OGH 9ObA50/18w

OGH9ObA50/18w28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner RAe GmbH, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in Graz, wegen 2.214,88 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. März 2018, GZ 7 Ra 61/17w‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00050.18W.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung vom freien Dienstvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, das heißt die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers (RIS-Justiz RS0021332; RS0021306).

2. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang verschiedene Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit erarbeitet, die aber nicht alle gemeinsam vorliegen müssen und in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen können. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (RIS-Justiz RS0021284 [T11, T20]; RS0021306 [T10]). Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem die Weisungsgebundenheit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge, einschließlich der Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber (vgl 9 ObA 40/16x).

Davon unterscheidet sich der freie Dienstvertrag besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten, also ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten und jene Weisungen, die für den echten Arbeitsvertrag prägend sind, und die selbst gewählte Gestaltung jederzeit wieder zu ändern (RIS-Justiz RS0021518; RS0021743).

3. Wenn die Vorinstanzen unter Zugrundelegung dieser Abgrenzungskriterien davon ausgegangen sind, dass zwischen den Parteien ein freier Dienstvertrag zustande gekommen ist, ist diese Rechtsmeinung jedenfalls vertretbar. Der Kläger sollte als Bildungsberater für die Beklagte potenzielle Kunden besuchen und Schulungen und Kurse verkaufen. Die Arbeitszeit und den Arbeitsumfang konnte er selbst bestimmen. Die der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Anzahl der Kundenkontakte war nicht verbindlich. Ein Arbeitsort war grundsätzlich nicht vorgegeben. Ein fixer Bürotag pro Woche war nur für die ersten 4–6 Wochen vorgesehen, danach sollte der Kläger in der Lage sein, die Tätigkeit selbstständig zu verrichten. Ihm wurden keine Betriebsmittel zur Verfügung gestellt. Er konnte sich ohne Mitteilung an die Beklagte vertreten lassen.

In einer Gesamtbetrachtung weist die Vereinbarung zwischen den Parteien daher erhebliche Merkmale eines freien Dienstverhältnisses auf.

4. Soweit die Revision aus einzelnen Elementen der Vertragsbeziehung eine persönliche Abhängigkeit des Klägers ableiten will, gelingt es ihr nicht, Bedenken an dieser Rechtsauffassung zu wecken.

Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis die persönliche Abhängigkeit und Dienstnehmereigenschaft nur dann ausschließt, wenn das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (RIS-Justiz RS0118332). Dass eine Vertretung bei oder ein Tausch von Beratungsgesprächen möglich war, wurde aber ausdrücklich festgestellt, ebenso dass der Kläger von der Möglichkeit eines Tausches während des nur wenige Wochen dauernden Vertragsverhältnisses Gebrauch gemacht hat. Dass für die Erbringung einer bestimmten Leistung für die Vertretung nur Personen in Frage kommen werden, die dafür fachlich auch geeignet sind, ändert nichts daran, dass damit keine Pflicht zur höchstpersönlichen Leistung bestand.

Soweit die Revision geltend macht, dass ein generelles Vertretungsrecht nicht mit der im Vertrag enthaltenen Geheimhaltungsklausel in Einklang zu bringen sei, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot. Darauf kann daher nicht weiter eingegangen werden.

Der Kläger war auch weder verpflichtet, seine Dienste kontinuierlich zu erbringen noch seine Arbeitskraft ausschließlich für die Beklagte zur Verfügung zu stellen. Insoweit geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Die Vorgabe eines bestimmten Schemas für die Gesprächsführung, die Nachbesprechung und die Analyse von Gesprächen sollten offenkundig den Kläger bei seiner Tätigkeit unterstützen. Konsequenzen bei Nichteinhaltung des Schemas konnten gerade nicht festgestellt werden. Eine persönliche Weisungsunterworfenheit lässt sich entgegen der Revision daraus nicht ableiten. Die Möglichkeit der Erteilung sachlicher Weisungen, ist mit freien Dienstverträgen nicht unvereinbar (RIS-Justiz RS0021518 [T27]).

5. Insgesamt gelingt es der Revision nicht, eine erhebliche Rechtsfrage oder eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte