European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122613
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. 6. 2012 wurde für die Betroffene Dr. V* I*, Rechtsanwalt in W*, zum Sachwalter gemäß § 268 Abs 1 Z 3 ABGB idF vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl I 59/2017, für alle Angelegenheiten bestellt.
Noch vor Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes am 1. 7. 2018 enthoben die Vorinstanzen den bisherigen Sachwalter Dr. V* I* und bestellten DDr. G* S*, Rechtsanwalt in B*, zum nunmehrigen Sachwalter; das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist. In der Sache selbst warfen die Vorinstanzen dem bisherigen Sachwalter vor, in der Vergangenheit mehrmals exzessiv seinen Berichts- und Rechnungslegungspflichten nicht nachgekommen zu sein und gerichtlichen Aufträgen lediglich äußerst schleppend Folge geleistet zu haben, weshalb eine ordnungsgemäße weitere Überwachung der Vermögensverwaltung nicht verantwortbar sei. Der bloße Wunsch der Betroffenen, keine Umbestellung durchzuführen, sei nicht maßgebend, es sei vielmehr das Bedürfnis der Betroffenen nach einer Optimierung ihrer persönlichen Betreuung (und damit zuweilen auch nach einem Wechsel des Sachwalters) mit ihrem eigenen Interesse an einer Kontinuität der Betreuung abzuwägen. Diese Abwägung spreche aufgrund der Vorkommnisse in der Vergangenheit für eine Umbestellung.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch den bisherigen Sachwalter, mit dem Antrag auf ersatzlose Behebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Fortführung der bestehenden Sachwalterschaft (gemeint: mit ihm als Sachwalter). Dieser Revisionsrekurs wurde bereits nach Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes beim Erstgericht eingebracht.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Vorinstanzen entschieden gemäß § 278 Abs 1 ABGB idF vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz über die Umbestellung des Sachwalters für die Betroffene. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde ein solcher Umbestellungsbeschluss erst mit Eintritt seiner Rechtskraft verbindlich (RIS‑Justiz RS0120299). Da diese bislang nicht eingetreten ist – neben dem unzulässigen (Schauer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I1 [2013] § 128 Rz 29 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung), vom Rekursgericht aber ohnehin nicht behandelten Rekurs des bisherigen Sachwalters im eigenen Namen (ON 105) gegen den erstinstanzlichen Beschluss liegen auch zulässige (Schauer aaO) und fristgerechte Rekurse der Betroffenen selbst (ON 106a, 107) vor –, ist der bisherige Sachwalter berechtigt, die Betroffene im Revisionsrekursverfahren gegen die erfolgte Umbestellung (weiter) zu vertreten (vgl § 128 Abs 1 letzter Satz AußStrG idF vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz; vgl nunmehr § 128 Abs 2 Satz 2 AußStrG idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes).
2. Nach § 207m Abs 1 AußStrG idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes gilt die Grundregel, dass die (neuen) Verfahrensvorschriften nur auf Verfahren anzuwenden sind, die nach dem 30. 6. 2018 anhängig werden. Allerdings ist diese Grundregel durch § 207m Abs 3 und 4 AußStrG hinsichtlich am 1. 7. 2018 bereits anhängiger Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters und zur Änderung, Übertragung oder Beendigung einer Sachwalterschaft insofern durchbrochen, als auch diese Verfahren ab dem 1. 7. 2018 nach den §§ 116a bis 126 AußStrG idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes fortzusetzen sind (§ 207m Abs 3 1. Halbsatz AußStrG; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² [2018] § 207m Rz 5 [in Vorbereitung]); da § 207m Abs 4 AußStrG eine sinngemäße Geltung des Absatz 3 für Altverfahren zur Änderung, Übertragung oder Beendigung einer Sachwalterschaft anordnet, ist in diesen Verfahren außerdem § 128 AußStrG idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes anzuwenden (Gitschthaler aaO).
3. Das Verfahren zur Änderung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung (früher: Sachwalterumbestellungsverfahren) ist nunmehr in § 128 AußStrG idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes geregelt. Nach dessen Absatz 1 sind die Vorschriften über das Verfahren zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters (§§ 117 ff AußStrG nF) anzuwenden, wobei sich nach Absatz 3 Satz 2 das Gericht, wenn es das für erforderlich hält, einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person verschaffen, einen Sachverständigen bestellen oder eine mündliche Verhandlung durchführen kann; den Erwachsenenschutzverein darf es hingegen nach § 128 Abs 3 letzter Halbsatz AußStrG nF in einem Übertragungsverfahren nicht mit der Aufklärung beauftragen.
4. Nach § 207m Abs 4 iVm Abs 3 Satz 2 2. Halbsatz AußStrG nF ist ein in höherer Instanz anhängiges (Übertragungs‑)Verfahren – wenn noch Entscheidungsgrundlagen fehlen – dem Erstgericht zu überweisen und von diesem so fortzusetzen, als ob das Rechtsmittelgericht die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen hätte. Derartige Entscheidungsgrundlagen fehlen hier allerdings nicht:
4.1. Zentrales Argument des außerordentlichen Revisionsrekurses ist die Unterlassung der Anhörung der Betroffenen vor der durchgeführten Umbestellung. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass im Verfahren außer Streitsachen das rechtliche Gehör auch dann gewahrt wurde, wenn die Partei ihr Vorbringen im Rekurs darlegen konnte (vgl bloß RIS‑Justiz RS0006048 [T4, T5, T10]). Dies hat die Betroffene in ihrem Rekurs ON 106a aber ohnehin umfänglich getan; das Rekursgericht hat sich auch mit ihren Argumenten auseinandergesetzt. Darüber hinaus hat die Partei, die eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs behauptet, die Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Verfahrensverstöße darzulegen (stRsp, vgl bloß 1 Ob 97/12i). Wenn die Betroffene auch im außerordentlichen Revisionsrekurs weiterhin stereotyp ausführt, sie wünsche keine Umbestellung des Sachwalters, so hat das Rekursgericht diesen Wunsch ohnehin zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
Für die Rechtslage nach dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz ist (nochmals) darauf hinzuweisen, dass sich das Gericht im Übertragungsverfahren von der betroffenen Person nur dann einen persönlichen Eindruck zu verschaffen hat, wenn es das für erforderlich hält.
4.2. Wenn die Betroffene in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs meint, ihre „rechtliche Position [sei] durch Inkrafttreten des ab 1. 7. 2018 geltenden 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes in ihrer Selbstbestimmung bestärkt worden“, so bedeutet dies nicht die freie Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Dies ergibt sich bereits aus § 259 Abs 4 ABGB idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes, wonach das Gericht, wenn das Wohl einer vertretenen Person gefährdet ist, jederzeit von Amts wegen die zur Sicherung des Wohles nötigen Verfügungen zu treffen hat. Diese Bestimmung bezieht sich auf Vorsorgevollmachten und sämtliche Formen der Erwachsenenvertretung (vgl Sechstes Hauptstück: Von der Vorsorgevollmacht und der Erwachsenenvertretung). Damit kann aber das Gericht sogar bei einer Vorsorgevollmacht nach §§ 260 ff ABGB nF und einer gewählten Erwachsenenvertretung nach §§ 264 ff ABGB nF (in diesen Fällen hat der Betroffene seinen Vertreter selbst bestimmt) Verfügungen zur Sicherung des Wohles des Betroffenen treffen, worunter auch eine Änderung des Vertreters zu verstehen ist (vgl 2 Ob 68/14k [ErwGr II.1.3.] zu § 281 Abs 4 ABGB idF vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz als Vorgängerbestimmung des § 259 Abs 4 ABGB nF [dazu ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP , zitiert bei Gitschthaler/Schweighofer, Erwachsenenschutzrecht {2017} 104]).
4.3. Die Beurteilung der Notwendigkeit der Umbestellung eines Sachwalters ist nur auf den Einzelfall bezogen und betrifft grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0117813 [T2]); daran hat sich auch durch das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz nichts geändert. Richtig ist, dass im Allgemeinen eine stabile Betreuungssituation wünschenswert ist (RIS‑Justiz RS0117813 [T10]), die Vorinstanzen haben aber unter Zugrundelegung des Verhaltens des bisherigen Sachwalters nachvollziehbar und vertretbar dargelegt, weshalb die Notwendigkeit für eine Umbestellung gegeben war.
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