OGH 1Ob121/18b

OGH1Ob121/18b29.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr.

 Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH, Salzburg, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2018, GZ 5 R 31/18t‑13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 7. Dezember 2017, GZ 3 Cg 22/17y‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00121.18B.0829.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für „sämtliche weitere Schäden“ aufgrund einer behauptetermaßen „fehlerhaften Lieferung“ der Aufsatzfassade für ein bestimmtes Bauvorhaben.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens wegen des Fehlens eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der als verjährt beurteilten Ansprüche.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig:

1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, er also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS‑Justiz RS0034524 [bes T14, T24, T25]); er darf nicht etwa solange mit der Klageführung warten, bis er alle Beweismittel gesammelt hat, die sein Prozessrisiko auf ein Minimum reduzieren (RIS‑Justiz RS0034524 [T6, T7]). Wann eine in diesem Sinn ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0034524 [T23, T41]).

2. Mit ihrem Vorwurf, die Vorinstanzen hätten ihre „bloßen Mutmaßungen“ darüber, „wie sich allenfalls ein denkmöglich anspruchsbegründender Sachverhalt zugetragen haben könnte“, als „per se fristauslösendes Ereignis angesehen“, geht die Revisionswerberin nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Ist die Rechtsrüge aber nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0043312 [T14]), ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, auf die damit angesprochene materiell‑rechtliche Frage einzugehen (RIS‑Justiz RS0043312 [T3]).

3. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt liegt eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht vor, wusste die Klägerin danach doch bereits am 10. 10. 2013 (und damit länger als drei Jahre vor der Klagseinbringung am 6. 6. 2017), dass entweder falsche Glasauflagen oder falsche Unterlagen betreffend die Montage geliefert worden waren, das Profilsystem nicht für ihre (Belastungs‑)Anforderungen geeignet war und dies schädliche Wirkungen hatte. Zum Wissen über die mangelnde Eignung des Profilsystems bezog sich das Erstgericht (wenn auch im Rahmen seiner Beweiswürdigung) auf die Darlegungen der Klägerin in dem von der Beklagten wegen der unbezahlten restlichen Kaufpreisforderung angestrengten Prozess, wonach sich herausgestellt habe, dass die Glashalterbefestigungen nach unten hin nachgegeben hätten und auf den darunter liegenden Glaselementen aufliegen würden, sodass aufgrund der Gewichtsübertragung auf die unteren Glaselemente die Gefahr von Glasbrüchen bestanden habe. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei der Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt die für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs wegen Schlechterfüllung und Verletzung von Aufklärungspflichten notwendige Tatsachengrundlage bekannt gewesen und schon damals hätten ausreichende Erfolgsaussichten für die Einbringung einer schlüssigen Klage bestanden, weswegen die Klägerin angesichts [der Kenntnis] des realen Erstschadens gehalten gewesen wäre, (binnen drei Jahren ab jenem Zeitpunkt) einer drohenden Verjährung des Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden (habe sie doch unvorhersehbare nicht behauptet) mit einer Feststellungsklage zu begegnen, ist nicht bedenklich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ihr die Problematik der Falzbelüftung erst am 17. 6. 2014 bekannt wurde, kommt es doch für die Verjährungsfrist nicht auf die Kenntnis aller Einzelheiten an (vgl RIS‑Justiz RS0034524 [T24, T25]), sondern auf den vom Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung bereits davor als ausreichend für die Einbringung einer aussichtsreichen Klage angenommenen Grad an Gewissheit über den Eintritt eines (Primär‑)Schadens, die Person des Schädigers sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Schaden und schadensstiftendem Verhalten (RIS‑Justiz RS0034524 [T36]).

Käme diesem Aspekt tatsächlich die ihm nun in der Revision zugeschriebene eigenständige und ausschlaggebende Bedeutung zu, wäre zu beachten, dass in der Berufung darauf eine Klagsänderung läge, was bereits das Erstgericht aufgezeigt hat. In der Klage hatte sie sich nur auf andere Umstände gestützt und diesen erst in der Tagsatzung vom 23. 10. 2017 behauptet, also mehr als drei Jahre, nachdem sie davon erfahren hatte (zur Einzelfallbezogenheit der Frage, ob bereits die Klagseinbringung die Verjährung unterbrochen hat oder ob von einer – erst nach dem Verjährungseintritt vorgenommenen – Klagsänderung auszugehen ist, vgl 2 Ob 143/10h und 7 Ob 141/14g jeweils mwN). In ihrer Berufung zog sie die erstgerichtliche Rechtsansicht zum Eintritt der Verjährung (auch) bei Annahme einer Klagsänderung gar nicht in Zweifel.

4. Die Revision, die insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, ist demnach zurückzuweisen, was keiner weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO). Damit ist auch auf die mangelnde Bestimmtheit des Urteilsbegehrens nicht einzugehen.

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