European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122152
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei als Gläubigerin im Exekutionsverfahren 9 E 8/15w des Bezirksgerichts Korneuburg schuldig, die vorrangige Befriedigung der klagenden Partei mit dem Betrag von 46.875 EUR aus dem Erlös der gepfändeten Sache, nämlich dem Superädifikat auf den Grundstücken Nr. 2070 und .1130, innliegend EZ * GB *, zu dulden, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.288 EUR (darin 548 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 5.236,72 EUR (darin 515,12 EUR USt und 2.146 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.087,24 EUR (darin 371,04 EUR USt und 2.861 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der ein Superädifikat (Einfamilienhaus) errichtet ist. Sie schloss im Jahr 2005 als Bestandgeberin einen Bestandvertrag mit dem späteren Verpflichteten, der das Superädifikat im Jahr 2004 erworben hatte. Die Beklagte (Bank) gewährte dem Bestandnehmer ein Darlehen; die dessen Besicherung dienende Pfandbestellungsurkunde betreffend das Superädifikat vom September 2008 wurde in der Urkundensammlung nach dem UHG hinterlegt.
Das Superädifikat wurde am 10. November 2016 in dem von der Beklagten (und von beigetretenen Gläubigern) gegen den Verpflichteten (Bestandnehmer der Klägerin) geführten Zwangsversteigerungsverfahren um 46.875 EUR versteigert. In der Meistbotsverteilungstagsatzung am 29. Juni 2017 meldeten die Klägerin und die Beklagte jeweils Forderungen zur Berichtigung an, die das erzielte Meistbot überstiegen.
Die Klägerin begehrte mit der am 22. Juni 2017 eingebrachten Pfandvorrechtsklage, die Beklagte schuldig zu erkennen, die vorrangige Befriedigung aus dem Erlös des gepfändeten Superädifikats zu dulden. Sie habe als Bestandgeberin ein Vorzugspfandrecht für offene Bestandzinse am Superädifikat, weil dieses als bewegliche Sache und auch als eingebracht im Sinn des § 1101 ABGB gelte und sei daher aus dem Erlös des gepfändeten Superädifikats vorrangig zu befriedigen.
Die Beklagte wendete ein, es bestehe das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit, weil die Frage eines gesetzlichen Vorzugspfandrechts am Superädifikat in der Meistbotsverteilungstagsatzung zu klären und eine zusätzlich eingebrachte Pfandrechtsklage unzulässig sei. Nach der EO seien für Superädifikate die Bestimmungen für die Exekution auf unbewegliches Vermögen anzuwenden. In § 216 EO sei ein gesetzliches Vorzugspfandrecht nicht enthalten. Eine ausdehnende Interpretation des gesetzlichen Pfandrechts nach § 1101 ABGB, das nur eine Ausnahmebestimmung darstelle, sei unzulässig. Ein Bestandgeber dürfe nicht mit der Exekution zuwarten, weil sonst die Pfandrechte der Gläubiger am Superädifikat dessen Wert nicht mehr kalkulierbar mache.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Im anhängigen Verteilungsverfahren werde nicht über die Ansprüche der einzelnen Gläubiger entschieden; daher liege kein Prozesshindernis (Streitanhängigkeit) vor. Der Bestandgeber sei durch § 1101 ABGB privilegiert; für diese Sicherung bestehe keine zeitliche Beschränkung nach § 48 Abs 4 IO. Dem Vermieter der Liegenschaft stehe ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen zu; dies gelte auch für Superädifikate. Daher sei das Klagebegehren berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der Verteilungsbeschluss hindere den Gläubiger nicht, sein „besseres Recht“ gegen den zu Unrecht begünstigten Gläubiger als Verwendungsanspruch mit Klage geltend zu machen. Nach Ausfolgung des Meistbots sei zwar eine Pfandvorrechtsklage nicht mehr möglich, hier sei die Klage aber ohnedies vor dem Termin der Verteilungstagsatzung eingebracht worden. Das Pfandrecht nach § 1101 ABGB sei ein gesetzliches Pfandrecht; spätere, vertragliche Pfandrechte stünden dem Bestandgeberpfandrecht im Range nach. Daraus ergebe sich, dass das Pfandrecht der Klägerin dem der Beklagten im Rang vorgehe.
Die Revision sei zulässig, weil zur Frage eines Bestandgeberpfandrechts bei einem Superädifikat und zum sich daraus ergebenden Befriedigungsrang keine (aktuelle) höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen bzw zurückgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
1. Durch die EO‑Novelle 2000 (BGBl I Nr 59/2000) bezog der Gesetzgeber – wie die Beklagte zutreffend einwandte und das Berufungsgericht in seiner Begründung erwähnte – die Exekution auf Superädifikate ausdrücklich in die Bestimmungen über die Exekution auf unbewegliches Vermögen ein. Zuvor wurde auf Superädifikate im Rahmen einer Fahrnisexekution gegriffen (mit der Begründung, dass sie sachenrechtlich zu den beweglichen Sachen gehörten). Die Gesetzesmaterialien zur EO‑Novelle 2000 verweisen darauf, dass es im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse, die mit denen von Exekutionen auf Liegenschaften vergleichbar seien, jedoch sachgerechter erscheine, die Exekution auf Superädifikate den Bestimmungen über die Zwangsversteigerung (§§ 133 ff EO) zu unterstellen (RV, 93 BlgNR 21. GP 38; dazu auch Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 133 Rz 1 aE und § 134; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 13 GBG Rz 161; Rechberger/Graf, Das Superädifikat, immolex 2004, 260; Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider, EO16 [2017] § 134). Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – das Bauwerk nach allgemeinen Regeln somit ein unselbständiger Bestandteil der Liegenschaft wäre (zur Abgrenzung ausführlich Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 134 Rz 4/1 bis 4/4 mwN).
2. Die Bestimmung des § 258 Abs 1 EO, nach der ein Pfandgläubiger, der sich nicht im Besitz einer beweglichen Sache befindet, schon vor Fälligkeit der Forderung, für die sein Pfand- oder Vorzugsrecht besteht, seinen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös der fraglichen Sache mittels Klage geltend machen kann, gilt nur für Exekutionsverfahren auf bewegliches Vermögen (2. Abschnitt zweiter Titel der Exekutionsordnung [§§ 249 ff EO]). Im Verfahren über die Zwangsversteigerung eines Superädifikats – wie im Anlassfall – ist die Bestimmung des § 258 EO daher nicht anwendbar.
3. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob der Klägerin als Bestandgeberin der Liegenschaft für ihre (bereits titulierten) Forderungen gegen den Bestandnehmer als Verpflichteten am (bereits vor dem Mietvertragsabschluss errichteten) Superädifikat ein gesetzliches Pfandrecht gemäß § 1101 ABGB zusteht (dies für einen vom Mieter errichteten Überbau bejahend etwa: Klang in Klang V2 68 und Eliskases, Kreditsicherung durch Superädifikate [2008], 113; eher zweifelnd zum Bestandgeberpfandrecht am Superädifikat des Bestandnehmers hingegen: Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1101 Rz 15 mwN; ein solches ablehnend: Pariasek in Konecny, Insolvenz‑Forum 2015, 94 f), oder ob ein solches nur an den dort eingebrachten Fahrnissen in Betracht kommt, stellt sich somit gar nicht: Kann die Klägerin doch– unabhängig davon, welche diesbezüglichen Rechte ihr zukommen – jedenfalls keine Pfandvorrechtsklage nach § 258 EO betreffend den Erlös aus der Versteigerung des vorliegenden Superädifikats erfolgreich geltend machen.
Schon mangels Durchführung der Meistbotsverteilungstagsatzung und Erhebung eines Widerspruchs stellt sich hier die Frage nicht, ob die Klage als Widerspruchsklage nach § 231 EO umzudeuten ist.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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