European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00051.18Z.0913.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt, gestützt auf einen Krankenhausaufnahmevertrag, vom beklagten Land als Rechtsträger einer Krankenanstalt Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden aufgrund behaupteter fehlerhafter Behandlungen und Nachbetreuung im Rahmen der Operationen vom 7. 7. 2015.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil weder ein Behandlungsfehler vorgelegen habe noch die gebotene ärztliche Aufklärung der Klägerin unterlassen worden sei. Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Eine die Revision dennoch rechtfertigende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Klägerin in ihrer gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichteten außerordentlichen Revision nicht auf:
1. Die Klägerin hat bereits in der Berufung eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend gemacht, weil ihr Antrag auf Einholung eines Zweitgutachtens (aus dem Fachgebiet der Gynäkologie) abgewiesen worden sei. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Rüge ausführlich auseinandergesetzt und den behaupteten Verfahrensmangel verneint. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Ob ein in der Berufung behaupteter Verfahrensmangel vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist vom Revisionsgericht nicht mehr zu prüfen (8 Ob 91/17s mwH). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]). Er wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RIS‑Justiz RS0042963 [T45, T52]). Die Revisionswerberin führt aus, dass der gynäkologische Sachverständige eine Erklärung für seine Beurteilung schuldig geblieben sei, dass die Entfernung der Gebärmutter der Klägerin jedenfalls notwendig gewesen sei, obwohl ein Hämatom langsam wachse und den Erhalt der Gebärmutter wesentlich schwieriger mache. Auch seien die Aussagen des Primarius der Geburtenabteilung der Krankenanstalt so zu verstehen gewesen, dass an erster Stelle an einen Riss der Gebärmutter zu denken gewesen sei. Die damit angesprochene Frage, ob das eingeholte Sachverständigengutachten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört jedoch zur Beweiswürdigung der Vorinstanzen (RIS‑Justiz RS0043163), die vom Obersten Gerichtshof im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar ist.
2.1 Als erhebliche Rechtsfrage macht die Revisionswerberin geltend, dass der Zweck der ärztlichen Aufklärungspflicht auch darin liege, dass ein (von ihr behaupteter) Schockschaden durch die Aufklärung über das mögliche Risiko einer Gebärmutterentfernung – vor der nach einem Notkaiserschnitt infolge anhaltender Blutungen durchgeführten Revisionsoperation, bei der die Gebärmutter der Klägerin entfernt werden musste – vermieden worden wäre.
2.2 Die Rechtsfrage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufzuklären hat, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten und daher im Allgemeinen nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0026763). Nach ständiger Rechtsprechung umfasst die Verpflichtung des Arztes aus dem Behandlungsvertrag auch die Pflicht, den Patienten über die Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und die schädlichen Folgen einer Behandlung zu unterrichten (RIS‑Justiz RS0038176 [T1]). Über die Gefahr, dass in äußerst seltenen Fällen bei unstillbaren Blutungen eine Entfernung der Gebärmutter mittels Bauchschnitts notwendig werden kann, wurde die Klägerin nach den Feststellungen bereits am 16. 6. 2015 in einem von ihr unterzeichneten Aufklärungsbogen zur dokumentierten Patientenaufklärung geburtshilflicher Maßnahmen informiert.
2.3 Die Klägerin litt nach der Geburt unter Blutungen, die zu einem massiven Blutverlust führten und nicht gestillt werden konnten, sodass eine operative Revision erforderlich war. Die Klägerin wurde vor der Revisionsoperation darüber informiert, dass diese erforderlich sei, um zu erkennen, woher die starke Blutung komme. Die Möglichkeit einer allenfalls erforderlichen Gebärmutterentfernung wurde nicht besprochen. Die Entfernung der Gebärmutter war allerdings unumgänglich notwendig, und es steht fest, dass es einzig der Geistesgegenwart und raschen Entscheidungsfindung der behandelnden Ärzte zu verdanken ist, dass auf diese Weise das Leben der Klägerin gerettet werden konnte. Bei einer dringenden Operation, die für den Patienten vitale Bedeutung hat, ist, worauf das Berufungsgericht Bedacht genommen hat, die Aufklärungspflicht des Arztes generell nicht zu überspannen (RIS‑Justiz RS0026772 [T23]). Die Klägerin war wie ausgeführt schon vor der Operation über die Möglichkeit einer Gebärmutterentfernung informiert worden. Im konkreten Fall wäre eine – neuerliche – Information für die Entscheidungsfindung der – in Lebensgefahr befindlichen – Klägerin ohne Relevanz gewesen, weil sich ein extrem seltenes Risiko, mit dem nicht zu rechnen war, verwirklicht hat; die Gebärmutterentfernung war dann nach der Feststellung der Ursache der Blutungen zum Zweck der Lebensrettung der Klägerin alternativenlos (vgl 3 Ob 138/16i; 10 Ob 40/15b). Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine weitere Aufklärung der Klägerin im konkreten Einzelfall nicht erforderlich war, keineswegs unvertretbar.
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