OGH 22Ds2/18s

OGH22Ds2/18s25.4.2018

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 25. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Dr. Waizer sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 10. November 2017, GZ D 16‑42‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0220DS00002.18S.0425.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach der Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer aus, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung des Rechtsanwalts ***** wegen des Vorwurfs bestehe, er hätte in ***** eine ständige Zusammenarbeit mit einem nicht näher bekannten Prozessfinanzierer vereinbart und bewerbe in diesem Zusammenhang Prozessfinanzierungsverträge bei Gemeindegutsagrargemeinschaften und deren Mitgliedern, welche eine ihn begünstigende, nichtige Streitanteilsvereinbarung enthielten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene, die Fassung eines Einleitungsbeschlusses begehrende Beschwerde des Kammeranwalts ist nicht im Recht.

Dem Verfahren liegt eine schriftliche Anzeige des ***** vom 31. Mai 2016 zu Grunde, mit welcher dieser auf die Website www.a ***** aufmerksam macht, auf der der Beschuldigte bei Tiroler Gemeindegutsagrargemeinschaften und deren Mitgliedern um den Abschluss von Verträgen mit einer nicht näher genannten Prozessfinanzierungsgesellschaft werbe.

Im Vorverfahren wurde an Hand der Beilagen der Verdacht eines disziplinären Verhaltens dahin überprüft, ob der Beschuldigte eine ihn begünstigende, nichtige Streitvereinbarung mit einem Prozessfinanzierer bewerbe, mit dem er eine ständige Zusammenarbeit vereinbart habe.

Im Rahmen der weiteren durch den Untersuchungskommissär gepflogenen Erhebungen erstattete der Beschuldigte eine die Vorwürfe bestreitende schriftliche Stellungnahme, ohne jedoch inhaltlich auf die erhobenen Vorwürfe näher einzugehen.

Über Aufforderung des Untersuchungskommissärs konnte der Anzeiger einen allseits unterfertigten Prozessfinanzierungsvertrag nicht vorlegen, sondern verwies darauf, dass derzeit lediglich Musterverträge vorhanden wären. In weiterer Folge wurde dann jedoch ein Prozessfinanzierungsvertrag mit einem – nicht genannten – Mitglied einer Agrargemeinschaft übermittelt, wobei die Prozessfinanzierungsgesellschaft namentlich genannt ist und der Beschuldigte diesen Vertrag auch firmenmäßig unterfertigt hatte.

Entgegen den ursprünglichen Musterverträgen findet sich in diesem Prozessfinanzierungsvertrag kein Hinweis darauf, dass an den Beschuldigten ein Erfolgshonorar ausbezahlt werden würde. Zwar wird auf eine Beilage ./1 zum Erfolgshonorar verwiesen; worum es sich bei dieser Beilage handelt, ist aber weder ersichtlich, noch liegt diese vor.

Nach Ansicht des Disziplinarrats war aus den bisher vorliegenden Unterlagen und den Ermittlungsergebnissen kein disziplinarrechtliches Substrat dahingehend zu gewinnen, dass der Beschuldigte tatsächlich einen allenfalls nichtigen, weil gegen das Quota‑litis‑Verbot verstoßenden Vertrag mit einer Streitanteilsvereinbarung tatsächlich bewerben würde oder gar abgeschlossen hätte.

Ein Einstellungsbeschluss (§ 28 Abs 3 DSt) hat zu erfolgen, wenn kein Verdacht einer disziplinären Handlung besteht (RIS‑Justiz RS0056969). Vom eine Verfahrenseinstellung rechtfertigenden Fehlen eines solchen Verdachts ist – im Licht des § 212 Z 2 StPO (§ 77 Abs 3DSt) – dann auszugehen, wenn das Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Beschuldigten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist.

Die Beurteilung der Dringlichkeit einer Verdachtslage ist Sache der Beweiswürdigung des Senats gemäß § 28 DSt, während dem erkennenden Senat gemäß § 30 DSt die Prüfung vorbehalten ist, ob sich der Verdacht zum Schuldbeweis verdichtet hat (RIS‑Justiz RS0123210, RS0057005, 21 Ds 2/17g; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 3 DSt Rz 3, § 28 DSt Rz 9).

Indem die Beschwerde lediglich behauptet, dass bereits das Anbieten des Abschlusses eines nichtige und standeswidrige Bestimmungen im Sinn des § 16 RAO iVm § 879 Abs 2 Z 2 ABGB enthaltenden Vertrags ein Disziplinarvergehen begründet, orientiert sie sich nicht an den oben genannten Verdachtsannahmen (vgl 23 Ds 1/17z), die im Übrigen nicht zu beanstanden sind.

Dass eine Intensivierung des Verdachts durch weitere Ermittlungen (unter konkretem Hinweis auf mögliche Beweisaufnahmen) zu erwarten wäre, wird ebenfalls nicht behauptet (vgl 24 Os 2/15x, 24 Os 3/15v).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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