OGH 11Os156/17a

OGH11Os156/17a9.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Zach, LL.M. (WU) als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mikica J***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG, AZ 144 Hv 93/17b des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 4. August 2017 (ON 16) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, und der Verteidiger Mag. Häussler und Mag. Illetschko, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00156.17A.0109.000

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. August 2017, GZ 144 Hv 93/17b‑16, verletzt § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch, demzufolge auch im Strafausspruch, weiters im Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

 

Gründe:

Mit – unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem und in gekürzter Form ausgefertigtem – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. August 2017, GZ 144 Hv 93/17b‑16, wurde Mikica J***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wovon ein Teil in der Dauer von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 142 Hv 105/12w des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurde „gemäß § 53 Abs 3 StGB“ iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO und vom Verfall gemäß § 20a Abs 3 StGB abgesehen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Mikica J***** „in W***** vorschriftswidrig Suchtgift gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) anderen gegen Entgelt überlassen, und zwar im Zeitraum September 2016 bis Anfang März 2017 dem bereits rechtskräftig verurteilten Nidal H***** in einer Vielzahl von Angriffen zumindest 300 Gramm um einen Preis zwischen 5 bis 7 Euro pro Gramm“.

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. August 2017, GZ 144 Hv 93/17b‑16, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Nach der – auch im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter anzuwendenden (§ 488 Abs 1 StPO) – Bestimmung des § 270 Abs 4 Z 1 StPO hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe, also auch die Inhaltserfordernisse nach § 260 StPO (§ 270 Abs 2 Z 4 StPO), sowie im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) zu enthalten. Im Urteilstenor, der bei gekürzter Urteilsausfertigung die Entscheidungsgründe als Bezugspunkt für die materiell‑rechtliche Beurteilung ersetzt, ist sohin auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; vgl RIS-Justiz RS0125032).

Strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem Suchtmittelgesetz ist auf konkrete, in der Suchtgiftverordnung oder der Psychotropenverordnung erfasste Wirkstoffe zu beziehen, weshalb Feststellungen zur Beschaffenheit, nämlich der Wirkstoffart – sowie bei mengenbezogenen Deliktsqualifikationen zum Reinsubstanzgehalt – tatverfangener Substanzen unabdingbar sind (vgl RIS-Justiz RS0114428).

Der vorliegende Urteilsspruch hingegen enthält– wie bereits der Strafantrag (ON 7) – weder eine Benennung der Substanz noch eine Bezeichnung des darin enthaltenen Wirkstoffs, womit dem Urteil ein Rechtsfehler mangels Feststellungen schon hinsichtlich des Grundtatbestands des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG aber auch hinsichtlich der Qualifikation nach § 27 Abs 3 SMG (vgl § 70 Abs 1 Z 1, 2 und 3 und Abs 2 StGB) anhaftet.

Der aufgezeigte Rechtsfehler ist geeignet, sich zum Nachteil des Verurteilten Mikica J***** auszuwirken, weshalb die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen war (§ 292 letzter Satz StPO).

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