OGH 9ObA154/17p

OGH9ObA154/17p28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. U*****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** GmbH, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 92.507,23 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 47.407,10 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2017, GZ 7 Ra 23/17d‑92, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00154.17P.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

1. Das Dienstverhältnis der Arbeitnehmer der Beklagten ist grundsätzlich ein privatrechtliches (RIS‑Justiz RS0052676). Vor der Ausgliederung der Österreichischen Bundesbahnen mit dem BundesbahnG 1992 wies es aber einen starken öffentlich-rechtlichen Einschlag auf, der zur Folge hatte, dass sich die Gehaltseinstufung der Arbeitnehmer nicht nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit richtete, sondern nach jenem Dienstposten, der „dem Beamten verliehen“ war (RIS‑Justiz RS0052662).

Diese Rechtslage änderte sich nach dem Inkrafttreten der AVB mit 1. 1. 1996. Jene Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen, deren Verträge den als Vertragsschablone (RIS‑Justiz RS0054759 [T2]) anzusehenden Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) unterliegen, sind nunmehr unabhängig von der Ernennung auf eine entsprechende Planstelle nach ihrer konkreten Tätigkeit zu entlohnen (8 ObA 110/01m; 8 ObA 77/11y; 8 ObA 43/16f).

2. Nach § 24 AVB richtet sich die Höhe des Gehalts nach der Gehaltsgruppe und der Gehaltsstufe. Die Gehaltsgruppe ergibt sich aus der Verwendung. Die Zuordnung der einzelnen Verwendungen zu den Gehaltsgruppen bestimmt die Anlage 1 der AVB (Gehaltsgruppenzuordnung). Diese enthält allgemeine Verwendungsbezeichnungen der Arbeitnehmer, die nicht näher definiert werden. Der in § 25 AVB genannte Stellenplan dient lediglich der budgetären Vorausplanung des Personalbedarfs. Der Bedienstete ist selbst dann seiner Verwendung gemäß einzureihen und zu entlohnen, wenn im Stellenplan kein (freier) Dienstposten dieser Art vorgesehen ist (8 ObA 110/01m).

3. Der Versuch, in Auslegung der AVB (§ 914 ABGB) eine Zuordnung zu einer in Anlage 1 erwähnten allgemeineren Verwendungsbezeichnung vorzunehmen, scheitert jedoch vielfach daran, dass diese in der Regel sehr allgemein gehaltenen Verwendungsbezeichnungen (beispielsweise „Sachbearbeiter“) in unterschiedlichen Klassifizierungen („Sachbearbeiter 1–5“) mit verschiedenen zugeordneten Gehaltsgruppen vorkommen, diesen Klassifizierungen aber keine Wertigkeiten, keine bestimmten Tätigkeitsmerkmale und auch keine bestimmten Anforderungsprofile beigemessen wurden. Diese Verwendungsbezeichnungen bieten daher oftmals keine verlässliche Grundlage für die begehrte Gehaltsgruppenzuordnung.

Rechtliche Beurteilung

4. Der Revision ist insoweit zuzustimmen, dass sich die Wertigkeit einer Tätigkeit auch nicht allein aus dem Umstand ableiten lässt, dass die Mehrheit der Personen, die sie ausübt, nach einer bestimmten Gehaltsgruppe entlohnt wird. Eine Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe wurde in der Vergangenheit oft nur als Ergebnis der Entwicklung eines Mitarbeiters angesehen („Zielwertigkeit“), sofern er nicht bereits aus einer Vorverwendung einen Anspruch auf eine Entlohnung in dieser oder einer höheren Gehaltsgruppe „mitbrachte“ (9 ObA 135/11k). Soweit sich daher Einstufungen anderer Mitarbeiter ausschließlich als Ergebnis einer Ein- oder Höherreihung aufgrund des überkommenen Planstellensystems darstellen, bieten sie keine Grundlage zur Beurteilung der Wertigkeit einer Tätigkeit.

5. Werden Personen aber völlig regelmäßig zu Beginn ihrer Verwendung in eine bestimmte niedrigere Gehaltsgruppe eingereiht und erst im Laufe der Zeit sowie abhängig von verschiedenen Faktoren in eine höhere, bringt diese Praxis der Einstufung objektiv zum Ausdruck, dass die zu Beginn konkret vereinbarte Gehaltsstufe auch tatsächlich die nach Ansicht des Dienstgebers der Verwendung entsprechende war (vgl 8 ObA 35/17f; 8 ObA 43/16f; 8 ObA 77/11y).

6. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass sämtliche den AVB unterliegende Juristen und Juristinnen, die in derselben Abteilung wie die Klägerin tätig sind oder waren, zumindest in Ordnungsnummer 771 mit der damit einhergehenden Gehaltsgruppenzuordnung VIIb eingestuft wurden. Dies betraf sowohl Personen, die innerhalb des Betriebes auf diese Position wechselten als auch solche, die mit dieser Tätigkeit im Unternehmen anfingen. Wenn daher die Vorinstanzen der Rechtsmeinung waren, dass davon auszugehen sei, dass diese Einstufung auch nach Ansicht des Dienstgebers der „Grundeinstufung“ für diese Tätigkeit entsprach und nicht auf eine freiwillige Höherreihung aufgrund des Planstellensystems zurückzuführen ist, ist dies jedenfalls vertretbar.

7. Dass die Beklagte mit Stichtag 30. 4. 2004 für die Zukunft Beförderungen ohne Änderung des Tätigkeitsbereichs ausschloss, hat auf die Situation der Klägerin schon deshalb keine Einfluss, weil es bei ihr nach Abschluss des Studiums zu einer wesentlichen Tätigkeitsänderung kam, die auch eine Neueinstufung entsprechend dieser Tätigkeit nach § 24 AVB erforderlich machte. Dass ab dem Stichtag die (vertraglich vereinbarte) (Grund‑)Einstufung einer bestimmten Tätigkeit nach den AVB, dort wo sie nicht allein dem Planstellensystem folgte, nach anderen Grundsätzen vorzunehmen ist als bisher, lässt sich den Feststellungen ebenfalls nicht entnehmen.

Soweit die Beklagte neu eingestellte Mitarbeiter geringer entlohnt, kann deren Situation mit der der Klägerin nicht verglichen werden, da diese einem anderen Gehaltsschema unterliegen und auf sie die AVB keine Anwendung finden.

8. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte