OGH 6Nc8/18f

OGH6Nc8/18f2.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler sowie Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Peter Kolb und andere Rechtsanwälte in Imst, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe (Streitwert 3.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über den Delegierungsantrag des Klägers in dem zu AZ 18 Cg 26/18b des Landesgerichts Eisenstadt anhängigen Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060NC00008.18F.0502.000

 

Spruch:

Anstelle des Landesgerichts Eisenstadt wird zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache das Landesgericht Innsbruck bestimmt.

Begründung:

Der Kläger hat die Beklagte unter anderem mit Planungsleistungen bei seinem Bauvorhaben in L***** in Tirol beauftragt. Er begehrt die Herausgabe von diversen Plänen, Berichten und dergleichen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden aus der unsachgemäßen Planung des Bauvorhabens. Zum Beweis für seine Behauptungen beruft er sich auf seine eigene Parteienvernehmung und die Einvernahme von fünf Zeugen, die alle in Tirol wohnen.

Die Beklagte wendet mangelnde Aktivlegitimation des Klägers, fehlendes rechtliches Interesse für das Feststellungsbegehren und den Umstand ein, sie habe ihre Herausgabepflicht bereits erfüllt. Zum Beweis für ihre Behauptungen beruft sie sich auf ihre eigene Parteienvernehmung.

Die Klagevertreter haben ihren Kanzleisitz in Tirol, der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz in Graz.

Der Kläger beantragt die Delegierung der Rechtssache gemäß § 31 JN an das Landesgericht Innsbruck unter Hinweis insbesondere auf die Wohnorte der einzuvernehmenden Zeugen; darüber hinaus würden beim Landesgericht Innsbruck bereits jedenfalls drei Verfahren das Bauvorhaben des Klägers betreffend behängen, in denen bereits Sachverständigengutachten eingeholt worden seien, die auch für das gegenständliche Verfahren nutzbar gemacht werden könnten.

Die Beklagte spricht sich gegen eine Delegierung aus; im vorliegenden Verfahren seien ausschließlich Rechtsfragen zu lösen, außerdem könne eine Entscheidung letztendlich aufgrund der „erliegenden“ Urkunden und Sachverständigengutachten getroffen werden. Allenfalls doch notwendige Einvernahmen könnten im Weg einer „Videoschaltung“ durchgeführt werden.

Das Landesgericht Eisenstadt, das den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vorlegte, trat diesem „im Hinblick auf die Nähe [des Landesgerichts Innsbruck] zum Beweis“ nicht entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Delegierung ist gerechtfertigt.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder ein maßgeblicher Teil davon nach der Delegierung vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer ist als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS‑Justiz RS0046333 [T3]; jüngst auch 6 Nc 3/18w). Ähnlich dem der Entscheidung 6 Nc 3/18w zugrunde liegenden Sachverhalt überwiegt auch hier die Sach- und Beweisnähe des Landesgerichts Innsbruck im Hinblick auf die Wohnsitze des Klägers und der beantragten Zeugen; lediglich die Beklagte hat ihren Sitz außerhalb Tirols. Wenn aber sowohl der Kläger als auch die beantragten Zeugen ihren Wohnsitz im Sprengel des beantragten Gerichts haben, fällt der Wohnsitz der Beklagten nicht ins Gewicht (Schneider in Fasching/Konecny³ I [2013] § 31 JN Rz 30 unter Hinweis auf 1 Ob 259/11m); unbeachtlich ist der Kanzleisitz eines Parteienvertreters (1 Ob 259/11m; 4 Ob 194/10y).

Dem Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit einer Videokonferenz ist entgegen zu halten, dass die Einvernahme vor dem erkennenden Gericht jener im Weg der Videokonferenz jedenfalls dann vorzuziehen ist, wenn praktisch das gesamte Beweisverfahren auf diese Weise durchgeführt werden müsste (6 Nc 3/18w). Dass sich das gesamte erstinstanzliche Verfahren (lediglich) auf reine Rechtsfragen beschränken wird, lässt sich dem wechselseitigen Vorbringen nicht zwingend entnehmen; im Übrigen ist es nicht Aufgabe des über einen Delegierungsantrag nach § 31 JN entscheidenden Gerichts, vorweg die Behauptungen der Parteien in rechtlicher Hinsicht zu prüfen, um feststellen zu können, ob tatsächlich ohne Aufnahme von Personen oder Sachverständigenbeweisen eine Entscheidung über den geltend gemachten Klagsanspruch möglich sein wird.

Stichworte