OGH 8Ob77/17g

OGH8Ob77/17g23.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* H*, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, gegen die beklagten Parteien 1. H* H*, 2. R* H*, ebendort, beide vertreten durch Graff Nestl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung und Einverleibung des Eigentumsrechts (Interesse 15.000 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2016, GZ 21 R 176/16d‑35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 30. Juni 2016, GZ 2 C 335/15z‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121398

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt unter Berufung auf den Rechtsgrund der Ersitzung die Feststellung seines Eigentumsrechts an einem näher bezeichneten Teilgrundstück, das derzeit einer im bücherlichen Eigentum des Erstbeklagten stehenden Liegenschaft zugeschrieben ist, weiters die Verpflichtung des Erstbeklagten (sowie der Zweitbeklagten als Verbotsberechtigter) in die Abschreibung dieses Grundstücks aus dem Gutsbestand ihrer Liegenschaft und Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers einzuwilligen.

Nach dem derzeitigen Mappenstand grenzt das Grundstück des Klägers, auf dem ein Bauernhof mit Wirtschaftsgebäuden errichtet ist, an der Südseite an das strittige Grundstück 36/1 an, welches als Fahnengrundstück mit einem Streifen bis zum öffentlichen Straßengut reicht. Das Grundstück 36/2 des Erstbeklagten wird im Norden und Osten vom Grundstück 36/1 umschlossen und grenzt im Süden ebenfalls an die öffentliche Straße.

Die Streitteile sind verwandt, der Kläger ist der Bruder des vorverstorbenen Vaters des Erstbeklagten und Schwager der Zweitbeklagten. Alle genannten Grundstücke standen ursprünglich im Eigentum der Eltern des Klägers bzw Großeltern des Erstbeklagten.

Am 28. 9. 1977 erteilte die zuständige Marktgemeinde den Eltern des Erstbeklagten die Baubewilligung für ein Einfamilienhaus auf dem (damals noch seinen Großeltern gehörigen) Grundstücken 36/1 und 36/2. Mit Übergabsvertrag vom 7. 12. 1977 wurde ihnen das Eigentumsrecht an den genannten Grundstücken übertragen.

In der Folge errichteten die Eltern des Beklagten auf diesen Grundstücken ein Einfamilienhaus, das im Wesentlichen auf dem Grundstück 36/2 und mit einem kleinen Teil auf dem Grundstück 36/1 situiert ist.

Am 9. 6. 1978 wurde ein Teilungsplan errichtet, in dem unter anderem eine beabsichtigte Teilung der Grundstücke 36/1 und 36/2 vorgesehen war. Es war eine Änderung der Konfiguration dahin geplant, dass das Grundstück 36/2 kürzer, aber breiter werden sollte und das Grundstück 36/1 dadurch nur mehr mit einem drei Meter breiten Streifen zur Straße hin reichen sollte, teilweise war im dort angrenzenden Bereich auch eine Übertragung ins öffentliche Gut vorgesehen. In diesem Teilungsplan sind der Kläger als neuer Eigentümer des umkonfigurierten Grundstücks 36/1 und die Rechtsvorgänger des Erstbeklagten nur als Eigentümer des Grundstücks 36/2 ausgewiesen.

Dieser Teilungsplan wurde der kommissionellen Bauverhandlung zugrundegelegt, aufgrund derer den Eltern des Erstbeklagten im Juni 1978 die Benützungsbewilligung für das Einfamilienhaus erteilt wurde. Der Teilungsplan wurde aber aus nicht feststellbaren Gründen nie verbüchert.

Am 29. 6. 1978 übergaben die Eltern des Klägers diesem ihre landwirtschaftliche Liegenschaft, wobei die beiden streitgegenständlichen Grundstücke in diesem Vertrag nicht erwähnt wurden. Am 27. 7. 1978 wurde der notarielle Übergabsvertrag vom 7. 12. 1977 verbüchert und die Grundstücke 36/1 und 36/2 in ihrer bestehenden Form vom bisherigen Gutsbestand abgeschrieben.

Ab 1978 bewirtschaftete der Kläger den vormals elterlichen Hof. Er hielt auf dem Grundstück 36/1, das mit einigen Obstbäumen bepflanzt war, Hühner und baute Gemüse an. Bis 1985 benützte er das Grundstück 36/1 auch fallweise zum Transport von Stroh.

Im Jahr 2003 wollte der Erstbeklagte zwecks Pferdehaltung eine Koppel mit Unterstand auf dem Grundstück 36/1 errichten. Der Kläger meinte zu diesem Vorhaben nur, dass der Erstbeklagte darauf achten solle, dass daneben noch eine für eine Scheibtruhe ausreichende Durchfahrtsbreite zur Straße verbleibe. Der vom Erstbeklagten und dessen Vater in der Folge errichtete Koppelzaun verlief teilweise auf dem Grundstück 36/1, aber nicht auf der im Teilungsplan projektierten neuen Grundstücksgrenze. Etwa 2009/2010 stellte der Kläger den Gemüseanbau und die Hühnerhaltung auf dem Grundstück 36/1 ein und legte dort einen Rasen an. Er errichtete eine Sitzbank und Spielgeräte, die von seinen Enkeln, aber auch von Kindern von Bekannten genutzt wurden.

Zwischen dem Kläger und seinem Bruder gab es bis zu dessen Ableben im Jahr 2013 keine Differenzen, ebensowenig zwischen dem Kläger und den Beklagten. Es wurde über das Eigentum an den Grundstücken nicht gesprochen, die festgestellten Nutzungen erfolgten jeweils ohne Widerspruch der anderen Seite. Auch die Beklagtenseite baute auf dem strittigen Grundstück Gemüse an und erntete Obst, die Lebensgefährtin des Erstbeklagten richtete dort einen Biomüllplatz ein.

Der Kläger ging davon aus, dass er aufgrund des Übergabsvertrags auch Eigentümer des Grundstücks 36/1 in den im Teilungsplan vorgesehenen Grenzen geworden sei. Die Zweitbeklagte ging davon aus, dass sie bis zum Ableben der Schwiegereltern (2005 bzw 2017) lediglich eine landwirtschaftliche Nutzung sowie ein Durchfahrtsrecht zur Scheune dulden müsste. Konkrete Vorstellungen des Erstbeklagten über die Rechtsverhältnisse waren nicht feststellbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die vom Kläger ausschließlich geltend gemachte Erwerbsart der Ersitzung erfordere den alleinigen, ausschließlichen Besitz über einen Zeitraum von mindestens dreißig Jahren. Es müssten dabei erkennbar Handlungen gesetzt werden, die den Eigentümer von der Ausübung seines Rechts ausschließen. Eine solche eindeutige Ausübung alleinigen Besitzes habe der Kläger nicht nachweisen können. Es habe die längste Zeit seit 1978 keine Einzäunung gegeben, die Beklagtenseite sei auch nie an der Mitbenützung des Grundstücks gehindert worden.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. Über Antrag des Klägers erklärte es nachträglich gemäß § 508 ZPO die Revision für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, „ob eine Partei, hier der Kläger, der davon überzeugt ist, Eigentümer eines Grundstückes zu sein und der in dieser Meinung Besitzhandlungen einer anderen Partei, hier des grundbücherlichen Eigentümers, auf dieser Liegenschaft duldet, die Voraussetzungen für eine Ersitzung erfüllt, wobei Voraussetzung hiefür ist, dass die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden so sichtbar zur Ausdruck kommt, dass sie eine Besitzausübung dritter Personen nicht zulässt“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem – für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Eine vermeintlich mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge nur vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hätte (RIS‑Justiz RS0043371), wovon hier keine Rede sein kann.

2. Zur Erfüllung der Ersitzungsvoraussetzungen an einer Liegenschaft ist nicht nur der Wille des Besitzers erforderlich, ein Recht auszuüben, sondern auch, dass die Leistung oder Duldung durch den Grundstückseigentümer erkennbar wie die Erfüllung einer Schuldigkeit geschieht, als hätte derjenige, dem geleistet wird oder dessen Handlungen geduldet werden, ein Recht darauf (RIS‑Justiz RS0009762 [T1]). Die Besitzausübung muss so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten Rechts erkennen kann (RIS‑Justiz RS0009762 [T11]).

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt naturgemäß immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

Dies ist hier nicht der Fall. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die festgestellte Benutzung des Grundstücks in ständiger familiärer Harmonie durch beide Familienzweige keine solche eindeutige Situation geschaffen hat, aus der sich klar eine herrschende Rechtsausübung des Klägers gegenüber den Rechtsvorgängern des Erstbeklagten ergeben hätte, ist nicht unvertretbar.

3. Für die hier zu lösende Rechtsfrage ist es insbesondere nicht relevant, dass der Erstbeklagte in den Jahren, in denen er auf dem strittigen Teilgrundstück Pferdehaltung betrieben hat, nur der Sohn der bücherlichen Eigentümer war. Weder ist es allgemein zwingend erforderlich, dass einer Ersitzung entgegenstehende Benützungshandlungen vom bücherlichen Eigentümer selbst ausgeübt werden, noch berücksichtigt der Revisionswerber die Feststellung, dass der Beklagte den Pferdekoppelzaun auf der strittigen Teilfläche mit Hilfe seines Vaters, eben des damaligen Eigentümers, errichtet hat.

4. Nicht zielführend sind die Revisionsausführungen, es hätten weder der Erst- noch die Zweitbeklagte nach den Feststellungen einen „Besitzwillen in Richtung Eigentum“ gezeigt bzw nicht zu erkennen gegeben, dass sie „auch Eigentümer des Grundstücks sein wollten“. Die Beklagten waren bzw sind schlicht die grundbücherlichen Eigentümer und es war der Kläger, der die Voraussetzungen für einen außerbücherlichen Erwerb zu beweisen hatte (RIS‑Justiz RS0034237, RS0034251).

5. Die Zweitbeklagte hat den strittigen Grundstücksteil nach den Feststellungen mitbewirtschaftet, indem sie wie der Kläger dort Gemüse angebaut und Obst geerntet hat. Die Revisionsbehauptung, die Mitnutzung der Beklagtenseite habe ausschließlich in der vorübergehenden Pferdehaltung bestanden, ist ebenso feststellungsfremd wie das Vorbringen, der Kläger habe die Errichtung der Pferdekoppel objektiv erkennbar in seiner Rolle als Eigentümer des Grundstücks gestattet.

6. Die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts für erheblich erachtete Rechtsfrage ist nicht ungeklärt (vgl 2 Ob 11/10x, SZ 2010/142), beim vorliegenden Sachverhalt aber auch nicht einschlägig. Nach den eingangs dargelegten Erfordernissen muss eine lediglich vom Ersitzungsbesitzer abgeleitete Benützung des strittigen Grundstücks durch den bücherlichen Eigentümer nach außen hin klar als Gestattung von Rechtsbesitz erkennbar sein. Nur dann ändert sie nichts am uneingeschränkten Sachbesitz des Ersitzenden. Diese Voraussetzungen haben die Vorinstanzen aber nach den hier vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen jedenfalls vertretbar verneint.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

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