OGH 1Ob26/18g

OGH1Ob26/18g21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* P*, vertreten durch die Rechtsanwälte Estermann & Partner OG, Mattighofen, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Mag. Christoph Aumayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, wegen 25.379,83 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2017, GZ 3 R 136/17s‑40, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 6. Juli 2017, GZ 4 Cg 61/16i‑30, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121303

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Über Auftrag der Klägerin lieferte und montierte die beklagte GmbH Fenster, Türen und Vorsatzrollläden. Dazu sind mittlerweile zwei Verfahren zwischen den Streitteilen anhängig. Im vorliegenden Fall sind die aufgrund von Mängeln von der Klägerin geltend gemachten Sanierungskosten der Gegenstand des Verfahrens. In einem bei einem Bezirksgericht anhängigen Verfahren begehrt die Beklagte ihrerseits von der Klägerin den nach Teilzahlung noch offenen Werklohn.

Das Erstgericht entschied über das Schadenersatzbegehren so, dass es der Bestellerin Sanierungskosten von 12.800 EUR sA zusprach und das Mehrbegehren abwies. Nach Zustellung dieses Urteils und während der offenen Rechtsmittelfrist fand im Verfahren vor dem Bezirksgericht eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung statt, in der die Klägerin (als Beklagte in jenem Verfahren) die – im vorliegenden Verfahren bereits zugesprochenen – Mängelbehebungskosten als Gegenforderung einwendete. Die durch denselben Rechtsanwalt vertretene Beklagte (als Klägerin in jenem Verfahren) bestritt die Gegenforderung und erklärte, dass „das Urteil des LG [...] von der dort beklagten, hier klagenden Partei anerkannt wird und dieser Zuspruch in der Hauptsache erfüllt werden wird. Ein weiterer Abzug über die geltend gemachten Ansprüche hinaus“ stehe nicht zu.

Zwei Tage später, am 8. 9. 2017, schon nach Ablauf der vierzehntägigen Frist zur Einbringung eines Kostenrekurses, brachte die Beklagte im vorliegenden Verfahren einen solchen ein. Der Beschluss über die Zurückweisung dieses Rechtsmittels als verspätet ist mittlerweile in Rechtskraft erwachsen. Noch vor dieser Zurückweisung, wenige Tage nach der Einbringung des Kostenrekurses, erhob die Beklagte auch Berufung und zwar soweit der Klägerin ein über 11.699,13 EUR sA hinausgehender Betrag zugesprochen wurde, also im Umfang von 1.100,87 EUR. Sie führte aus, es sei ihr bei Überprüfung der Rechtsmittelfrist für die Berufung aufgefallen, dass die Berechnung irrtümlich vom 25. 8. und nicht vom 17. 8. vorgenommen worden sei, weswegen mit einer Zurückweisung des Kostenrekurses zu rechnen sei, während die Berufungsfrist noch offen sei. Sie berief sich allein auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und trug dazu vor, sie habe ein Angebot eines Unternehmens vorgelegt, das für drei Türen mit einer bestimmten Verglasung um 1.100,87 EUR günstiger sei „als die Ausmittlung des Schadenersatzbetrags für eine Sanierung gemäß dem Sachverständigen“. Das Erstgericht lasse außer Acht, dass die Klägerin einer Schadenminderungspflicht unterliege, welche bei „Nichtannahme des gegenständlichen Angebots“ verletzt werde. Im Weiteren legte sie unter Punkt 2. (Berufung im Kostenpunkt) wortgleich mit ihrem verspäteten Kostenrekurs dar, aus welchen Gründen und in welchem Umfang sie die Kostenentscheidung des Erstgerichts als unrichtig erachtete.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, die sich gegen die Abweisung ihres Mehrbegehrens wendete, nicht Folge, und wies mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung der Beklagten zurück. Es ging von einem wirksamen Rechtsmittelverzicht derselben aus, den die Klägerin durch Übermittlung des Protokolls, das die eingangs wiedergegebene Erklärung der anwaltlich vertretenen Beklagten im Verfahren vor dem Bezirksgericht festhalte, dem Gericht gegenüber auch in der notwendigen Form zur Kenntnis gebracht habe. Die Authentizität des Protokolls habe es durch Einsichtnahme in das VJ‑Register überprüft. Aus dem Wortlaut der darin festgehaltenen Erklärung ergebe sich unzweifelhaft, dass sich die Beklagte als Prozesspartei freiwillig ihres Rechts auf Erhebung eines Rechtsmittels gegen die auch ausdrücklich genannte Entscheidung begeben habe, weswegen die Berufung gemäß § 472 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen sei.

Dagegen erhob die Beklagte ein Rechtsmittel, das sie als „Antrag gemäß § 508 ZPO auf Zulassung der ordentlichen Revision“ betitelte, in welchem sie sich aber allein gegen die Zurückweisung ihrer Berufung als verfehlt wendete. Einen Tag später und immer noch innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen ab Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichts brachte sie einen nun als Rekurs bezeichneten Schriftsatz ein, der inhaltlich in dem zuvor genannten Rechtsmittel entspricht und somit (abgesehen von den unterschiedlichen Bezeichnungen als Revision bzw Rekurs und den daraus abgeleiteten Anträgen) wiederum die Zurückweisung der Berufung releviert. Kurz danach zog sie den erstgenannten Schriftsatz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass die Zurückziehung des zunächst irrig erhobenen Abänderungsantrags nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision im Zusammenhang mit der (rechtzeitigen) Einbringung des Rekurses dahin zu verstehen ist, dass mit dem zweiten – in Bezug auf die Bemängelungen wortgleichen – Rechtsmittelschriftsatz der erste lediglich verbessert werden sollte (vgl RIS‑Justiz RS0041666 [T55]).

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf den Streitwert und ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RIS‑Justiz RS0043882 [T3]; vgl RS0043861 [T1] ua; zum Rechtmittelverzicht s RS0098745 [T9]); er ist aber nicht berechtigt.

Soweit die Rekurswerberin meint, die „Erklärung“ eines Zeugen könne nicht zu einem verbindlichen Rechtsmittelverzicht führen, sei doch dieser nicht für sie vertretungsbefugt gewesen, ist ihr zu entgegnen, dass sich das Berufungsgericht auf dessen Äußerung in jener Tatsatzung vor dem Bezirksgericht gar nicht gestützt hat.

Es sei aber nach ihrer Ansicht auch das Vorbringen ihres Rechtsvertreters keine prozessuale Erklärung im vorliegenden Verfahren. Dieser habe sich auf die mündlich erteilte Bevollmächtigung nach § 30 Abs 2 ZPO berufen, sei nur zu den in § 31 ZPO genannten Handlungen und Aufgaben in dem Verfahren vor dem Bezirksgericht befugt gewesen, und es hätten sich seine Erklärungen auch nur auf jenes Verfahren bezogen. Zu einer generellen Vertretung der Gesellschaft sei er nicht befugt gewesen.

Auf den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Rechtsmittelverzicht muss aber schon deshalb nicht eingegangen werden, weil sich die Beklagte in ihrer Berufung in der Hauptsache nur auf einen nicht gesetzmäßig ausgeführten Rechtsmittelgrund stützte. Feststellungen zu „günstigeren“ Sanierungskosten als jenen in konkreter Höhe festgestellten, die eine Sanierung nach dem Ersturteil erfordert, hatte das Erstgericht nicht getroffen (vgl RIS‑Justiz RS0043603 [insbes T8]; RS0043312 [insbes T14]).

Das Berufungsgericht wies die Berufung schon deshalb zu Recht zurück, weil die nicht gesetzmäßige Ausführung eines Rechtsmittels bzw von Rechtsmittelgründen nach ständiger Rechtsprechung nicht zur Einleitung eines (weiteren) Verbesserungsverfahrens führen kann (vgl RIS‑Justiz RS0036173 [insbes T3 zu einem von einem feststellungsfremden Sachverhalt ausgehenden Rechtsmittel]; G. Kodek in Fasching/Konecny³ II/2 §§ 84, 85 Rz 183; E. Kodek in Rechberger 4 § 471 ZPO Rz 10). Eine Berufung, die nur unzulässige Inhalte aufweist ist wie eine nur aus unzulässigen Rechtsmittelgründen erhobene einer gesetzlich unzulässigen Berufung gleichzustellen und daher zurückzuweisen (2 Ob 174/12w; 4 Ob 178/14a; vgl 10 ObS 150/09w und zum „Vollrekurs“, bei dem es keiner erheblichen Rechtsfrage bedarf, 1 Ob 24/17m). Ist aber die Berufung in der Hauptsache nicht zulässig und dient sie – wie im vorliegenden Fall erkennbar – nur der Inanspruchnahme der längeren Rechtsmittelfrist zur Ausführung des bereits wegen Verspätung zurückgewiesenen Kostenrekurses, bleibt für die Behandlung der „Berufung im Kostenpunkt“ kein Raum. Dass nämlich die Kostenentscheidung des Erstgerichts, gegen die ansonsten der Kostenrekurs binnen vierzehn Tagen einzubringen ist, bei gleichzeitiger Bekämpfung auch der Hauptsache binnen einer Frist von vier Wochen angefochten werden kann (§ 55 ZPO; M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 § 55 ZPO Rz 1; ders, Kostenersatz im Zivilprozess 475; E. Kodek in Rechberger 4 § 521 ZPO Rz 1; OLG Linz 5 R 45/86 = EvBl 1987/169; OLG Innsbruck 1 R 336/90 = EvBl 1991/153; OLG Wien 34 R 47/15d = PBl 2016, 35) kann nur für eine zulässige Berufung in der Hauptsache gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 40 Abs 1 ZPO.

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