OGH 12Os159/17z

OGH12Os159/17z15.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Laura K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 3. November 2017, GZ 37 Hv 98/17p‑33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00159.17Z.0215.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Laura K***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am 5. September 2016 in N***** unter dem Einfluss eines ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit rezidivierend aggressivem Verhalten und einer Minderbegabung ihre Betreuerin Erika H***** gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie ihr ein Tafelmesser mit dem runden Ende der Klinge am Hals ansetzte und dabei äußerte: „Jetzt stech ich dich ab!“, also eine Tat begangen hat, die ihr, wäre sie zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

Mit ihrer Kritik, dass der Vorsatz der Betroffenen bloß „in Richtung – und damit sprachlich einer Vorstufe – der Angst um das Leben des Opfers“ (US 4) unzureichend und solcherart nicht auch hinsichtlich einer Drohung mit dem Tod festgestellt worden wäre, übergeht die das Vorliegen einer Anlasstat im Sinn des § 21 Abs 1 StGB bestreitende Rechtsrüge (Z 9 lit a) die getroffenen Konstatierungen in ihrer Gesamtheit, wonach es der Betroffenen bei der inkriminierten Äußerung darauf ankam, das Tatopfer in einen nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustand – hier ausgelöst durch die Angst vor dem Tod – zu versetzen und sie es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass ihre Äußerung geeignet war, bei Erika H***** begründete Furcht und Unruhe in Richtung einer Angst um ihr Leben herbeizuführen, was auch tatsächlich eintrat (US 4, vgl auch US 6). Damit verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz

RS0099810).

Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) erschließt aus den bloß isoliert dargestellten psychischen Einschränkungen der Betroffenen das Fehlen einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, ignoriert jedoch das Gesamtausmaß der konstatierten Beeinträchtigungen (vgl RIS‑Justiz RS0111482; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 9). Solcherart legt sie aber nicht dar, weshalb die festgestellte intellektuelle Minderbegabung sowie die kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit einem rezidivierend auftretenden aggressiven Verhalten (US 2) bei vernetzter Betrachtungsweise nicht einen Zustand bilden sollten, der eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegt und so ausgeprägt ist, dass er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann (Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 10) und solcherart eine geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad darstellt, auf der der die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Zustand (§ 11 StGB) beruht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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