OGH 13Os42/18b

OGH13Os42/18b27.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB, AZ 80 Hv 5/16y des Landesgerichts Klagenfurt, über den Antrag des Verurteilten Josef K***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00042.18B.0627.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 18. Oktober 2016, GZ 80 Hv 5/16y‑512, wurde Josef K***** rechtskräftig des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Zugleich wurde die Privatbeteiligte H***** AG nach § 366 Abs 2 StPO mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der gegen diesen Ausspruch gerichteten Berufung der Privatbeteiligten gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 29. September 2017, AZ 1 Bs 44/17f (ON 533 der Hv‑Akten), Folge und erkannte Josef K***** schuldig, der H***** AG 397.483,30 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Zu der in der Berufung behaupteten Gegenforderung des Verurteilten verwies das Oberlandesgericht auf das nach seiner Rechtsansicht aus § 1440 zweiter Satz ABGB resultierende Aufrechnungsverbot (US 13 f).

Der hinsichtlich der letztgenannten Entscheidung erhobene Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens des Verurteilten Josef K***** ist – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Im strafgerichtlichen Adhäsionsverfahren (§§ 366 ff StPO) geltend gemachte privatrechtliche Ansprüche fallen – ebenso wie dagegen kompensationsweise eingewendete Gegenforderungen (hiezu näher Spenling , WK‑StPO § 369 Rz 7 bis 9) – unter den zivilrechtlichen Aspekt des (hier allein angesprochenen) Art 6 MRK (vgl Meyer‑Ladewig , EMRK 4 Art 6 Rz 12, 21 und 41 mwN). Dessen Verletzung kann vom EGMR insoweit nur dann aufgegriffen werden, wenn das Ergebnis des Verfahrens – also die bekämpfte Entscheidung selbst – unmittelbar für das in Rede stehende (Zivil‑)Recht entscheidend war ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 15; Meyer‑Ladewig , EMRK 4 Art 6 Rz 18; jeweils mwN). Rein verfahrensrechtliche Entscheidungen scheiden insoweit (mangels Entscheidung in der Sache) als Anknüpfungspunkte für behauptete Verletzungen des Art 6 MRK aus ( Meyer‑Ladewig , EMRK 4 Art 6 Rz 20 mwN). Demnach setzt die Bekämpfung eines Adhäsionserkenntnisses – auch in Bezug auf eine gegen den jeweiligen privatrechtlichen Anspruch eingewendete Gegenforderung – unter dem Aspekt des Art 6 MRK voraus, dass (letztinstanzlich [Art 35 Abs 1 MRK]) in der Sache entschieden wurde, also keine Möglichkeit besteht, den im Strafverfahren erhobenen Anspruch (insbesondere durch Klage vor den Zivilgerichten) geltend zu machen ( Meyer‑Ladewig , EMRK 4 Art 6 Rz 41).

Fallbezogen hat das Berufungsgericht nur über das Vorliegen eines Aufrechnungsverbots, nicht jedoch über den Bestand der vom Verurteilten eingewendeten Gegenforderung entschieden. Es traf also gerade keine Sachentscheidung über die compensando eingewendeten zivilrechtlichen Ansprüche, womit sein Urteil kein Hindernis für die Durchsetzung dieser Ansprüche im Zivilrechtsweg darstellt (vgl RIS‑Justiz RS0041281).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche der H***** AG eingewendete Gegenforderung des Verurteilten bildet somit keinen Bezugspunkt für die Geltendmachung einer Verletzung des Art 6 MRK.

Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 363b Abs 1 und 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte