OGH 9ObA56/18b

OGH9ObA56/18b28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und Mag. Thomas Kallab in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Clemens Gärner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Anfechtung einer Entlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. März 2018, GZ 8 Ra 52/17a-73, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00056.18B.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die Klägerin war seit 3. 5. 1999 bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin tätig. Sie bezog zuletzt ein Teilzeitgehalt von 1.150 EUR brutto 14 mal jährlich. Es steht fest, dass die am 1. 4. 2014 ausgesprochene Entlassung der damals 37‑jährigen Klägerin verspätet war (ON 20 = 9 ObA 79/15f). Im fortgesetzten Verfahren erachteten die Vorinstanzen die Beendigung des Dienstverhältnisses mangels erheblicher Interessenbeeinträchtigung der Klägerin nicht als sozialwidrig iSd § 106 Abs 2 S 1 ArbVG iVm § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG und wiesen ihr Begehren, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären, ab.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1.  Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden (RIS-Justiz RS0043371). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS-Justiz RS0043371 [T28]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist vielmehr mangelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS-Justiz RS0043150). Dieser Prüfung halten die Erwägungen des Berufungsgerichts zur bekämpften Negativfeststellung über den erhöhten Mehrkostenaufwand für die Kinderbetreuung in nicht korrekturbedürftiger Weise stand.

2.  Soweit sich die Klägerin gegen die unterlassene Einvernahme einer Zeugin richtet, verneinte das Berufungsgericht einen diesbezüglichen (Stoffsammlungs-)Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nach ständiger Rechtsprechung nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich mit der Mängelrüge überhaupt nicht oder infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht befasst oder diese mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten oder rechtlich unhaltbaren Begründung verworfen (RIS‑Justiz RS0042963 [T9, T12, T28, T52] ua). Das ist hier nicht der Fall.

3.  In rechtlicher Hinsicht richtet sich die Klägerin dagegen, dass das Erstgericht bei der Ermittlung des von ihr erzielbaren Einkommens von ihrem hochgerechneten Bruttomonatsgehalt von 2.300 EUR 14 Mal jährlich für eine Vollzeitbeschäftigung ausgegangen sei und infolge des Sachverständigengutachtens (erzielbares Bruttomonatseinkommen von 2.248 EUR für eine Vollzeitbeschäftigung) auf keine größere finanzielle Einbuße als 15 % geschlossen habe. Sie zeigt allerdings nicht auf, warum dieser Vergleich von Teil- und Vollzeitbeschäftigung grundsätzlich unzulässig wäre und warum in dieser Berechnung eine Diskriminierung teilzeitbeschäftigter DienstnehmerInnen läge.

4.  Soweit sie der Ansicht ist, dass auch der Verlust von Diäten – die nach ihrem Dienstvertrag als Pauschalabgeltung für den als tatsächlich entstandenen Aufwand vereinbart waren – als Entgeltbestandteil zu berücksichtigen wären, steht nicht fest, in welchem Ausmaß sie allenfalls einkommenserhöhend waren. Schon das Erstgericht nahm aufgrund der festgestellten Höhe der geleisteten Zahlungen jedoch an, dass sie insbesondere im Vergleich zu den steuerlichen Sachbezugswerten nicht unrealistisch hoch waren, weshalb ihr Zweck in der Abdeckung des mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden finanziellen Aufwands bestanden habe. Sie wurden bei krankheitsbedingter Abwesenheit auch nicht ausbezahlt. Im Übrigen steht fest, dass der Klägerin durch die Aufnahme einer Tätigkeit im Außendienst die Erzielung von Diäten im gleichen Umfang wie bei der Beklagten möglich wäre. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung in der Nichtberücksichtigung des Wegfalls der Diäten liegt danach nicht vor.

5.  Die Klägerin meint auch, dass sie aufgrund des höheren Fahraufwandes für einen Vergleichsarbeitsplatz weitere finanzielle Einbußen erleiden werde. Dies berücksichtigt aber nicht die – insoweit erfolglos bekämpften  – Feststellungen des Erstgerichts (Urteil S 11), dass sie auch unter Bedachtnahme auf eine Erhöhung ihrer monatlichen Einsatztage und eine Verlängerung ihrer Arbeitswege (samt der hierdurch anfallenden Kosten) keine finanziellen Einbußen von mehr als 15 % hinzunehmen hätte.

6.  Ihren Ausführungen zu den Nachteilen bei der Kinderbetreuung steht entgegen, dass das Erstgericht keinen durch den Verlust ihrer Beschäftigung bei der Beklagten erhöhten Mehrkostenaufwand für die Kinderbetreuung feststellen konnte (Urteil S 8). Soweit die Klägerin schließlich auf ihre lange Betriebszugehörigkeit und den Wegfall des sozialen Status einer Flugbegleiterin hinweist, sind darin im vorliegenden Fall keine solchen Umstände zu sehen, die in einer Gesamtsicht die ausführlichen Beurteilungen der Vorinstanzen, dass hier keine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin vorliege, unvertretbar und deshalb korrekturbedürftig erscheinen ließe.

7.  Die außerordentliche Revision der Klägerin ist danach mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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