OGH 3Ob232/17i

OGH3Ob232/17i24.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O*, vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, wegen 60.000 EUR sA und Räumung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 7. November 2017, GZ 2 R 267/17f‑5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 2. Oktober 2017, GZ 18 C 704/17v‑2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120717

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 60.000 EUR sA und die geräumte Übergabe eines näher bezeichneten, im Sprengel des Erstgerichts gelegenen Geschäftslokals. Er sei Pächter und Verfügungsberechtigter des Lokals, das die Beklagte seit Oktober 2016 titellos nutze, sodass sie es zu räumen und Benützungsentgelt zu leisten habe. Für den Fall, dass das Verfahren – im Sinn der vorprozessualen Behauptungen der Beklagten, die jedoch bestritten würden – ergeben sollte, dass zwischen den Streitteilen ein Bestandvertrag abgeschlossen worden sei, werde das Zahlungsbegehren auf die aushaftenden Mietzinse und das Räumungsbegehren auf § 1118 (gemeint: zweiter Fall) ABGB gestützt.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Ob eine für die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 5 JN maßgebende Bestandsache vorliege, sei nach den Klagebehauptungen zu beurteilen. Da der Kläger sein Räumungsbegehren auf titellose Benützung stütze und das Zustandekommen eines Bestandvertrags ausdrücklich bestreite, sei das angerufene Gericht aufgrund des 15.000 EUR übersteigenden Zahlungsbegehrens sachlich unzuständig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Da der Kläger auch im Rekurs das Vorliegen eines Bestandvertrags zwischen den Streitteilen ausdrücklich bestreite, liege keine Bestandsache iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN vor.

Das Berufungsgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers, der insbesondere geltend macht, es sei sein gesamtes Vorbringen zu berücksichtigen, also auch jenes, das sich auf das von der Beklagten behauptete Bestandverhältnis beziehe, ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zulässig und berechtigt.

1. Räumungsklagen sind nur dann als Bestandstreitigkeiten anzusehen, die ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN den Bezirksgerichten zugewiesen sind, wenn sie aus der Beendigung eines Bestand-, Nutzungs- oder Teilpachtverhältnisses resultieren, nicht aber auch dann, wenn sie sich auf die Benützung ohne Rechtsgrund beziehen (RIS‑Justiz RS0046865 [T16, T23]).

2. Der amtswegigen Prüfung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in limine litis, also vor Einbeziehung des Beklagten in das Verfahren, sind gemäß § 41 Abs 2 JN (nur) die Angaben des Klägers in der Klage zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0046236; RS0046200 [T2]).

3. Den Vorinstanzen kann nur insofern zugestimmt werden, als der Kläger sein Begehren primär auf eine titellose Benützung des Objekts durch die Beklagte stützt. Legt man allerdings auch sein weiteres (Eventual‑)Vorbringen zugrunde, ist unzweifelhaft von einer Bestandstreitigkeit iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN auszugehen.

4. Wenn ein und derselbe Tatbestand (ein einheitlicher Lebenssachverhalt) verschiedenen Gesetzesnormen unterstellt werden kann, ist das angerufene Gericht zuständig, wenn es seine Zuständigkeit auch nur hinsichtlich einer der anzuwendenden konkurrierenden Normen besitzt; es genügt also, dass das angerufene Gericht bloß aufgrund eines der sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt ableitbaren Rechtsgrunde zuständig ist (RIS‑Justiz RS0045485 [T9]).

5. Der Kläger leitet sein Haupt- und sein Eventualvorbringen zwar nicht aus einem einheitlichen Sachverhalt ab, stellt aber in beiden Varianten ein und dasselbe Begehren. In einer solchen Konstellation ist bei der Zuständigkeitsprüfung auch das nur eventualiter erhobene Vorbringen zu berücksichtigen (4 Ob 169/02k SZ 2002/104 = RIS‑Justiz RS0116701; Scheuer in Fasching/Konecny 3 § 41 JN Rz 10/1; Mayr in Rechberger 4 § 41 JN Rz 4).

6. Dass der Kläger die Richtigkeit der seinem Eventualvorbringen zugrunde liegenden vorprozessualen Behauptungen der Beklagten, [Unter-]Bestandnehmerin des Klägers zu sein, (bisher) bestreitet, liegt in der Natur eines bloß hilfsweise erhobenen, mit dem Hauptvorbringen (titellose Benützung) in Widerspruch stehenden Vorbringens und führt nicht zu dessen Unbeachtlichkeit im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung.

7. Da die Vorinstanzen die sachliche (Eigen-)Zuständigkeit des Erstgerichts also zu Unrecht verneint haben, ist wie im Spruch zu entscheiden.

8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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