht, die über ein abgeschlossenes Studium der Zahnmedizin verfügen und entsprechend verwendet werden.

 

SI/4 Fachärztinnen/Fachärzte

Schema:

Stufe:

Euro:

SI/4

1

4.836,00

SI/4

2

4.971,00

SI/4

3

5.106,00

SI/4

4

5.242,00

SI/4

5

6.377,00

SI/4

6

6.512,00

SI/4

7

6.647,00

SI/4

8

6.782,00

SI/4

9

6.917,00

SI/4

10

7.053,00

SI/4

11

7.188,00

SI/4

12

7.323,00

SI/4

13

7.493,00

SI/4

14

7.641,00

SI/4

15

7.799,00

SI/4

16

7.962,00

SI/4

17

8.133,00

SI/4

18

8.311,00

SI/4

19

8.495,00

   

 

§ 6

Vorrückungen, Mindesteinstufungen

(1) Die Ärztin/Der Arzt rückt innerhalb der Funktionsgruppe nach jeweils zwei Jahren nach Maßgabe des jeweils ermittelten Vorrückungsstichtages in die nächsthöhere Entlohnungsstufe vor.

(2) Für die Einreihung in die Funktionsgruppen kommen die Bezug habenden Bestimmungen des Stmk. L‑DBR zur Vordienstzeitenanrechnung zur Anwendung.

(3) Bei einem Wechsel in eine andere Funktionsgruppe wird die Einreihung in die neue Funktionsgruppe so vorgenommen, dass die Ärztin/der Arzt keinen Verlust im Vergleich zum in der bisherigen Funktionsgruppe bezogenen Monatsentgelt erleidet. Dies gilt nicht für einen Wechsel von SI/4 in die Funktionsgruppe SI/1, SI/2 und SI/3.

[…]

(6) Mit Bestellung zur Oberärztin/zum Oberarzt gebührt mindestens die Einstufung in SI/4‑5. Die Einreihung in eine höhere Stufe kann sich bei neu einzustellenden Ärztinnen/Ärzten aufgrund der Anrechnung der in einer Tätigkeit als Fachärztin/Facharzt bereits geleisteten einschlägigen Vordienstzeiten ergeben.

[…]

(10) Die Vorrückungen/Überstellungen im Sinne der Absätze (2, 3 und 5) sind von den Ärztinnen/Ärzten zu beantragen.

Der Dienstgeber hat diese Vorrückungen nach Maßgabe seiner Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen jedenfalls auch von sich aus durchzuführen, wenn die Ärztin/der Arzt keinen Antrag gestellt hat.

Der Ärztin/Dem Arzt gebührt die Vorrückung ab dem Antrag folgenden Monatsersten, längstens vier Monate rückwirkend, wenn das Versäumnis dem Dienstgeber zuzurechnen ist, längstens drei Jahre rückwirkend.

...“

 

Der klagende Betriebsrat des Landeskrankenhauses *****, begehrt iSd § 54 Abs 1 erster Satz ASGG die Feststellung, „dass die Vorrückungsstichtage der von der beklagten Partei im Landeskrankenhaus ***** beschäftigten Ärzte im Fall ihrer Bestellung zum Oberarzt nicht neu festgesetzt werden und eine Anrechnung der Vordienstzeiten unter Beibehaltung des ursprünglichen Vorrückungsstichtags zu erfolgen hat“. Die Beklagte vertrete die Ansicht, dass die Bestellung zum Oberarzt zu einer Änderung des Vorrückungsstichtags führe und durch die Neufestsetzung des Stichtags die neu bestellten Oberärzte erst nach zwei Jahren wieder das nächste Mal vorrücken. Damit rückten diese erst später in eine neue Entlohnungsstufe vor, was sich nachteilig auf ihre Entlohnung auswirke. Aufgrund der unrichtigen Handhabung durch die Beklagte und die damit einhergehenden Lohnverluste bestünde ein Interesse des Klägers iSd § 228 ZPO an der begehrten Feststellung. Dass bei Bestellung zum Oberarzt eine Neufestsetzung des Stichtags zu erfolgen hätte, lasse sich weder den Bestimmungen der SI‑Vereinbarung NEU noch jenen des

Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L‑DBR) entnehmen. Außerdem sei der Rechtsstandpunkt der Beklagten – aus vom Kläger näher dargelegten Gründen – gleichheitswidrig.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. In Entsprechung der bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags anzuwendenden Bestimmungen des Stmk L‑DBR werde mit der Bestellung zum Oberarzt ein neuer Vorrückungsstichtag ausgelöst. Die von der gegenständlichen Klage betroffenen Ärzte fielen nämlich in den Anwendungsbereich der Bestimmung des § 256a Stmk L‑DBR, wonach für die Funktionsgruppe SI/3 bzw SI/4 nur einschlägige Vordienstzeiten zu berücksichtigen seien. Der bisherige Vorrückungsstichtag beruhe auf Vordienstzeiten, die in keinem Zusammenhang mit der neuen Einstufung stünden. Ein finanzieller Schaden sei nicht zu erkennen, zumal die ernannten Oberärzte mit der am 1. 1. 2015 durchgeführten Neueinstufung einen massiven Gehaltssprung gemacht hätten. Eine Gleichheitswidrigkeit liege nicht vor.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt die Klage ab. Zwar sei in der anzuwendenden SI-Vereinbarung NEU die Frage, welcher Stichtag bei außerordentlicher Vorrückung zu gelten habe, nicht ausdrücklich geregelt, doch erscheine es – im Gesamtkontext der Vereinbarung betrachtet – logisch, dass mit so einer außerordentlichen Vorrückung zwangsläufig auch ein neuer Stichtag ausgelöst werde. Worin die vom Kläger im Wesentlichen nur behauptete Ungleichbehandlung liegen solle, sei nicht ersichtlich.

Das Berufungsgericht hob mit dem angefochtenen Beschluss das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zwecks Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Schon nach dem Stufenbau der Rechtsordnung sei die SI‑Vereinbarung NEU nicht geeignet, klare gesetzliche Regelungen zum Nachteil der betroffenen Ärzte zu ändern. Die zwischen den Parteien der SI‑Vereinbarung NEU ausverhandelte Änderung des Entlohnungsschemas für Ärzte habe auch im Stmk L‑DBR aufgrund der Dienstrechts-Novelle 2014 (LGBl 2014/151) seinen Niederschlag gefunden. Gemäß § 190 Abs 5 Z 1 Stmk L‑DBR [idF LGBl 2018/17; Anm] sei bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags „für Vertragsbedienstete bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. des Entlohnungsschemas SI der Entlohnungsgruppe sI/3 und sI/4 sowie des Entlohnungsschemas SII/Gesundheitsberufe § 256a anzuwenden“. Weder im Stmk L‑DBR noch in der SI‑Vereinbarung NEU finde sich eine Regelung dahin, dass die Bestellung eines Facharztes zum Oberarzt aufgrund der Erfüllung des Kompetenzlevelkatalogs vor Ablauf von acht Jahren nach Anerkennung zum Facharzt zu einer Änderung des bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ermittelten Vorrückungsstichtags führe. Ausgehend von ihrem jeweiligen Vorrückungsstichtag stünde den betroffenen Ärzten – ihre ursprünglich richtige Einstufung vorausgesetzt – ein Entgelt in Höhe der Stufe SI/4–5 aber gar nicht zu. Die für Oberärzte geltende Eingangsgehaltsstufe 5 wäre nur eine Wartegehaltsstufe. Daraus folge, dass eine formale Klagsstattgebung nicht zu der vom Kläger mit der Klage angestrebten Vorrückung in die nächste Stufe (SI/4–6) vor Ablauf von zwei Jahren nach Bestellung zum Oberarzt gemäß § 6 Abs 6 SI-Vereinbarung NEU führen könne. Da dieser Aspekt bislang nicht bedacht worden sei, komme eine Entscheidung über das mit der tatsächlichen Intention des Klägers nicht korrespondierende Klagebegehren nicht in Betracht. Dem Kläger werde im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein, ein seinem Rechtsschutzziel entsprechendes Klagebegehren zu formulieren und dazu ergänzendes Vorbringen zu erstatten.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil der Frage der Auslegung der SI‑Vereinbarung NEU eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beizumessen sei.

Gegen den Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der Beklagten mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig. Er ist auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof kann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist. Da im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse das Verschlechterungsverbot nicht gilt (E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 519 Rz 24 mwN), ist gegebenenfalls –  und wie noch zu zeigen sein wird auch hier  – infolge Rekurses der Beklagten ein klagsstattgebendes Urteil zu fällen.

2. Von der gegenständlichen Rechtssache sind unstrittig mehr als drei Arbeitnehmer der Beklagten betroffen. Die Klagslegitimation des Klägers nach § 54 Abs 1 ASGG wurde zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

3. Wann der nächste Vorrückungstermin eines Dienstnehmers ist, ist iSd § 228 ZPO feststellungsfähig (4 Ob 105/60 = JBl 1961, 239). Folglich kann auch ein Feststellungsinteresse nicht in Abrede gestellt werden, dass der jeweilige bisherige Vorrückungsstichtag weitergelte, wenn – wie hier – der Arbeitgeber einen neuen Stichtag für maßgeblich erachtet.

4. Vorauszuschicken ist, dass das Klagebegehren auf die Feststellung abzielt, dass es zu keiner Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags im Fall der Bestellung zum Oberarzt komme. Es sind daher nur Fälle streitgegenständlich, in welchen ein Facharzt, der bereits einen Stichtag hat, zum Oberarzt bestellt wird. Ebenso ist unstrittig, dass sich am Stichtag eines Facharztes der nicht vorzeitig, sondern aufgrund von § 3 Z 5 Satz 2 SI‑Vereinbarung NEU (Ablauf von acht Jahren) zum Oberarzt bestellt wird, nichts ändert.

5. Gegenstand dieses Feststellungsverfahrens ist nicht die Klärung der Frage, wann ein iSd § 3 Z 5 Satz 1 SI‑Vereinbarung NEU vorzeitig zum Oberarzt bestellter („junger“) Arzt in die nächste Gehaltsstufe (SI/4-6) vorrückt, sondern, ob sich der Stichtag im Fall einer solchen Ernennung ändert. Zumal ebendieses von der Beklagten behauptet wird, ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – die Intention des Klägers durchaus auf die Feststellung, dass es zu keiner Neufestsetzung komme, gerichtet. Der vom Berufungsgericht beschlossenen Aufhebung bedarf es nicht.

6. Entscheidend ist, ob eine Rechtsgrundlage für eine Neufestsetzung des Stichtags im Fall der vorzeitigen Ernennung zum Oberarzt besteht:

6.1. Nach § 6 Abs 1 SI‑Vereinbarung NEU rückt der Arzt „innerhalb der Funktionsgruppe nach jeweils 2 Jahren nach Maßgabe des jeweils ermittelten Vorrückungsstichtags in die nächsthöhere Entlohnungsstufe vor“. Nach § 6 Abs 6 SI‑Vereinbarung NEU gebührt mit Bestellung zum Oberarzt mindestens die Einstufung in SI/4–5. Dem Wortlaut der SI‑Vereinbarung NEU ist nicht zu entnehmen, dass die Ernennung zum Oberarzt zu einer Änderung des Vorrückungsstichtags führt. Solches ist entgegen dem Erstgericht auch nicht aus § 6 Abs 1 SI‑Vereinbarung NEU abzuleiten, zumal Fachärzte und Oberärzte – wie aus § 5 SI‑Vereinbarung NEU ersichtlich – derselben „Funktionsgruppe“ (SI/4) angehören.

6.2. Nach § 6 Abs 2 SI‑Vereinbarung NEU kommen für die Einreihung in die Funktionsgruppen die Bezug habenden Bestimmungen des Stmk L‑DBR zur Vordienstzeitanrechnung zur Anwendung. Auch den Bestimmungen des L‑DBR kann – wie bereits vom Berufungsgericht erkannt – nicht entnommen werden, dass die vorzeitige Ernennung zum Oberarzt einen neuen Vorrückungsstichtag auslöst:

6.2.1. Der Abschluss der SI‑Vereinbarung NEU im Jahr 2014 wurde in die (steiermärkische) Dienstrechts-Novelle 2014, LGBl 2014/151, „eingearbeitet bzw umgesetzt“ (AB Stmk LT 16. GP EZ/OZ 3083/6). So enthält seither § 191a

des Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk

L‑DBR) in § 191a eine inhaltlich an § 3 SI‑Vereinbarung NEU angelehnte Einreihung von Ärzten in Entlohnungsgruppen. Fachärzte sind nach § 191a Abs 1 Z 4 Stmk L‑DBR in die Entlohnungsgruppe „sI/4“ eingereiht. Oberärzte sind nach § 191a Abs 2 Z 1 Stmk L‑DBR Fachärzte mit einer näher determinierten – an § 3 Z 5 Satz 1 SI‑Vereinbarung NEU angelehnten – Qualifikation: Es handelt sich um Fachärzte, die zumindest drei Jahre als Facharzt tätig sind und bei Erfüllung des Kompetenzlevelkatalogs auf Antrag des Abteilungsleisters unter Einbindung der an der Abteilung bereits tätigen Oberärzte ernannt werden (Satz 1). Jeder Facharzt wird spätestens acht Jahre nach seiner Anerkennung zum Facharzt zum Oberarzt ernannt (Satz 2). Der Ausschussbericht (Seite 15) führt dazu aus, dass die Bestellung zum Oberarzt nicht mehr automatisch mit der Beendigung der fachärztlichen Ausbildung verbunden sei, sondern das Erreichen einer zusätzlichen Qualifikation abbilde. Weiters enthält § 193 Abs 4 Stmk L‑DBR eine an § 6 Abs 6 SI‑Vereinbarung NEU angelehnte Vorschrift, indem angeordnet wird, dass dem Oberarzt „ab dem der Bestellung folgenden Monatsersten das Monatsentgelt der Entlohnungsgruppe sI/4 Entlohnungsstufe 5 [gebührt]“. Nach dem Ausschussbericht (Seite 16) habe bereits die bisherige Laufbahn der Ärzte „Vorrückungsbeträge nach Erreichung bestimmter Qualifikationen vorgesehen, die in der Neuregelung im Wesentlichen beibehalten werden“. Die für Fachärzte – abhängig von ihrer Stufe – in § 5 SI‑Vereinbarung NEU vorgesehenen Monatsentgelte wurden in § 192 Stmk L‑DBR übernommen.

6.2.2. Der Vorrückungsstichtag nach dem Stmk L‑DBR wird zu Beginn des Dienstverhältnisses von Amts wegen festgesetzt (Aschauer/Kohlbacher, Landesdienstrecht, in Poier/Wieser, Steiermärkisches Landesrecht II [2016] 377 [413]). Er ändert sich – wie unter anderem aus §§ 155 Abs 2, 184 Abs 2, 276 Abs 5, 277 Abs 1, 282 Abs 2 L‑DBR ersichtlich – grundsätzlich nicht mehr. Eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags erfolgt zudem – wie etwa aus den Übergangsbestimmungen der §§ 293 Abs 2 und 294 Abs 4 Stmk L‑DBR ersichtlich – grundsätzlich auch nur auf Antrag (vgl Erläut selbstständiger Antrag Stmk LT 16. GP EZ/OZ 423/1, Seite 9). Hätte der Landesgesetzgeber eine Neufestsetzung des Stichtags anlässlich einer vorzeitigen Ernennung eines Facharztes zum Oberarzt intendiert, wäre eine diesbezügliche Vorschrift zu erwarten gewesen. So wäre etwa eine Formulierung wie in §§ 48 Abs 8 bis 12, 48a Abs 3 bis 5 oder 64a Abs 1 bis 3 GehG möglich gewesen, wo jeweils im Fall einer Ernennung dezidiert die gebührende Gehaltsstufe und der Vorrückungstermin genannt werden.

6.2.3. Der durch die Dienstrechts-Novelle 2014 eingeführte § 256a Stmk L‑DBR bestimmte in seiner bis zu der am 1. 3. 2018 in Kraft getretenen Novelle LGBl 2018/17 und damit in seiner bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltenden (vgl RIS‑Justiz

RS0008698) Fassung, dass abweichend von der (allgemeinen) Vorschrift des § 256 Stmk L‑DBR über den Vorrückungsstichtag bei der Ermittlung desselben „

für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI der Entlohnungsgruppe SI/4 die Zeit, die in einer fachärztlichen Verwendung in einem Dienstverhältnis a) bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. und/oder b) bei einer Gebietskörperschaft im Inland oder in einem EU Mitgliedstaat mit einem Beschäftigungsausmaß von mindestens der Hälfte der Vollbeschäftigung zurückgelegt worden ist“ zu berücksichtigen ist. Wenn die Beklagte ihre Rechtsauffassung, mit der Ernennung zum Oberarzt sei ein neuer Vorrückungsstichtag verbunden, damit begründet, dass die von der gegenständlichen Klage betroffenen Ärzte in den Anwendungsbereich der Bestimmung des § 256a Stmk L‑DBR fielen, wonach für die Funktionsgruppe SI/3 bzw SI/4 nur „einschlägige Vordienstzeiten“ zu berücksichtigen seien, so überzeugt dies nicht, zumal § 256a für alle Ärzte der Entlohnungsgruppe SI/4 gilt, damit auch für Fachärzte, die nicht Oberärzte sind. Es ist nicht ersichtlich, warum die Ernennung zum Oberarzt für den Vorrückungsstichtag eine Zäsur bilden soll. Wenn von der Beklagten die Ansicht vertreten wird, die Tätigkeit als Oberarzt stelle eine von der Tätigkeit als Facharzt verschiedene Tätigkeit dar, so ist dies unrichtig, weil Oberärzte nach der Legaldefinition in § 191a Abs 2 Z 1 Stmk L‑DBR bzw § 3 Z 5 SI‑Vereinbarung NEU (besonders qualifizierte [Satz 1 leg cit] oder besonders erfahrene [Satz 2] leg cit) Fachärzte sind. Gäbe es aufgrund dessen, dass nunmehr für Fachärzte bloß einschlägige Vordienstzeiten zu berücksichtigen seien, eine Änderung des Stichtags, so wäre hiervon ein bei der Beklagten tätiger Facharzt bereits vor seiner Ernennung zum Oberarzt betroffen, sodass sich „im Fall seiner Bestellung zum Oberarzt“ am Stichtag nichts mehr ändern würde.

6.2.4. Auch zu § 11 Wiener Besoldungsordnung 1994 (nunmehr idF LGBl 2017/33), wonach – der hier zu beurteilenden Vorrückung ähnlich – einem Beamten in Anerkennung seiner „ausgezeichneten Dienstleistung“ „außerordentliche Vorrückungen in eine höhere Gehaltsstufe“ zuerkannt werden können, ist anerkannt, dass durch eine solche außerordentliche Vorrückung der Vorrückungsstichtag nicht berührt wird (Hutterer/Rath, Dienst- und Besoldungsrecht der Wiener Gemeindebediensteten3 [2014] 531).

7. Zusammengefasst geht der Senat davon aus, dass weder das Stmk L‑DBR noch die SI‑Vereinbarung eine Rechtsgrundlage für eine Neufestsetzung des Stichtags im Fall bietet, dass ein bei der Beklagten bereits tätiger und damit über einen Stichtag verfügender Facharzt iSv § 191a Abs 2 Z 1 Satz 1 Stmk L‑DBR bzw § 3 Z 5 Satz 1 SI‑Vereinbarung NEU vorzeitig zum Oberarzt ernannt wird. Das Feststellungsbegehren erweist sich daher schon in seinem ersten Teil als berechtigt.

8. Soweit der Kläger darüber hinaus im zweiten Teil des Urteilsbegehrens die Feststellung begehrt, dass „[…] eine Anrechnung der Vordienstzeiten unter Beibehaltung des ursprünglichen Vorrückungsstichtags zu erfolgen hat“, wird damit inhaltlich (arg „Beibehaltung“) nur der erste Teil des Begehrens wiederholt. Da der Vorrückungsstichtag von der Vordienstzeitanrechnung abhängig ist und sich dieser im Fall der Ernennung zum Oberarzt nicht ändert, kommt dem zweiten Teil des Klagebegehrens kein eigenständiger Inhalt zu. Die Parteien maßen im Prozess erkennbar dem zweiten Teil des Begehrens auch keine eigenständige Bedeutung zu. Dieser hat damit – ohne Kostenfolgen – im Urteilsspruch zu entfallen (RIS‑Justiz RS0041254).

Es war damit in der Sache klagsstattgebend zu entscheiden.

9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der beiden Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO. Für die vorliegende Klage steht – wie von der Beklagten in erster Instanz zutreffend eingewendet – nach § 23 RATG lediglich der einfache Einheitssatz zu, zumal weder ein bedingter Zahlungsbefehl erlassen noch ein Auftrag zur Klagebeantwortung erteilt wurde ( Obermaier , Kostenhandbuch 3 Rz 1.504 iVm Rz 3.19 mwN).

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