European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00072.18I.0912.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nadjib B***** der Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (I) und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (II) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er am 23. Juni 2017 in G*****
(I) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Gesamtwert anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar
1) Haci K***** Bargeld, wobei er, beim Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er dem ihn verfolgenden Dede Be***** mit beiden Händen einen heftigen Stoß gegen den Oberkörper versetzte;
2) Gewahrsamsträgern der B***** AG eine Mineralwasserflasche im Wert von 0,65 Euro;
(II) Dede Be***** durch Versetzen eines gezielten Stichs mit einer zumindest 10 cm langen Glasscherbe gegen das Gesicht eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, wobei die Vollendung der Tat bloß deshalb unterblieb, weil der Genannte mit dem Kopf ausweichen konnte;
(III) fremde Sachen, und zwar zwei Fernsehgeräte und die Auslagenscheibe des Geschäftslokals des Hicheb D*****, auf im Urteil näher bezeichnete Weise beschädigt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag, dem Zeugen Haci K***** aufzutragen, „einen Nachweis über den angeblichen Umsatz der am 22. Juni 2017 unmittelbar vorher erfolgten Lieferung“ zu erbringen (ON 34 S 10), zu Recht der Abweisung (ON 34 S 10). Dieser zielte darauf, der zufolge der Rückgabe entsprechender Münzen vor der Gewaltanwendung für die Subsumtion relevanten Verantwortung des Angeklagten, in der von ihm weggenommenen Geldbörse hätten sich lediglich acht bis zehn Euro befunden, zum Durchbruch zu verhelfen. Weshalb die beantragte Beweisführung das behauptete Ergebnis erwarten lasse, war dem Antrag nicht zu entnehmen. Damit lief er auf eine in der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (RIS-Justiz RS0118444, RS0107040). Soweit der Antrag der Sache nach auch auf die Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen K*****, ihm seien 540 Euro, also mehr Bargeld gestohlen als zurückgegeben worden, zielte, sei hinzugefügt, dass sich dem Antragsvorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen ließen, der Zeuge hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt. Für den Erfolg eines solchen Begehrens wäre dies aber erforderlich gewesen (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]).
Inwiefern die Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Verbrechen nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und nach §§ 127, 131 erster Fall StGB undeutlich (Z 5 erster Fall) sein sollten (vgl dazu US 3, 4 und 5), macht die Mängelrüge (Z 5) mit dem Einwand, das Erstgericht habe sich mit der subjektiven Tatseite der Tatbestände „nicht ausreichend auseinandergesetzt“, nicht klar.
Die Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite des § 127 StGB leiteten die Tatrichter aus der geständigen Verantwortung des Angeklagten ab (US 5).
Fehlende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite des § 131 StGB wird von der Beschwerde – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – (im Übrigen zu Recht [siehe US 5]) nicht behauptet.
Die Feststellung, dass der Angeklagte den Zeugen Be***** unmittelbar nach der Sachwegnahme (I/1) in räuberischer Absicht (§ 131 StGB) wegstieß (US 4), und die Urteilsaussage, dass eine entsprechende Feststellung für das Folgegeschehen nicht getroffen werden könne (US 5), widersprechen (Z 5 dritter Fall) einander keineswegs.
Mit der Verantwortung des Angeklagten sowie den Angaben der Zeugen Be***** und D***** setzte sich das Erstgericht eingehend auseinander (US 4 f). Indem die Rüge die Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Tatrichter kritisiert und aus den Aussagen andere, für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse zieht, verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.
Die zu II konstatierte Absicht des Angeklagten, Dede Be***** durch einen Stich mit einer 10 cm langen Glasscherbe am Körper schwer zu verletzen, leitete das Erstgericht aus dem Tatwerkzeug, der Art der Gewaltanwendung und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S***** ab (US 5). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Schlussfolgerung nicht zu beanstanden.
Vermutungen des Zeugen Be***** in der Hauptverhandlung (über das innere Vorhaben des Angeklagten) sind kein Gegenstand eines Zeugenbeweises und scheiden daher als Bezugspunkt der Mängel- und der Tatsachenrüge aus.
Mit dem Hinweis auf einzelne Passagen der Aussage des Zeugen Be***** zum Verhalten des Angeklagten im Vorfeld der vom Schuldspruch II umfassten Tat erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Der von der Generalprokuratur in der Formulierung des Tatvorsatzes auf US 4 (… wollte gewaltsam flüchten „und“ sich auch das noch nicht zurückgegebene Geld … zu erhalten ...) erblickte Rechtsfehler mangels Feststellungen zur Absicht des Angeklagten, durch die Tathandlung sich oder einem Dritten die Beute zu erhalten (Z 10), liegt nicht vor (vgl dazu die Klarstellung auf US 5 zweiter Absatz und das zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe heranzuziehende Referat der entscheidenden Tatsachen auf US 1 [„um“ sich die weggenommene Sache zu erhalten]).
Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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