OGH 15Os136/17i

OGH15Os136/17i13.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm E***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Wilhelm E***** und Ömer S***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Juli 2017, GZ 22 Hv 44/17w‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00136.17I.1213.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Wilhelm E***** und Ömer S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilhelm E***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I.1.) sowie der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 [erster Fall] StGB (I.2.) und Ömer S***** des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 [erster Fall] StPO (II.) schuldig erkannt.

Nach dem Schuldspruch hat – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant –

I. Wilhelm E*****

...

2. am 14. November 2016 in I***** Univ.‑Prof. Dr. Z***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Betreibungsmaßnahmen wegen einer gegen ihn bestehenden Geldforderung genötigt, indem er ihm eine Schusswaffe vorzeigte, ihm vermittelte, dass er ihm das Geld nicht zurückzahlen werde, und erklärte, dass ihm und seiner Familie „das gleiche zustoßen“ werde, wenn dem Angeklagten etwas passieren sollte, und er bereits bei seinen Freunden „vorgesorgt“ habe, dass er im Besitz von Fotos der Frau und der Kinder des Angeklagten sei und man diesen und dessen Familie jederzeit finden werde, wenn er sich nicht an seine Anweisungen halte, verbunden mit der Behauptung, dass der Angeklagte in Wien schon einmal einen Mord im Rotlichtmilieu in Auftrag gegeben habe, wobei er zur Verdeutlichung der Ernstlichkeit der Drohung dem Gespräch einen unbekannten russisch sprechenden breitschultrigen Mann beizog und mit Gummihandschuhen sein Glas von Spuren befreite;

II. Ömer S***** von 15. November bis 12. Dezember 2016 in I***** und an anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Univ.‑Prof. Dr. Z***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung zu nötigen versucht, die den Genannten am Vermögen geschädigt hätte, nämlich zur Übergabe eines Geldbetrags von 1,5 Mio Euro, indem er ihm erzählte, er habe „Freunde aus Italien“ zu seinem persönlichen Schutz vor E***** engagiert, diese würden nun für ihr Tätigwerden diesen Betrag verlangen, sie würden ihm Druck machen und es werde „etwas passieren“, wenn sie ihr Geld nicht bekämen, wobei er ihm ein Foto zeigte, das vermeintlich einen Kopf mit einem Einschussloch zeigte, und indem er ihm namens der „italienischen Freunde“ von einer italienischen Rufnummer aus mehrere SMS‑Nachrichten mit im Urteil wörtlich wiedergegebenen Inhalten übermittelte.

Gegen I.2. des Schuldspruchs richtet sich die vom Angeklagten E***** aus Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde. Der Angeklagte S***** bekämpft den ihn betreffenden Schuldspruch (II.) mit auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*****:

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet, das Erstgericht hätte bei den Konstatierungen Passagen aus der Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Opfers übergangen, verkennt dabei jedoch, dass es nicht darauf ankommt, ob die bedrohte Person die Drohung ernst genommen hat (RIS‑Justiz RS0092392 [T5]).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, nach den erstgerichtlichen Feststellungen läge bloß eine Warnung des Rechtsmittelwerbers gegenüber dem Opfer vor, er hätte diesem bei seinen Äußerungen den Eindruck vermittelt, dass der Eintritt des Übels von den russischen Freunden abhängen würde und nicht von ihm selbst (vgl RIS‑Justiz RS0092149 [T5]).

Dabei geht die Beschwerde jedoch nicht von den Konstatierungen des Schöffengerichts aus und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Demnach erklärte der Angeklagte gegenüber Dr. Z***** nämlich, dass, wenn dieser zu den Behörden ginge, ihm und seiner Familie „das gleiche zustoßen“ werde, „wenn ihm (E*****) etwas passieren sollte“, er habe bereits bei seinen Freunden „vorgesorgt“, er dem Bedrohten eine Pistole zeigte und anmerkte, ein Barbesitzer aus dem Rotlichtmilieu in Wien sei bereits im Auftrag des Angeklagten erschossen worden, wobei diese Äußerungen dem Rechtsmittelwerber ernst waren und ihnen die Bedeutung einer Drohung mit dem Tod des Dr. Z***** und dessen Familie zukam, was der Angeklagte auch beabsichtigte (US 15 f).

Weshalb Feststellungen dazu erforderlich sein sollten, „wie der Bedrohte die Bedrohung verstanden hat“, legt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar.

Wie die Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, betrifft die Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse zu erwecken, eine Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0092538). Mit der Behauptung des Fehlens einer ausreichenden Begründung der rechtlichen Beurteilung dieser Eignung wird weder ein Begründungsmangel noch sonst ein Nichtigkeitsgrund dargetan (RIS‑Justiz RS0098676 [T1]).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Polizeibeamten H***** zum Beweis dafür, dass die in der Hauptverhandlung getätigte Aussage des Opfers unrichtig wäre, wonach die von ihm bei seiner polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben im Zusammenhang mit einer angeblichen Aussage des Angeklagten S*****, E***** wäre erschossen worden, nicht protokolliert wurden. Als Beweisthema wurde im Antrag die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. Z***** angeführt.

Da im schöffengerichtlichen Verfahren die Beweiswürdigung der Tatrichter nur eingeschränkt angefochten werden kann, ist es schon mit Blick auf den Grundrechtsschutz (Art 6 Abs 1 MRK) geboten, in Strafverfahren, in welchen – wie hier – nur ein einziger Tatzeuge vorhanden ist, die gegen die Glaubwürdigkeit dieser Person vorgebrachten Argumente besonders sorgfältig zu prüfen und auch indirekte, die Glaubwürdigkeit des Zeugen betreffende Beweise aufzunehmen. Selbst unter dieser Prämisse ist allerdings darauf abzustellen, ob der unter Beweis zu stellende tatsächliche Umstand mit Blick auf die dem Schöffengericht im Antragszeitpunkt bereits vorliegenden Beweisergebnisse in der Lage ist, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung noch maßgeblich zu beeinflussen. Mit anderen Worten muss bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs eine erfolgsversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten sein (RIS‑Justiz RS0107445, RS0096368 [T14, T15]). Diese Qualität kommt dem beantragten Zeugenbeweis jedoch nicht zu. Im Übrigen zielte der Antrag auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab, weil er nicht darlegte, warum die gewünschte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließe (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0118444).

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert, dass das Schöffengericht sich bei den Feststellungen auf die für glaubwürdig erachteten Aussagen des Zeugen Dr. Z***** stützte, den dabei angesprochenen „persönlichen Eindruck“ im Urteil jedoch nicht konkretisierte. Dabei wird verkannt, dass der Ausspruch über die größere oder geringere Glaubwürdigkeit eines Zeugen gegenüber anderen vorgeführten Beweisen grundsätzlich keiner weiteren Begründung bedarf (RIS‑Justiz RS0098603, RS0098377).

Indem sich die weitere Mängelrüge (Z 5) auf die tatrichterlichen Erwägungen bezieht, wonach die drei SMS‑Nachrichten von einer italienischen Rufnummer ausschließlich unter der Prämisse der Richtigkeit der Angaben des Zeugen Dr. Z***** einen Sinn ergäben, wird nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft.

Die Verantwortung des Zweitangeklagten, er wollte von Dr. Z***** bloß eine vereinbarte Provision bekommen, haben die Tatrichter ebenso berücksichtigt wie dessen Leugnen, dem Opfer ein Lichtbild eines menschlichen Kopfes mit einem vermeintlichen Einschussloch gezeigt zu haben (Z 5 zweiter Fall; US 27 f).

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (nominell Z 5 zweiter Fall, inhaltlich Z 5 vierter Fall) stellt es keinen Nichtigkeitsgrund dar, dass das Erstgericht die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten nicht für glaubwürdig erachtete. Indem die Tatrichter sich bei den Feststellungen auch in diesem Zusammenhang auf die Angaben des Zeugen Dr. Z***** stützten, führten sie keine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) an.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bezieht sich auf keinen entscheidenden Umstand (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399), indem sie darauf verweist, dass der Zeuge Dr. Z***** bei seiner polizeilichen Vernehmung angab, bei dem Blick auf das erwähnte Foto des Kopfes nicht sicher gewesen zu sein, ob es sich dabei wirklich um E***** handelte.

Von einem anfangs guten Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen Dr. Z***** sind die Tatrichter ohnehin ausgegangen (US 13 f), weshalb die diesbezügliche Verantwortung des Rechtsmittelwerbers entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht weiter erörterungsbedürftig war.

Die Feststellungen zur Ernstlichkeit und zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen des Angeklagten S***** haben die Tatrichter entgegen dem weiteren Vorwurf gerade nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), sondern sich dabei auf eine Zusammenschau des Wortlauts der Äußerung mit dem Vorzeigen des Lichtbilds sowie der Verwendung der italienischen Rufnummer gestützt (US 30 f).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt (US 19), indem sie ausführt, der Rechtsmittelwerber hätte Dr. Z***** bloß zur Zahlung seiner Schulden bewegen wollen, und verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert nicht auf Basis der tatrichterlichen Konstatierungen, indem sie das Vorliegen einer gefährlichen Drohung bestreitet und ausführt, es habe sich bloß um eine Warnung gehandelt, welche vorliege, wenn das Übel so dargestellt werde, dass der Eintritt nur vom Verhalten anderer nicht aber vom Täter selbst abhänge.

Das Vorbringen, das Erstgericht hätte erstmals im Urteil das Vorliegen eines schweren Betrugs thematisiert, im gesamten Verfahren aber nie auf diese im Vergleich zur Anklageschrift andere rechtliche Beurteilung hingewiesen, ist mit Blick auf den Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der schweren Erpressung unverständlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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