OGH 9Ob24/18x

OGH9Ob24/18x17.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** M*****, vertreten durch Braun Königstorfer Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2017, GZ 3 R 117/17x‑20, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. Juli 2017, GZ 1 Cg 127/16t‑13, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00024.18X.0517.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die „Ergänzende Mitteilung“ der beklagten Partei vom 10. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR (darin 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin errichtet und betreibt überregionale Stromnetze zur elektrischen Energieübertragung. Mit Bescheid vom 14. 12. 2015 genehmigte die Salzburger Landesregierung die Trassenführung einer von der Klägerin neu zu errichtenden Starkstromleitung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP‑G 2000). Diese führt ua über Grundstücke des Beklagten, auf denen dieser die Errichtung einer Hühnerstallanlage beabsichtigt. Dafür wurde dem Beklagten rechtskräftig die Baubewilligung erteilt.

Der erstinstanzlich ergangene UVP‑Bescheid ist nicht rechtskräftig. Dagegen wurden zahlreiche Beschwerden, ua auch vom Beklagten, erhoben. Das Berufungsverfahren ist derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Das Erstgericht gab der Unterlassungsklage der Klägerin statt. Das Berufungsgericht wies die Begehren der Klägerin, der Beklagte sei schuldig, die Errichtung eines Gebäudes oder einer sonstigen Baulichkeit innerhalb des im Lageplan Beilage ./D rot markierten Leitungs-Dienstbarkeitsstreifens, in eventu dies ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Klägerin oder deren Rechtsnachfolger, zu unterlassen, ab. Die alleine auf eine missbräuchliche Rechtsausübung gemäß § 1295 Abs 2 ABGB des Beklagten gestützten Klagebegehren seien nicht berechtigt, weil es dem Beklagten im Rahmen seines Eigentumsrechts gestattet sei, die Begründung einer Dienstbarkeit auf seinen Grundstücken zu verhindern. Abgesehen davon entstehe erst durch die Rechtskraft des UVP-Bescheids ein Leitungsrecht der Klägerin. Dann stehe der Klägerin noch immer die Möglichkeit der Enteignung nach den §§ 18 ff Starkstromwegegesetz 1968 offen.

Rechtliche Beurteilung

I.1. Der Beklagte will aus einem seines Erachtens nur mit 20.000 EUR zu bewertenden Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts – anstelle der angeblich überhöhten Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend durch das Berufungsgericht – die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin ableiten. Dabei übergeht er aber, dass vom Berufungsgericht die ordentliche Revision ausdrücklich zugelassen wurde (§ 500 Abs 2 Z 3, § 502 Abs 3 ZPO).

2. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Konsenswerber nach dem Starkstromwegegesetz 1968 noch vor Entstehen seines Leitungsrechts einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1295 Abs 2 ABGB gegen einen vom beantragten Leitungsrecht betroffenen Grundeigentümer hat. Dem schloss sich die Revisionswerberin zwecks Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Dem gegenüber bestritt der Revisionsgegner das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Klägerin.

3. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

4. Die Zulässigkeit eines (vorbeugenden) Unterlassungsanspruchs ist nach den Vorschriften des materiellen Rechts zu beurteilen. Ein solcher besteht grundsätzlich im Fall eines rechtswidrigen Eingriffs in eine fremde Rechtssphäre bzw einer rechtswidrigen Gefährdung einer solchen. Unterlassungsklagen können nach ständiger Rechtsprechung etwa zum Schutz vor Eingriffen in absolut geschützte Rechte oder im Rahmen bestehender vertraglicher Schuldverhältnisse erhoben werden (RIS‑Justiz RS0010540; 8 Ob 58/12f). Immer muss aber ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret drohen (RIS‑Justiz RS0012061; RS0010479; 1 Ob 142/17i). Dies ist hier nicht der Fall.

5. Die Klägerin leitet ihren Unterlassungsanspruch nicht aus einem bereits bestehenden (Leitungs‑)Recht ab, sondern zieht einen Vergleich ihrer Rechtsposition mit Konstellationen, bei denen jemand eine Rechtsposition noch nicht (vollständig) erlangt hat, der Erwerb jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird. Genannt werden Anwartschaftsrechte (zB gemäß WEG), aufschiebend bedingte Rechtspositionen (wie zB fideikommissarische Substitutionen oder der Fall des § 1236 ABGB) und die Globalzession künftiger Forderungen (§ 1393 ABGB). Würde der Beklagte die Hühnerstallanlage behördlich wie bewilligt errichten, wäre nach den Behauptungen der Klägerin der Abstand zu den Leitungsseilen zu gering. Eine dadurch erforderliche Trassenänderung würde eine Neuprojektierung erforderlich machen.

6. Die derzeitige Rechtsposition der Klägerin ist mit den in der Revision genannten Fällen nicht vergleichbar. Die Klägerin hat zum jetzigen Zeitpunkt kein Recht gegenüber dem Beklagten, das diesem eine bestimmte Nutzung seiner landwirtschaftlichen Grundstücke untersagen würde. Die Klägerin hat keine Rechtsposition, die einem Anwartschaftsrecht oder einem aufschiebend bedingten Recht gleichkommt. Ob sich ein „rechtlicher Besitzstand“ für die Klägerin bereits mit der Rechtskraft der (UVP‑)Genehmigung ergibt (vgl Onz, Die Genehmigung der 380‑kV‑Steiermarkleitung nach dem UVP‑G 2000 – Spezifische Ermittlungs- und Entscheidungsaufgaben für die UVP‑Behörden bei der Genehmigung UVP‑pflichtiger Energiewege, RdU‑UT 2009/20 [57]) oder (überhaupt erst) mit der Verbücherung vertraglich oder im Zwangsrechtsweg erworbener Leitungsdienstbarkeiten (§§ 11 f, 16 Starkstromwegegesetz 1968), weil auch mit der Baubewilligung allein noch kein Rechtstitel für die Inanspruchnahme fremder Grundstücke geschaffen wird (vgl Lindner, Starkstromwege 219 [235], in Beiträge zum Elektrizitätsrecht [2009], herausgegeben vom Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz), sondern die Einleitung der (Zwangsrechts‑)Verfahren nach den §§ 11 bis 17 bzw §§ 18 bis 20 Starkstromwegegesetz 1968 das Vorliegen eines rechtskräftigen Titelbescheids, dh einer Bau- und Betriebsbewilligung gemäß § 7 Starkstromwege-gesetz 1968 voraussetzt (Neubauer/Onz/Mendel, Starkstromwegerecht [2010] § 11 StWG Rz 10), braucht hier nicht näher untersucht zu werden. Die Klägerin erfüllt weder das eine noch das andere Kriterium.

7. Der Vorwurf in der Revision, das Berufungsgericht sei bei seiner Beurteilung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, trifft nicht zu. In der Entscheidung 4 Ob 529/74, auf die die Revision abstellt, wurde dem Nacherben ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen unmittelbar bevorstehende rechtsmissbräuchliche Verfügungen des Vorerben zugebilligt, dies aber zum Schutz seines bereits vor dem Nacherbfall bestehenden dinglichen Rechts am Substitutionsgut. Das Bestehen eines dinglichen Rechts behauptet die Klägerin aber gar nicht.

II. Der Beklagte hat nach seiner Revisionsbeantwortung einen weiteren Schriftsatz („Ergänzende Mitteilung“) eingebracht. Dieser Schriftsatz verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0041666) und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979). Kostenbemessungsgrundlage ist jedoch weiterhin der in der Klage angegebene Streitwert und nicht der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts, der nur für die Zulässigkeit der Revision von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0035750).

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