OGH 7Ob24/18g

OGH7Ob24/18g21.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der Bewohnerin I* A*, geboren am *, vertreten durch VertretungsNetz, Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung (Bewohnervertreterin Mag. A* N*), vertreten durch Mag. Gerlinde Füssel, Rechtsanwältin in Linz, Sachwalter J* A*, Einrichtungsleiterin A* H*, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, LL.M., PLL.M., Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung gemäß § 11 HeimAufG, über den Revisionsrekurs der Einrichtungsleiterin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 20. Dezember 2017, GZ 21 R 446/17k‑24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 31. Oktober 2017, GZ 3 Ha 2/17z‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120981

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Bewohnerin leidet an einer schweren kognitiven und motorischen Störung (Intelligenzminderung, Dauerkrampf in den Beinen und andere Symptome). Sie kann sich nicht selbst bewegen; es ist aber wahrscheinlich, dass sie einen Fortbewegungswillen fassen und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie diesen auch durch Mimik und Handbewegungen ausdrücken kann. Eine selbständige gewillkürte Lageveränderung im Bett ist der Bewohnerin nicht möglich. Es kann lediglich in ungelagerten Positionen (wie beispielsweise ungelagerte Seitenlage während der Körperpflege) zu Spontanbewegungen (Kippen, Rollen) kommen.

Das Erstgericht sprach aus, dass die mechanische Freiheitsbeschränkung der Bewohnerin durch hochgezogene Seitenteile am Pflegebett unzulässig ist. Anstelle der Seitenteile, die verhindern sollen, dass die Bewohnerin von einem anderen Bewohner aus dem Bett gezerrt wird, könnte eine Sensormatte als gelinderes Mittel eingesetzt werden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei der Bewohnerin sei ein Fortbewegungswille und die Möglichkeit zur nonverbalen Äußerung des Fortbewegungswillens nicht ausschließbar und sie könne sich zudem ausschließlich mit Hilfe Dritter fortbewegen. Bei dieser Konstellation erscheine es fraglich, ob das HeimAufG zur Anwendung gelangen solle.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Einrichtungsleiterin im Wesentlichen geltend, dass ein Bettseitenteil dann keine Freiheitsbeschränkung darstelle, wenn die Bewohnerin dadurch an keiner Ortsveränderung gehindert werde und jeder Dritte, der der Bewohnerin eine Ortsveränderung ermöglicht, ohne Schwierigkeiten das Bettseitenteil absenken könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG):

Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht der ständigen Rechtsprechung des Fachsenats, wonach nur derjenige vom Anwendungsbereich des HeimAufG ausgenommen ist, dem die Fortbewegungsfähigkeit fehlt und der auch keinen Fortbewegungswillen mehr bilden oder äußern kann. Für die Beurteilung, ob eine der Überprüfung nach diesem Gesetz unterliegende Maßnahme vorliegt, kommt es nicht auf die (Un‑)Wahrscheinlichkeit der Äußerung eines Fortbewegungswillens an; vielmehr steht schon die nicht völlig ausgeschlossene Möglichkeit dazu der Annahme entgegen, eine Freiheitsbeschränkung käme nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0121662 [T12]). Diese Grundsätze hat der Fachsenat bereits bei der Überprüfung der Zulässigkeit des Einsatzes von Bettseitenteilen angewendet und dabei auch die von der Einrichtungsleiterin ins Treffen geführten Materialien (ErläutRV 353 BlgNR 22. GP  8 ff) berücksichtigt (7 Ob 233/16i = iFamZ 2017/127 [Strickmann]; 7 Ob 199/16i [jeweils Seitenteile bei Immobilität]).

In der von der Einrichtungsleiterin angesprochenen Entscheidung (richtig:) 7 Ob 102/17a erfolgte eine Abgrenzung gegenüber der Entscheidung 7 Ob 19/07f, die bezüglich der Verneinung einer Freiheitsbeschränkung unter Hinweis auf die generell notwendige Hilfe Dritter vereinzelt geblieben ist, weshalb auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0042690).

Da sich somit die Entscheidungen der Vorinstanzen im Rahmen der maßgeblichen Rechtsprechungslinie des Fachsenats halten, fehlt es an den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG. Der Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung der Bewohnervertreterin beträgt zufolge § 16 Abs 3 iVm § 17a HeimAufG 7 Tage. Die Bewohnervertreterin erhielt den Revisionsrekurs am 15. 1. 2018 zugestellt. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde am 23. 1. 2018 eingebracht, ist daher verspätet und deshalb zurückzuweisen.

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