OGH 1Ob218/17s

OGH1Ob218/17s15.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat

Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI K***** L*****, vertreten durch Mag. Ralph Kolm, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch die Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG Rechtsanwaltsgesellschaft, Wien, wegen 175.732 EUR sA (in eventu Herausgabe), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2017, GZ 38 R 63/17x‑215, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Dezember 2016, GZ 44 C 837/06z‑204, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00218.17S.1215.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit der Revisionswerber im Hinblick auf die Gegenforderung einen Verstoß gegen die Rechtskraft einer Entscheidung in einem anderen Verfahren annimmt und daraus die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ableitet, übersieht er offenbar, dass ein Nichtigkeitsgrund in der Revision dann nicht geltend gemacht werden kann, wenn schon das Berufungsgericht – wie hier – die in der Berufung behauptete Nichtigkeit verneint hat (RIS‑Justiz RS0042981; vgl auch RS0043405) dabei ist es nicht erforderlich, dass darüber ein förmlicher Beschluss ergangen ist, vielmehr genügt auch eine (eindeutige) Verneinung in den Entscheidungsgründen (RIS‑Justiz RS0042981 [T29], RS0043405 [T37]).

Darüber hinaus übergeht es der Revisionswerber mit Stillschweigen, dass die im früheren Verfahren abgewiesenen Ansprüche der hier Beklagten auf Ersatz von Lagerkosten – worauf das Berufungsgericht deutlich hingewiesen hat – einen anderen Zeitraum betroffen haben als jene Kosten, die der nunmehr erhobenen Gegenforderung zugrundeliegen. Auch das Feststellungsbegehren wurde seinerzeit auf einen anderen Sachverhalt gestützt als die Gegenforderung in diesem Verfahren, weshalb auch insoweit keine Identität des Streitgegenstands bestehen kann.

2. Unverständlich sind die Revisions-ausführungen zur „Aktenwidrigkeit oder Widersprüchlichkeit des Urteils“. Es mag durchaus sein, dass die Entscheidung über das Herausgabebegehren überschießend formuliert wurde, weil in diesem auch die Herausgabe der aus Keller‑ und Abstellabteilen entfernten Gegenstände des Klägers erwähnt wird, obwohl solche Gegenstände nach den Feststellungen gar nicht (im Einflussbereich der Beklagten) vorhanden sind. Inwieweit der Revisionswerber dadurch beschwert sein könnte, wird aber nicht dargelegt.

3. Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Revisionswerber, dass das Berufungsgericht eine Erledigung seiner Mängelrüge, die sich auf ein seiner Ansicht nach unvollständiges Sachverständigengutachten bezogen hat, unterlassen habe. Diese Bemängelung ist schlicht unrichtig. Ob das Berufungsgericht den Mangel zu Recht verneint hat, kann vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden (RIS‑Justiz RS0042963), zumal es auch eine Frage der Beweiswürdigung darstellt, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt – oder ein bereits vorliegendes Gutachten ergänzt – werden soll (RIS‑Justiz RS0043320).

4. Einen weiteren vermeintlichen Verfahrensmangel macht die Revisionswerberin – wenn auch unrichtigerweise unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – insoweit geltend, als das Berufungsgericht die „rechtliche Beurteilung des Eventualbegehrens durch das Erstgericht“ zu Unrecht geteilt habe. Auch dazu ist darauf zu verweisen, dass ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz – es geht hier ja ausschließlich um die Beurteilung einer Verfahrensfrage – vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann, weil lediglich ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO bildet. Im Übrigen hat die Auslegung des Prozessvorbringens und der Sachanträge stets einzelfallbezogen zu erfolgen, sodass sich insoweit eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt (RIS‑Justiz RS0042828 [T3, T10, T13, T16, T19 ua]).

5. Im Zusammenhang mit der Bemessung des Schadenersatzes für die abhandengekommenen bzw beschädigten Gegenstände vermag der Revisionswerber keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Dass die Beklagte wegen ihrer unerlaubten Selbsthilfe dem Grunde nach schadenersatzpflichtig wurde, ist nicht strittig. Warum dem Kläger „zumindest ein Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten“ zustehen sollte, wird nicht nachvollziehbar erklärt. Der Hinweis darauf, dass sich bei ausschließlich zum individuellen Gebrauch geeigneten, niemand anderen dienlichen Sachen der gemeine Wert nach den Herstellungskosten bestimmt, geht schon deshalb am Problem vorbei, weil es sich hier nicht um derartige Sachen handelt und der Kläger zudem den Standpunkt vertritt, er könne sie in seiner neuen, vollständig eingerichteten Wohnung gar nicht unterbringen.

6. In der Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger habe sich ab Sommer 2009 im Annahmeverzug befunden, weil ihm zu dieser Zeit (erstmals) von der Beklagten das Angebot gemacht wurde, ihm seine (zwischenzeitig verwahrten) Fahrnisse ohne Kostenbelastung in seine (neue) Wohnung zu bringen, kann keine bedenkliche Fehlbeurteilung erblickt werden, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre. Der vom Revisionswerber betonte Umstand, dass das Gesamtgewicht der Gegenstände 3.000 kg betrug, ist nicht geeignet, die Annahme eines Gläubigerverzugs zu erschüttern, ist es doch stets Sache des Gläubigers, sich um einen Aufbewahrungsort für sein Eigentum zu kümmern. Wenn er sich auf sein Schreiben beruft, in dem er angegeben hat, er sei aufgrund seiner Verhältnisse damals nicht in der Lage gewesen, die hinterlegten Fahrnisse entgegenzunehmen, ist ihm entgegenzuhalten, dass es ihm freigestanden wäre, sie auf geeignete Weise anderweitig einlagern zu lassen oder aber den Lagerhalter zu beauftragen, die erfolgte Einlagerung nun auf seine Kosten fortzusetzen.

Nicht korrekturbedürftig ist auch die Annahme der Vorinstanzen, der Annahmeverzug sei ungeachtet dessen eingetreten, dass die (von der Beklagten ursprünglich ohne ausreichende Rechtfertigung veranlasste) gerichtliche Hinterlegung noch nicht beendet war. Die „Freigabe“ der Gegenstände scheiterte ja trotz des unverzüglichen Ausfolgungsantrags der Beklagten daran, dass der Kläger die Ausfolgung durch die Erhebung von Rechtsmitteln verzögerte. Damit liegt auch der vom Revisionswerber angenommene Widerspruch in der berufungsgerichtlichen Begründung nicht vor. Auch wenn die ursprüngliche Unmöglichkeit der Naturalleistung (wegen der Hinterlegung) von der Beklagten verschuldet war, hat sich dies eben später geändert.

Unverständlich ist die Revisionsbehauptung, es könne für einen bestimmen Zeitraum kein Annahmeverzug vorliegen, weil die Beklagte einen Exekutionsantrag auf Pfändung der eingelagerten Fahrnisse des Klägers gestellt hatte. Warum es der Beklagten nicht – wie allen anderen Gläubigern auch – offen stehen sollte, im Falle eines vollstreckbaren Zahlungstitels die Verwertung von Eigentumsobjekten des Schuldners zu betreiben, ist nicht erkennbar. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde die Versteigerung der Gegenstände vom Kläger schließlich „durch volle Gläubigerbefriedigung“ verhindert.

7. Der Rechtsansicht, die Beklagte habe ihre Gegenforderungen nicht ausdrücklich auf Schadenersatz gestützt, weshalb ihr auch keine Schadenersatzforderung zugesprochen hätte werden können, ist unrichtig. Eine rechtliche Qualifikation eines Begehrens ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, alle notwendigen Sachverhaltselemente vorzutragen, die bei zutreffender rechtlicher Beurteilung das erhobene Begehren schlüssig begründen (vgl nur RIS‑Justiz RS0037516).

Inhaltlich ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe zusätzliche Lagerungskosten dadurch schuldhaft verursacht, dass er den Ausfolgungsbeschluss bekämpfte, obwohl ihm die Beklagte die Übergabe an ihn zugesichert hatte, auf der Basis der getroffenen Feststellungen unbedenklich. Für das Entstehen eines Schadenersatzanspruchs der Beklagten kommt es auch gar nicht darauf an, ob dem Kläger eine sittenwidrige Schädigung im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB vorzuwerfen ist, bestanden doch zwischen den Parteien auch nach Beendigung des Mietvertrags nachvertragliche Sorgfaltspflichten. Wenn das Erstgericht ausdrücklich festgestellt hat, dem Kläger sei es im Zusammenhang mit der Verhinderung der Freigabe der Gegenstände ausschließlich darauf angekommen, die Beklagte durch die weiter anfallenden Lagergebühren zu schädigen, kann an seinem Verschulden an der Herbeiführung dieser Vermögensnachteile kein Zweifel bestehen.

8. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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